STRANGERS IN THE NIGHT. Jon Pan

STRANGERS IN THE NIGHT - Jon Pan


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jagende oder klagende Klänge, zart oder teuflisch. »Muzikar gut«, sagte der Kommissar. »Du jetzt spielen und nicht mehr arbeiten.«

      Es war klar, dass mehr Musiker her mussten. Der Kommissar, den Musik offensichtlich begeisterte, stimmte zu. Rehbein durfte eine Besetzung zusammenstellen, sein Kriegsgefangenen-Orchester. Insgesamt elf Mann, da sich nicht mehr Instrumente auftreiben ließen. Endlich kam Farbe in den harten Gefangenenalltag. Die Neuigkeit machte überall die Runde. Hoffnung breitete sich aus. Rehbein war bemüht, geeignetes Notenmaterial zu finden. Er arrangierte, schrieb neu, obwohl es auch an leeren Notenblättern fehlte.

      Der Kommissar war hilfsbereit. Er veranlasste, dass Notenpapier besorgt wurde. Die Musiker erhielten Sonderrationen. Ab und zu gab es sogar Zigaretten. Die Männer um Rehbein mussten sich nicht mehr die Köpfe kahlscheren lassen, durften die Haare länger tragen. Rehbein besaß auch wieder eine brauchbare Hose.

      Das erste Konzert rückte näher. Ein Vertreter des Antifa-Ausschusses war mit der Leitung beauftragt worden. Das Konzert sollte außerhalb des Lagers stattfinden. Ausschließlich für die Gefangenen. In einem richtigen Saal. Das war eine Sensation.

      Am Tag der Veranstaltung wurde eine ausgesuchte Anzahl Gefangener unter strenger Bewachung aus dem Lager geführt. Die Musiker waren schon am Nachmittag in den Saal gebracht worden. Unter strenger Bewachung konnten Rehbein und seine Männer dort ihre Notenpulte aufbauen und eine Probe abhalten. Die Vorstellung fand am Abend statt. Wie sich bald herausstellte, waren auch Gefangene aus anderen Lagern anwesend.

      Ein einziges Konzert genügte, und das KriegsgefangenenOrchester unter der Leitung von Herbert Rehbein wurde in Belgrad und Umgebung zu einem Begriff. Sehr schnell folgten weitere Auftritte. Bei dem ersten Konzert hatte Rehbein auch einen Kameraden aus seiner Zeit auf Kreta wiedergetroffen, Heinz Schubert aus dem Lager Senjak in Beograd. Und es dauerte nicht lange, da traten Rehbein und seine Musiker in diesem Lager auf. Nicht ohne Folgen, wie sich herausstellte.

      Heinz Schubert hat sich einige Tage Zeit für meine Recherchen genommen. Schubert ist ein erfolgreicher Geschäftsmann in Berlin, der in seinem Leben eine renommierte Fachfirma für Medizintechnik aufgebaut hat. Wir reden über den Krieg, über die Jahre, die er als Soldat auf Kreta und später in Jugoslawien hat verbringen müssen. Schubert war Bataillonsschreiber 2a–2b gewesen. Er hatte Rehbein auf Kreta kennen gelernt. Danach trafen die beiden Männer immer wieder zusammen. Sie machten denselben Leidensweg durch. Und sie befreiten sich später gemeinsam aus dem Joch der Kriegsgefangenschaft.

      Als Rehbein und sein Kriegsgefangenen-Orchester 1946 im Lager Senjak auftraten, war Heinz Schubert gerade »hosenkrank«. Schubert war an der Sache mit der Musik sofort sehr interessiert und wollte ein eigenes Orchester gründen. Schließlich hatte er Schlagzeug gespielt und auch schon einige Texte verfasst. Doch was ihn noch mehr faszinierte, war die Möglichkeit, auf diese Weise vielleicht dem täglichen Gefangenendasein zu entkommen.

      Es dauerte nicht lange, da hatte auch Schubert einige Musiker versammelt, alles Gefangene, die sich diese Chance natürlich nicht entgehen lassen wollten. Ziko, jugoslawischer Sanitätsreferent und Dolmetscher, half mit, vermittelte bei den Vorgesetzten. Dazu kam die Versetzung von einem Mann namens Edmund Koetscher nach Senjak, der in den letzten Jahren Kapellmeister am Sender Belgrad gewesen war. Mit seiner Hilfe wurde es möglich, Instrumente zu besorgen.

      Die ersten Konzerte fanden statt, zuerst noch in Senjak, dann begann eine regelrechte Tournee durch andere Lager.

      Während sich für Schubert die Situation verbesserte, erlitten Rehbein und seine Musiker einen Rückschlag. In Pancevo hatte ein neuer Kommissar die Auflösung des Kriegsgefangenen-Orchesters veranlasst. Rehbein musste wieder im Lazarett arbeiten.

      Monate vergingen. Wie Rehbein erfuhr, war nach kurzer Zeit auch das Orchester von Schubert aufgelöst worden. Die Kommandantur in Belgrad duldete nur noch ein einziges Orchester. Es spielten Musiker aus verschiedenen Lagern mit und nannte sich offiziell »Gefangenen-Unterhaltungsorchester Belgrad«. Mehr wusste Rehbein davon nicht. Doch eines Tages hatte er die Gelegenheit, einem Konzert dieses Orchesters, das von Lager zu Lager reiste, beizuwohnen. Das Konzert fand in dem Saal in Pancevo statt, in dem Rehbein mit seinen Musikern den ersten Auftritt gehabt hatte.

