Die schwarze Macht. Elise Lambert

Die schwarze Macht - Elise Lambert


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Ihnen wertvolle Aufschlüsse geben. Und jetzt, da ich selbst Raucher bin ... eine Viertelstunde Pause, meine Damen und Herren.« Lächelnd hatte er dabei auf seine Armbanduhr getippt, bevor er die Präsentation vorerst beendete und es auf der Wand hinter ihm dunkel wurde. »Im Anschluss wird mein geschätzter Kollege Detective Inspector Cyril McGinnis fortfahren. Herzlichen Dank Ihre Aufmerksamkeit.«

      Einige Studenten begannen mit den Fingerknöcheln auf ihre Schreibablagen zu klopfen, um sich auf diese Art für den lehrreichen Vortrag zu bedanken, andere klatschten oder gaben freundliche Zurufe zum Besten.

      Zwei Stunden später beendete auch McGinnis seine Vorlesung.

      »… und vergessen Sie bitte nie, dass neben all dem Gehörten, eine zusätzliche Präzisierung der Leichenliegezeit immer auch durch Rückfragen der jeweiligen Ermittlungsbehörde zu erlangen sind, zum Beispiel mit der Frage, wann eine verstorbene Person zuletzt lebend gesehen wurde oder weitere Anhaltspunkte, wie dem eines geleerten Briefkastens.« Zufrieden lächelnd sah er in die Runde. »Vielen Dank für Ihre konzentrierte Teilnahme. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag.«

      Als er seine Unterlagen zusammenpackte und sich daran machte das Podium zu verlassen, kam Blake auf ihn zu.

      »Gratuliere, deine Feuertaufe hast du ausgezeichnet bestanden«, schmunzelte er und reichte ihm darauf die Hand. »Willkommen im Dozenten-Club.«

      Kapitel 4

      K

      urz nach fünf am Abend packte Lauren Pritchard ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Heimweg. Glücklicherweise hatte sie in unmittelbarer Nähe der Universität eine hübsche, gemütliche Wohnung anmieten können, die sie zusammen mit ihrer Mutter bewohnte. An ihren Vater konnte sie sich kaum noch erinnern. Sie war gerade erst vier Jahre alt geworden, als er bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.

      Auf dem Weg nach Hause besorgte sie noch einige Kleinigkeiten für das Abendessen. Sie wollte ihre Mutter überraschen und heute wieder einmal für sie kochen. Der Einkaufsmarkt lag auf direktem Weg. Sie brauchte nicht lange für die Besorgungen und eine gute halbe Stunde später trudelte sie mit ihrer schweren Einkaufstüte in der gemeinsamen Wohnung ein.

      Sie brachte die Sachen in die Küche. Am Kühlschrank fand sie eine Haftnotiz. Ihre Mutter ließ sie wissen, dass sie unerwartet von einer alten Freundin eingeladen worden war und erst spät am Abend zurückkommen würde. Sie solle mit dem Essen nicht auf sie warten.

      Enttäuscht packte sie die Tüte aus, verstaute alles in den Schränken und dem Kühlschrank. Die Freude am Kochen war ihr vergangen. Für sie allein lohnte der Aufwand nicht. Also schnitt sie sich stattdessen ein paar Scheiben Brot ab, holte den Aufschnitt und machte ein paar Häppchen. Mit dem Teller und einer Tasse heißen Kaffee huschte sie ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und schaute sich während des Essens eine nichts sagende Seifenoper an. Später brachte sie das Geschirr zurück in die Küche, zündete sich eine Zigarette an und machte es sich in ihrem behaglichen Lieblingssessel bequem.

      Wie kommt es nur, dass ich bei Stress nach diesen Dingern giere, die mich zum Husten reizen? Ja, sie empfand Stress, ein seltsames Gefühl der Anspannung, ohne genau sagen zu können: woher oder warum? Nur gut, dass mich diese Zigaretten schwindelig werden lassen, dachte sie, und redete sich ein, gar keine richtige Raucherin zu sein.

      Heute Abend bleibe ich daheim, dachte sie weiter, und gehe mal früh schlafen. Aber vorher werde ich noch etwas lesen.

