Das Blut des Sichellands. Christine Boy

Das Blut des Sichellands - Christine Boy


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wenig...“ gab der Junge zu.

      „Noch Sijak?“

      „Nein, lieber nicht.“

      „Gib mir noch welchen!“ forderte Lennys und Rahor wandte sich überrascht um.

      „Du hast schon einen ganzen Becher getrunken!“

      „Und? Willst du's mir verbieten? Gib schon her!“

      Als sie versuchte, den Becher zu füllen, verschüttete sie einen Teil des blutroten Getränks über ihre Hände.

      „Ich finde, du solltest langsam machen...“ Rahor schlug einen belehrenden Tonfall an. „Du bist erst...“

      „Vierzehn. Das sagtest du schon. Alt genug.“

      Sie saßen noch eine Weile beisammen und schon bald neigte sich auch Lennys' zweiter Kelch dem Ende. Die Flasche war bereits zur Hälfte geleert.

      Taruq stand auf.

      „Verzeiht, aber ich bin jetzt doch recht müde. Und ich muss morgen früh beizeiten den Hof kehren..."

      „Ja, ja, geh nur...“

      Auch Osa rappelte sich hoch.

      „Ich komme mit, Taruq. Meine Eltern sehen es gar nicht gern, wenn ich zu spät nach Hause komme...“

      „Langweiler...“ sagte Lennys noch einmal, als die beiden hinter den Hecken verschwunden waren. „Bleibst du noch?“

      Rahor streckte sich auf der Decke aus.

      „Wenn du willst, schon. Bist du denn gar nicht müde?“

      „Müde? Ich? Ich bin eine Batí!“ Stolz warf sie den Kopf in den Nacken.

      „Das bist du zweifellos. Ich auch, wie du weißt.“

      „Eben.“

      Sie tastete nach der Flasche, doch Rahor hielt sie am Handgelenk fest.

      „Findest du nicht, dass du genug hast?“

      „Hör endlich auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln!“

      Er ließ sie los.

      „Ganz wie du meinst. Aber beschwer dich morgen nicht bei mir, ich hätte dich nicht gewarnt.“

      „Du bist ein unerträglicher Besserwisser!“

      Sie tastete weiter und stellte fest, dass die Sijakflasche außerhalb ihrer Reichweite stand. Als sie versuchte aufzustehen, verlor sie beinahe das Gleichgewicht.

      „Lennys, auch auf die Gefahr hin, dass du...“

      „Halt den Mund!“ fuhr sie ihn an, holte die Flasche und ließ sich wieder neben Rahor auf die Decke fallen. Das Gehen war ihr nicht ganz leicht gefallen und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, der Boden sei nicht mehr so sicher und fest wie sonst. Diesmal versuchte sie gar nicht erst, den Becher zu füllen, sondern setzte gleich die Flasche an den Mund.

      „Na na na....“ Rahor schüttelte den Kopf. „Jetzt ist es aber wirklich genug! Du hast ja vorhin noch nicht einmal etwas von Afnans Platten gegessen.“ Er nahm ihr den Sijak weg.

      „He, was soll das?“

      „Da kannst du toben, wie du willst, aber wenn das hier irgendjemand mitkriegt, bekommst nicht nur du Ärger! Und mein Vater und ich haben mehr zu verlieren als du!“

      „Gar nichts habt ihr!“

      „Na, und ob. Saton wird uns beide rauswerfen, wenn er das hier herausfindet. Meinen Vater und mich. Nicht ganz zu Unrecht. Du bist ziemlich egoistisch, weißt du das?“

      „Du bist nur sauer, weil ich besser kämpfe als du!“ Sie versuchte, Rahor mit ihrem durchbohrenden Blick zu fixieren, aber sein Bild verschwamm vor ihren Augen und es wollte ihr nicht recht gelingen.