      Zu seiner Überraschung sah Rehbein, dass Schubert im »Gefangenen-Unterhaltungsorchester Belgrad« als Schlagzeuger und Conférencier mitwirkte.

      Schubert entdeckte Rehbein im Publikum und holte ihn nach dem Konzert hinter die Bühne. Dort stellte er ihn Ziko vor. Rehbein erfuhr, dass Schubert der Mann war, den die Kommandantur in Belgrad mit der Besetzung des nunmehr einzigen Kriegsgefangenen-Orchesters beauftragt hatte. Rehbein wusste, dass dies eine gute Chance für ihr war. Er musste in dieses Orchester aufgenommen werden. Heinz Schubert – von Ziko protegiert – tat sein Bestes.

      Der Entscheid der Kommandantur in Belgrad fiel schneller als erwartet. Rehbein, der Posaunist Otto Ludwig und der Fagottist Henschel wurden nach Senjak versetzt, wo sie nun Mitglieder des »Gefangenen-Unterhaltungsorchester Belgrad« wurden.

      Das Lager Senjak bestand aus drei großen Baracken und einem als Kommandantur dienenden Steinhaus, in dem sich die Wachmannschaften, aber auch einige Deutsche wie der Lagerarzt, ein Apotheker, die Friseure und das Küchenpersonal einquartiert hatten. In einem zweiten, wesentlich besser gebauten Haus wohnten der Kommandant und der Kommissar. Das ganze Areal war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von jugoslawischen Posten bewacht.

      Geprobt wurde im Steinhaus, in dessen Dachstock die Musiker auch schliefen. Rehbein spielte die Geige. Mit den Arrangements hatte er nichts zu tun. Das war Sache des musikalischen Leiters Alfred Schindler.

      Das »Gefangenen-Unterhaltungsorchester Belgrad« gastierte in regelmäßigen Abständen in den verschiedenen Lagern und Außenstellen. Eine solche Tournee dauerte etwa einen Monat. Dann fing alles wieder von vorne an.

      Rehbein begegnete Edmund Koetscher das erste Mal im Dachzimmer des Steinhauses. Koetscher saß nackt auf einem der drei Bänke, die um den dortigen Kachelofen gruppiert waren, und zupfte an einer Geige. Koetschers Großvater war Geiger unter Liszt und Wagner gewesen. Koetscher selbst hatte bereits große Erfolge geschrieben, unter anderem Dorfmusikanten und Sensation. Nach dem Krieg sollte er seine Karriere fortsetzen und mit seiner Liechtensteinerpolka einen Welterfolg landen.

      Rehbein verstand sich mit Koetscher nicht besonders, schon weil ihm dessen Musik zu platt war. Koetscher gab Rehbein aber den Tipp, sich bei Radio Belgrad zu bewerben. Dort wurde beim großen Unterhaltungsorchester, unter der Leitung von Herrn Gutescha, ein Konzertmeister gesucht.

      Rehbein und der Posaunist Otto Ludwig bewarben sich mit Erlaubnis des Lagerkommandanten bei Radio Belgrad. Sie wurden zum Probespielen eingeladen. Heinz Schubert, der die beiden begleiten durfte, erinnert sich: »Ich werde nie vergessen, wie Otto Ludwig mit einer ganz alten Ventilposaune ankam, auf der er erstaunlicherweise ganz toll spielen konnte. Er blies aus der Ouvertüre zur Bagatelle den Solopart eines Cellos, was Herrn Gutescha sehr gut gefiel.«

      Rehbein trug Passagen aus dem A-Dur-Konzert von Mozart vor. Gutescha war angesichts seiner musikalischen Fähigkeiten beeindruckt. Damit war Herbert Rehbein als Erster Geiger und Konzertmeister beim großen Unterhaltungsorchester von Radio Belgrad engagiert. Kriegsgefangener blieb er nach wie vor. Doch das war jetzt kaum noch der Rede wert.

      Rehbein ging jeden Tag vom Lager Senjak aus zu seiner Arbeit als Konzertmeister in den Radiosender Belgrad. Von den Musikern dort wurde er schnell respektiert. Er hatte das sichere Gespür für Arrangements und verstand es auch, ohne Aufdringlichkeit mit den Mitspielern um zugehen. Es darf nicht vergessen werden, dass er sich inmitten von slawischen Geigern aufhielt, die teilweise eine geradezu teuflische Spielfertigkeit besaßen.

      Gutescha von Radio Belgrad bemühte sich bald darum, Rehbein und Otto Ludwig aus dem Lager Senjak zu holen und eine Unterkunft in der Stadt zu organisieren.

      Rehbein und Schubert, der inzwischen auch außerhalb des Lagers wohnte, verabredeten sich nun oft. Schubert hatte durch Edmund Koetscher ein Turmzimmer in einem herrschaftlichen Haus gefunden. Über der Tür hing ein Schild, auf dem »Schubertstüberl« stand. Dieses Zimmer wurde in Belgrad unter den deutschen Musikern bekannt. Auch


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