Fremd- oder Selbstbestimmung?. Frank Föder

Fremd- oder Selbstbestimmung? - Frank Föder


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bis zum heutigen Tag vollführen, nämlich, in die Enge getrieben, das Militär schießen zu lassen. Gorbatschow gilt heute bei seinen Parteigenossen als Verräter. Doch wenn je ein Mensch den Friedensnobelpreis verdient hat, dann dieser Mann. Schließlich verdankt die Menschheit ihm nicht weniger, als daß sie noch existiert.

      Es ging hier um die Frage, wer oder was in der Welt die bedrohliche Vernichtung und Zerstörung hervorruft. Wer oder was veranlaßt die Menschheit, ihre Lebensgrundlage zugrunde richten? Wer oder was bringt die Menschen gegeneinander auf? Wer oder was schafft unerträgliche Verhältnisse, evoziert Massenflucht?

      Der einzelne Mensch hat die Bestimmung über sein Geschick aus der Hand gegeben. Er hat sich einer Einrichtung anvertraut, die verspricht herbeizuführen, was richtig und nötig ist. Tatsächlich jedoch fordert dieses Gebilde eigene Ansprüche ein. Es pocht auf Vorrechte, die dem Versprochenen und Erforderlichen entgegenstehen.

      Die Verschlimmerung der Verhältnisse ist nicht zu übersehen. Dies beunruhigt viele Staatsbürger zunehmend. Doch deren Engagement und deren Protest richten sich zur Zeit nicht gegen den wahrhaft Schuldigen. Statt dessen gilt deren Bemühen, die unheilvollen Erscheinungen separat durch Gegenmaßnahmen zu entschärfen.

      Von der Friedensbewegung war hier schon die Rede. Auch gegen die Umweltzerstörung, gegen den Artentod, das Flüchtlingselend, den Hunger, die Verarmung und schließlich gegen Kriminalität und Korruption gehen Nachbarn auf die Straße, opfern sie Freizeit und Geld.

      Auch die Wissenschaftler, die eine fatale Begebenheit feststellen, begnügen sich damit, diese zu bekämpfen. Sie gehen damit gegen eine der bedrohlichen Erscheinungen vor, lassen aber deren Ursache unangetastet.

      Das aber macht die aufopferungsvollen Kraftanstrengungen, eine wie die andere, völlig nutzlos. Denn mit noch so viel Aufwand ist ein Erfolg gegen Begebenheiten, die ein Urgrund hervorbringt, nicht zu erzielen. Unbenommen werden hier und da punktuell Verbesserungen erwirkt. Im großen Ganzen aber bleiben die Zustände nicht nur erhalten, sondern verschlimmern sich fortlaufend.

      Das Bemühen, Symptome kurieren zu wollen, ist und bleibt eine vergebliche Mühsal. Es gleicht – anders kann man das nicht sehen - den Waffengängen des Ritters von der traurigen Gestalt (Don Quixote nach Miguel de Cervantes).

      Wer einem Wahn sein Wüten austreiben will, muß ihm an die Wurzel gehen.

      Das überläßt die Menschheit gegenwärtig den Terroristen.

      Nur sie vorerst greifen den Staat an. Ein Teil von ihnen wirft ihm vor, ihnen keinen Halt zu geben oder ihnen keinen Lebenssinn zu vermitteln. Ein anderer Teil verurteilt ihn, weil er für Ungerechtigkeit steht und Not erzeugt. Nach Auffassung eines weiteren Teils stellt er ein blasphemisches Ordnungsmuster dar.

      So gut wie alle Terroristen eint die Überzeugung, daß es eine andere, eine bessere Welt geben müsse.

      Die Musterdemokratie, die das Schrecknis des Terrors besonders effektiv zu spüren bekam, hielt es für von außen in sie hineingetragen. Das war vielleicht bei einigen Anschlägen auch der Fall. An der Entstehung des Ingrimms aber waren die USA, ihre Politik, ihr Verhalten in der Welt, alles andere als unschuldig. Die Aufwallungen gegen sie kamen nicht von ungefähr.

      Doch das, was die bestehende Ordnung ersetzen soll, wenn es nach dem Willen der Attentäter geht, ist alles andere als empfehlenswert. Das wird später noch gesondert zu erörtern sein.

      Die Terroristen handeln kriminell, das steht außer Frage. Weit überwiegend jedoch agieren sie nicht aus niedrigen Motiven. Die meisten wollen nichts für sich selbst erwirken. Sie opfern sich für eine als nötig empfundene Veränderung.

      Wie nun geht Demokratie mit ihren verwirrten oder irregeleiteten Kritikern um? Für sie ist vorab klar, daß es keine bessere Welt gibt als die ihre. Deshalb ist von vornherein verwerflich, gegen sie vorzugehen. Sie stellt dafür somit auch kein Rechtsmittel zur Verfügung. Für den mithin, der sie in Frage stellt, bleibt nur die Gewalt.