      „Nein, das bin ich nicht.“

      „Doch, bist du. Willst du es nochmal sehen?“ Ihre Worte klangen nun schon reichlich undeutlich und als sie Anstalten machte, noch einmal aufzustehen, musste sich Rahor nicht sonderlich anstrengen, um sie zurückzuziehen.

      „Nichts will ich sehen. Vielleicht solltest du dich jetzt besser schlafen legen...“

      „Nein!“ Noch einmal versuchte sie, sich hochzurappeln, doch diesmal gab sie das Vorhaben von alleine auf. Durch die Anstrengung wirkte der Sijak nun noch stärker und sie hielt sich den Kopf. Der Garten schien sich zu drehen.

      Für Rahor war dies ein eindeutiges Signal.

      „Genug jetzt. Ich hole Afnan, damit er dich ins Bett bringt.“

      „Brauch ich nicht! Ich bin kein kleines Kind!“ erwiderte sie trotzig. „Du bist genauso schlimm wie Wandan!“

      „Du benimmst dich aber gerade wie...“

      „Habe ich da zufällig gerade meinen Namen gehört?“

      Die dunkle, wohlbekannte Stimme fuhr Rahor durch Mark und Bein. Er war sich nicht sicher, ob Lennys sie überhaupt erkannte, aber so sehr er die Tochter des Shajs auch mochte, jetzt galt es in erster Linie, an sich zu denken.

      „Verflucht, Wandan...“ flüsterte er und sprang auf. „Tut mir leid, Lennys,... wirklich... aber... jetzt muss ich weg...“

      Und schon stolperte er durch die Dunkelheit davon. Im selben Moment erhob sich ein gewaltiger Schatten hinter den Rosenhecken auf der anderen Seite und Wandan trat hinter den Büschen hervor.

      „He, kein Grund wegzulaufen!“ rief er Rahor nach und lachte dann kopfschüttelnd.

       „Seit wann haben deine Freunde denn Angst vor mir? Wer war denn das?“

      Er sah zu Lennys hinunter, die immer noch auf der Wolldecke saß und sich mit den Händen abstützte. Zögernd blickte sie zu Wandan hinauf und schien ihn erst jetzt zu erkennen.

      Der Krieger legte den Kopf zur Seite.

      „Ist irgendwas?“

      Sie schüttelte den Kopf, bereute es aber augenblicklich.

      „Was ist denn los? Bist du eingeschlafen? Wer war der Junge gerade eben? Es war doch einer, oder?“

      Lennys sagte nichts.

      Nun wurde Wandan erst recht misstrauisch und kniete sich neben das Mädchen.

      „Ist dir nicht gut?“

      „Doch doch...“

      Wandan stutzte. Er schob eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen. Auf seinem Gesicht malte sich ein Ausdruck von Ungläubigkeit. Sofort suchte er mit den Augen den Platz ab und es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis er die Flasche erspähte, die Rahor fallengelassen hatte.

      „Hauch mich an!“ befahl er barsch.

      Doch Lennys dachte gar nicht daran.

      „Wo hast du dieses Zeug her? Wie viel hast du getrunken?“

      „Geht dich nichts an...“

      Der Krieger griff nach der Flasche, hielt sie gegen das Licht des mittlerweile aufgegangenen Mondes und stieß einen derben, cycalanischen Fluch aus.

      „Das ist doch wohl nicht zu fassen!“ polterte er los. „Das glaube ich einfach nicht! Diesmal bist du zu weit gegangen, junge Dame! Zu weit!“

      Er packte Lennys recht unsanft am Arm, zog sie nach oben und machte Anstalten, sie zur nächsten Pforte zu ziehen. Doch schon nach wenigen Schritten merkte er, dass das Mädchen sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

      „Das ist ja wohl der Gipfel!“ fuhr er sie an, hob sie hoch und achtete dabei nicht im mindesten auf ihre Protestrufe.

      „Na warte, du kannst morgen was erleben! Saton wird aus der Haut fahren, wenn er das erfährt!“

      Als die Tür hinter dem Cas und Lennys knallend ins Schloss fiel, kroch Afnan zitternd


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