Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf


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die Augen bekamen starke Bögen nach oben. Der blaue Scooter hatte sich ganz zu einer Halbkugel verformt, auf der der Pausenclown nun keinerlei Halt mehr fand. Er schaukelte darauf über den spiegelglatten Boden, und in dem spitzen Hütchen, das ihm aus der Glatze wuchs, klingelte es unaufhörlich. Jede Menge Blei im Boden, kreiselte er als blaubäuchig klingelndes Männchen den Rolltreppen entgegen, wild, aber sinnlos mit dem Mopp herumwirbelnd. Die Leute duckten sich, sprangen zur Seite. Er repetierte sein Lieblingswort im Takt der einzelnen Stufen, über die er hinunterpolterte, eine nach der anderen. Die Securitymannschaft stürzte in hellster Aufregung hinterher. „Wuff!“ Josef starrte der wilden Jagd noch bis zu ihrem völligen Verschwinden nach, dann wandte er sich nach rechts. Hier erweckte die Gastronomie einen eher pikanten Eindruck denn links, wo es mehr nach Kaffe und Kuchen aussah. Schnell am Burgerking vorbei, nach Chinesisch stand ihm auch nicht der Sinn. Danach folgte pronto Pizza und quicke Nudeln, noch weiter hinten wurde es etwas Continental, aber das traute er Asiaten nicht wirklich zu. Erst das letzte Lokal sah nach Thai aus, Mango Tree, stilvoll schlicht eingerichtet, versprach es ebensolch stringenten Geschmack auf der erlauchten Zunge. Es war auch wesentlich ruhiger hier, weniger Fluggäste verirrten sich ganz nach hinten. Eine rechte Wohltat, und man konnte, vom Sitzen aus, in die Halle hinuntersehen, von der aus man zu den verschiedenen Gates kam. Josef setzte sich und wurde als erstes darauf hingewiesen, dass es nur kleine, keine großen Biere gebe. Kein gutes Offert gleich zu Anfang für Josef. Denn er hasste nicht nur kleine Biere. Er hasste alle kleinen Dinge. Nach Josefs Meinung sollten alle Dinge eine gewisse Größe aufweisen. Kleine Biere waren für ihn nicht mehr als ein finanztechnischer Kunstgriff. Das erwies sich auch hier als richtig. Das kleine Bier kostete letztlich hundertfünfundsiebzig Baht. Am Suvarnabhumi in Bangkok. Da zahlte man mindestens die Architektur mit. Wenn Josef den ganzen Aufenthalt auf dem Flughafen hätte verbringen müssen, dann wäre er auch gleich wieder vorbei gewesen. Ein permanentes, und vor allem galoppierendes, finanzielles Abebben. Die stilvoll dazu gereichten Frühlingsrollen waren sehr cross, aber auch sehr vegetarisch gehalten. Die gummösen Glasnudeln waren, ohne nennenswerte Gemüsebeilage, in knusprigen Teig verpackt. Ohne Fleisch natürlich. Korrekt. Por Pia Phak. Der Preis dafür ähnlich exclusiv wie der für das kleine Bier. Hundertfünfundvierzig Baht. Heiß. Da schreist du schon, bevor du überhaupt hingreifst! Burn Baby burn! Schon ohne Chilisauce. Scharf. Sehr scharf. Die Fingerspitzen glühten, die Zungenspitze wartete. Auf den Schmerz. Papillös wie monetär. Das war exact jenes gastronomische Missverhältnis, auf das jeder Gast mit Leichtigkeit verzichten konnte. Auch Josef. Mango Tree. Naja, Nomen ist halt auch nicht mehr immer Omen. Oder man musste es anders lesen. Man go tree. Geh schiffen. Such dir einen Baum. Bezahlt ist schon.

      Josef hielt das Trinkgeld knapp und ging zurück zu den Shops, wo er noch eine Schachtel getrockneter Jackfrucht kaufen wollte. Aber nirgendwo konnte er die dried Jackfruit mehr ausmachen, überall nur noch Durian, Stinkfrucht, und die war ihm zu riskant. Er meinte, Fische die stanken, schmeckten ja auch nicht nach Ambrosia, oder? Dieser angeblich süß hervorragend gute Duriangeschmack mit Pfirsicharomen, stand deren intensivem Geruch nach stark beanspruchten Synthetiksocken mit einem Spritzer Fischsoße krass entgegen. Dem traute Josef nicht. Das gleubte er nicht wirklich. Warum hatte er die Jackfruit nicht gleich gekauft? Gleich, wie er sie gesehen hatte? Ach ja, der durchgeknallte Typ hatte abgelenkt. Ordentlich. Durian, Durian, nichts als Durian. Josef ging den Stand systematisch durch, umrundete ihn dabei mehrmals und kam frustriert auch wieder mehrmals am Ausgangspunkt an. Er gab auf.

      „Excuse me. Do you have Jackfruit too?“

      Wortlos griff die Verkäuferin aus dem Stapel, direkt vor ihm, ein farbenfroh gelb grünmetallen schimmerndes Ding mit dem Bild einer dicken Jackfrucht drauf.