      Unbestreitbar sind Terroraktionen zu verurteilen. Es gibt keine Rechtfertigung für Mord. Gleichwohl ist zu beanstanden, wie die demokratische Staatsgewalt mit denen, die sie infrage stellen, umgeht. Die gewählten Machthaber wissen wenig anderen Rat, als die Fehlgeleiteten auszurotten. Bush fiel zu diesem Zweck in Afghanistan ein. Obama ließ ein Tötungskommando in Pakistan wirken. Der Friedensnobelpreisträger schickte Killerdrohnen in alle Welt. Ihnen sind, nach Schätzungen der Medien, bisher mehr als 10 000 Menschen zum Opfer gefallen.

      Attentätern gegenüber treten demokratische Mandatsträger mit dem Anspruch der moralischen Letztentscheidung auf. Verfassung hin, Rechtsstaatlichkeit her, wer den Staat, den heiligen angreift, sei es auch auf jene Weise, die allein Aufmerksamkeit erzielt, die allein Nachdenklichkeit zu erzeugen imstande sein könnte, verwirkt sein Leben, ohne daß ihm groß der Prozeß gemacht werden muß.

      Diejenigen, die das System Demokratie mit Verantwortung betraut, heizen den Mißstand an. Denn mit Gewalt sind dem Menschen Erkenntnisse, Auffassungen, Ängste nicht auszutreiben. Brutale Verfolgung, dazu unter Rechtsbruch, vermehrt statt dessen Wut und Widerwehr. Dieses Ergebnis wird tatsächlich auch erzielt. Die Nachrichtendienste der USA verzeichnen mittlerweile mehr als eine Million Terroristen, täglich Tausend mehr.

      Die Demokratie leidet an ideeller Auszehrung. Dennoch sind Aufstände gegen sie bisher die Ausnahme.

      Vorderhand bewältigen die Besorgten ihren Frust teils mit Resignation, teils mit Renitenz. Die Verzagten verzichten auf die Wahrnehmung ihres Wahlrechts. Die Tatkräftigen engagieren sich in extremistischen Parteien oder bei Protestbewegungen.

      Dabei besagt die Beteiligung vieler Heutiger an ausgefallenen Initiativen schwerlich, daß sie ernsthaft erwarteten, auf die gewählte Weise eine Wende zum Guten herbeiführen zu können. Wer die Geschichte kennt, weiß solches Verhalten eher als Zeichen tiefgreifender Verunsicherung und Verängstigung zu deuten.

      92 Prozent der deutschen Studenten realisieren, daß das, was gegenwärtig vor sich geht, Anlaß zu großer Besorgnis gibt. 2014 noch waren dies nur 74 Prozent (gemäß der Studentenumfrage der Zeitschrift „Die Zeit“ in 2016).

      Peter Sloterdijk stellt lapidar fest: „Man weiß, daß für eine effektive Weltsteuerung andere Organe erfunden werden müssen, und man weiß, daß die Zeit abläuft, in der die Bürger mit ihren Regierungen Geduld hatten. [ . . . ] In aller Welt werden die Bürger nach Sicherheit vor ihren Regierungen verlangen.“.

      Vorsorgliche Innenminister wappnen deswegen bereits die Polizeistationen gegen die zu erwartenden Aufstände mit zusätzlichen Waffen. Zunehmend wird das Militär benötigt, um das eigene Volk in die Schranken zu weisen. Dieser Absturz in ideell/ethische Tiefen wird bemerkenswerterweise nicht mehr als außerordentlich empfunden. Selbst hochgebildete Anhänger der alten Schule sind sich nicht zu schade, für den Einsatz der Truppe gegen die eigenen Bürger die verfassungsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen. Neoetatistische Legalität entledigt sich jeder Fessel der Moral. Auch demokratische Inhaber der Befehlsgewalt führen die Armee gegen das eigene Volk ins Feld.

      Aufruhr entbehrt von vornherein jeder Berechtigung. Er darf mit allen Mitteln unterbunden werden. Assad und Konsorten werden durchaus vom Völkerrecht gestützt (siehe dazu Art.2, EMRK).

      Wo Menschen als Ungeheuer auftreten, hat stets ein Staat seine Hand im Spiel. Für ihn oder gegen ihn werden sämtliche auftretenden Gräuel verübt. Viel spricht dafür, daß es ohne das Dasein der Staaten keine menschlichen Monster gäbe.

      Am Schluß dieser Erörterungen ergibt sich folgender Sachverhalt:

      Seit der Antike wird versucht, den Staat zu einem Gebilde zu machen, das vollzieht, was nötig ist, und abwendet, was Schaden bringt. Demokratie, damals zu diesem Zweck erfunden, erfuhr in der Neuzeit ihre exklusive Verwirklichung.

      An der modernen Demokratie aber stimmt nichts. Alles an ihr ist verlogener Schein. Freiheit opfert sie ihrem Anspruch auf Respekt und Gehorsam. Sicherheit, ihr ursprüngliches Versprechen, Wohlfahrt, ihre neuartige Verheißung, die Agentur bleibt das eine wie das andere schuldig. Statt dessen grassieren in ihr Ungerechtigkeit und die Gefährdung durch vielerlei


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