      Sie liebte Science Fiction und hatte erst vor einigen Tagen mit ›Fahrenheit 451‹ von Ray Bradbury angefangen. Sie mochte die Geschichte, deren Verfilmung sie bereits gesehen hatte, und in deren Zukunftsvision die Feuerwehr nicht mehr mit Wasserspritzen ausgerüstet war, sondern mit Flammenwerfern, die genau den Hitzegrad erzeugen, bei dem Papier Feuer fängt, eben 451 Grad Fahrenheit, um die letzten Zeugnisse individualistischen Denkens – die Bücher – zu vernichten. Es war der Feuerwehrmann Guy Montag, der ihr besonders gefiel, weil er anfing sich Fragen zu stellen. Sie konnte sich nicht vorstellen in einer Welt zu leben, in der das Bücherlesen mit Gefängnis und Tod bestraft wurde. Den Gedanken daran fand sie beängstigend. Für sie war der Roman ein zeitloses Plädoyer für das freie Denken. Der Film hatte sie schon begeistert und auch der österreichische Schauspieler Oskar Werner, dem Francois Truffaut die Rolle Guy Montags gegeben hatte. Für Werner musste es eine schwere Rolle gewesen sein, denn er war noch Zeitzeuge von Hitlers Bücherverbrennungen gewesen. Sie wusste, dass Werner die Bedeutung der Literatur für die Bewusstwerdung des Menschen und das Verbrechen der Bücherverbrennung deutlicher dargestellt haben wollte, und damit angefangen hatte Truffauts Entscheidungen im Laufe der Dreharbeiten zunehmend zu hinterfragen und teils seine Anweisungen gänzlich zu ignorieren, bis er sich gegen Ende der Arbeiten sogar mit dem Vorwurf der Sabotage einzelner Szenen konfrontiert sah.

      Sie stand auf und wollte sich gerade das Buch von der Nachttischkonsole holen, als ihr Blick unvermittelt auf die wildlederne Umhängetasche fiel, die sie achtlos auf das Sofa gestellt hatte. Was sie verwunderte war, dass sie so seltsam kugelig aussah. Sie konnte sich gar nicht erinnern, etwas in die Tasche getan zu haben. Verwirrt schüttelte den Kopf.

      Kann mir dergleichen tatsächlich entfallen sein?

      Jetzt hatte sie die Neugier gepackt. Sie nahm die Tasche, ging damit zum Frisiertisch in ihrem Zimmer, setzte sich auf den davor stehenden zierlichen Hocker und öffnete sie. Verständnislos betrachtete sie den Inhalt. Außer den gewohnten Utensilien, die sich gewöhnlich in den Taschen aller Frauen befanden, war da noch, der in ein Baumwolltuch verpackte, Gegenstand, den ihr Prof. Lamondt am Morgen übergeben hatte.

      Sie stutzte. Es war ihr schier unerklärlich, wie der in ihre Tasche gekommen war. Unwillkürlich fing sie an zu rekapitulieren:

      Er hat mir das Fundstück auf den Schreibtisch gelegt, und ich habe es, … ich bin mir absolut sicher …, später im Stahlschrank eingeschlossen. Das verstehe ich nicht. Sie schüttelte leicht den Kopf und begann an sich zu zweifeln. Habe ich es denn womöglich gar nicht in den Schrank gelegt, … und stattdessen in meine Tasche? Daran müsste ich mich doch eigentlich erinnern!

      Verwirrt und verärgert über sich selbst, weil es ihr nicht einfallen wollte, zuckte sie mit den Schultern. Sie versuchte sich beruhigen und sagte sich, dass es jetzt eh müßig sei, sich darüber noch den Kopf zu zerbrechen.

      Ohne dass es ihr richtig bewusst wurde, hatte sie die das Fundstück herausgenommen und damit begonnen es auszupacken. Voller Interesse besah sie sich die seltsame Kristallkugel, von der ihr Prof. Lamondt gesagt hatte, sie würde ihnen noch große Rätsel aufgeben. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel bei dem Gedanken daran, dass er in diese simple Kugel etwas hineininterpretiert hatte, was ganz sicher nicht in ihr steckte. Sie glaubte fest daran, dass die eigenartige rötliche Färbung im Inneren der schwarzen Kugel mineralischen Ursprungs war.

      Lauren Pritchard wollte den Kristall schon wieder einpacken, um ihn gleich am Morgen wieder ins Institut zurückzubringen, als sie jäh innehielt. Irritiert rieb sie sich die Augen.

      Träume ich etwa? Konzentriert schaute sie in das Zentrum der Kugel. Ein seltsamer Prozess hatte dort begonnen. Was geschieht hier?

      Das zunächst kaum merkliche rötliche Leuchten im Inneren schien zunehmend an Intensität zu gewinnen. Aus irgendeinem für sie unerklärlichen Grund breitete es sich immer schneller aus, bis es nach wenigen Minuten die gesamte Oberfläche der Kugel eingenommen hatte, und diese, wie einen rotglühenden Ball aussehen ließ. Doch der geheimnisvolle Vorgang war damit noch lange nicht zu Ende. Kaum hatte sich das Glühen über die gesamte Oberfläche ausgebreitet, begann es in dem Kristall intensiv aufzuwallen. Hatte das rötliche Licht bislang gleichmäßig pulsiert, tat es das jetzt wild und heftig. Es erinnerte sie auf unbestimmte Weise an ein schlagendes Herz. Allein die Vorstellung daran, kam ihr unglaublich vor.

      Alles um sie herum war wie ausgeblendet. Sie


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