      „Hundredfive Baht“, tat sie emotionslos kund. Konsterniert betrachtete Josef die achtzig Gramm cholesterinfreies Nettogewicht. Tatsächlich stand auch Jackfruit groß darauf. Aber darüber, da stand Durio. Das war aber nur die Herstellerfirma. Die verkaufsfördernd schick gestapelten Schachteln verdeckten aber die Front zu zwei Dritteln. Auf Augenhöhe konnte man so nur mehr Durio und darunter Dried lesen. Der Rest, in dem Fall die Hauptsache für einen Fremden, einen frischen Farang auf gut thailändisch, war verdeckt. Josef nahm sich vor nächstesmal eher zu fragen, zahlte und packte die Schachtel umständlich in seinen Rucksack. Er fuhr mit der Rolltreppe eine Etage tiefer und folgte den Hinweisen zum Gate C vier. Das Gate war relativ schnell erreicht, das Overhead-Display informierte über den Flug Nummer PG neunhundertsechs nach Koh Samui USM mit der Boarding Time um vierzehn fünfundfünfzig. Abflug fünfzehn fünfundreißig. Ankunft sechzehn vierzig. Bangkok Air. Verspätung durfte es keine geben. Josef wollte die letzte Fähre nach Koh Pah Ngan gleich im Anschluss an den Flug erreichen. Die fuhr um siebzehn dreißig ab und brachte ihn für dreihundert THB in zwanzig Minuten nach Koh Pah Ngan. Das Ticket war reserviert, der Transfer auch, es sollte also nichts schief gehen. Im Moment war noch Zeit genug.

      Die Entertainmentwelle am BKK schien nicht mehr zu bremsen zu sein. An jeder Ecke beim Gate C vier, und mit Sicherheit auch bei allen anderen Gates, hing ein Samsung Flachbild, leicht über Kopfhöhe, und bot ein schlechtes Bild und sich überlagernde Töne. Dazwischen gab’s auch ein paar LG Schirme in derselben Qualität. Damit man das Bild halbwegs scharf und frei von Bewegungsunschärfen sehen konnte, musste man gehörigen Abstand nehmen, und dort redete einem dann der nächste Fernseher quasi ins Bild. Das gab dann also Jay Leno und eine blonde Tussi across the Survival Man vom Discoverychannel, der zeigte, wie man Cocosnüsse schält und knackt, ganz superschlau.

      „Uh!“ Die Tussi gab sich gerade wasserstoffblond, und der Überlebensexperte drosch synchron mit einer abmontierten Schiffsschraube auf die Cocosnuss ein.

      „Kreisch!“

      Josef musste etwas Unschärfe in Kauf nehmen, näher an den Tropenexperten ran, diese überspannte Millionärszicke im Ohr war nicht auszuhalten. Die lachte demnächst noch über den eigenen kleinen Zeh, der schief aus den pinkfarbenen Manolo Blahnik Knotted Slingback Sandals stak. „Ups! Whats going up down there? Tic tac toe? Ooeee Jay!“

      Josef wünschte ihr ein paar kräftige Besenreißer an die schlanken Fesseln. Mister Survive hatte inzwischen die Nuss geknackt, nicht sehr schön, aber doch gekonnt, und sich mit Cocoswasser angepatzt. „As matters stand, no problem. Anyway, we had to go for some sunblocker now.“ Er mantschte mit seinen Fingern in der Cocosnusshälfte herum und schmierte sich mit der oberflächlichen Pulpe das Gesicht ein. Ein paar dicke weiße Klumpen darin erweckten den Eindruck, als ob ihm gerade jemand die volle Ladung ins Gesicht gespritzt hätte. „It´s very effective.“ Das Manolo Girl kreischte gerade wieder besonders begeistert im Hintergrund. Zweifellos ein Survival Porno. Get fucked by a coconut. Ob der Typ selber wusste, wie er gerade aussah? Wahrscheinlich nicht. Unverzagt ging er daran, das restliche Mark aus der Cocosnuss zu kratzen und zu essen. Josef faszinierte es immer wieder, wie lange die Akkus der Cams bei derartigen, quasi echten Dokus eigentlich hielten. Praktisch ewig. Dafür wurde alles andere zum Problem. Vom Sonnenhut bis zur Menüfolge aus rohen Muscheln und unter konkaven Glasscherben gerösteten Riesenmaden. Das Leben ging schon seltsame Wege. Und das Gate ging auf, die Boardingtime war angebrochen. Josef sah schnell auf die Uhr. Vierzehn fünfzig. Überpünktlich. Das sah gut aus. Josef ließ sich in die Menschenschlange und von dieser in die Maschine schleusen. Pünktlich um fünfzehn fünfunddreißig hob sie ab, in Richtung Koh Samui. Der Flug war praktisch ein Start und ein Landeanflug mit einem Snack und zwei schnellen Bierdosen dazwischen. Die Gepäckausgabe fraß mit stoischer Ruhe wichtige Zeit weg, Josef schien die schwarzen Plastikfahnen am Anfang des Förderbands eine halbe Ewigkeit angestarrt zu haben, bis endlich ein Koffer hereinrutschte, das Förderband überhaupt erst in Bewegung setzte. Während Josef auf die Zeiger seiner Uhr starrte, kam dann natürlich eine Menge an Gepäckstücken zum Vorschein, nur nicht sein blauer Tramperrucksack. Ein Liebespaar, das offenbar alle Zeit der Welt hatte, weil es sich immer wieder selbstvergessen abknutschte, klaubte sich entspannt seine Rucksäcke vom Band, während Josef immer nervöser wurde. Er musste den Transferbus rechtzeitig erreichen, die Strecke auf der Einundvierzigsechsundneunzig war noch zwölf Komma sieben Kilometer lang, grob gesagt musste er von Bo Phut nach Mae Nam, was sich eben in zwölf Komma sieben Kilometern niederschlug. Und die Fähre um siebzehn Uhr dreißig war die letzte nach Koh Pah Ngan. Wenn er sie nicht erwischte, hieß es auf Zimmersuche zu gehen. Und das bedeutete, eine Nacht ungewollt für gutes Geld zu verschlafen. Das Pärchen schlenderte


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