Sehnsucht. Heidi Oehlmann

Sehnsucht - Heidi Oehlmann


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die Couch.

      Nachdem sie ihre endgültige Sitzposition festgelegt hat, setze ich mich daneben und lächle sie an.

      »Bist du hier ganz alleine?«, frage ich, obwohl ich mit keiner Antwort rechne.

      Sie grinst mich an, ohne ein Geräusch von sich zu geben.

      »Was machen wir beide denn jetzt?«

      Das Mädchen hält mir den Hasen hin. Ich weiß nicht, was sie mir sagen will. Dennoch greife ich nach dem Plüschtier und drücke es an mich. Das scheint der Kleinen zu missfallen. Sie streckt die Hände nach dem Plüschhasen aus, um ihn zurück zu bekommen. Sie verzieht den Mund und ist kurz vor dem Weinen. Bevor das passiert, lege ich ihr den Hasen in die Arme. Sie drückt ihn selig an ihre Brust und lächelt mich an.

      »Wie heißt du denn?«, wage ich einen neuen Versuch.

      »So i«, antwortet sie unverständlich.

      »Zoey?«

      Sie nickt mir zu. Ich kann nicht anders und muss grinsen. Das Mädchen ist einfach zuckersüß. Sie lächelt mich ebenfalls an.

      »Zoey! Hier bist du, wir suchen dich überall«, höre ich eine Männerstimme lautstark rufen. Noch bevor ich mich in die Richtung drehen kann, aus der die Stimme kam, steht ein wahnsinnig gut aussehender Mann im Blaumann vor mir.

       Ob das Zoeys Vater ist? Wenn er schon so verdammt gut aussieht, will ich nicht wissen, wie Zoeys Mutter ausschaut. So hübsch, wie die Kleine ist, muss sie ja bombastisch aussehen.

      Der Mann setzt sich auf die andere Seite der Couch und nimmt Zoey in die Arme: »Du kannst doch nicht einfach weglaufen! Wir haben uns solche Sorgen gemacht.«

      In seinem Gesicht ist Erleichterung zu sehen, während er die Kleine fest an sich drückt.

      Dann wendet er sich mir zu: »Es tut mir leid! Ich hoffe, Sie hatten keine Umstände wegen meiner Tochter?«

       Also doch, er ist ihr Vater. Ich habe es gewusst! So ein Mann muss vergeben sein.

      »Nein, um Himmels willen! Es ist alles in Ordnung. Zoey hat mir keine Umstände gemacht.«

      »Dann ist ja gut. Warum sind Sie eigentlich hier? Kann ich irgendetwas für Sie tun?«

      »Wenn Sie mich so fragen. Ich bin wegen meines Autos hier. Es macht so ein beängstigendes quietschendes Geräusch. Ich habe mich einfach nicht mehr getraut, weiter zu fahren.«

      »Okay, dann würde ich sagen, schauen wir uns das gleich an«, antwortet er. »Vorher bringe ich Zoey aber zu ihrer Oma, bevor sie wieder verschwindet.«

      »Kein Problem.«

      »Wenn Sie möchten, können Sie schon raus gehen. Ich komme gleich nach.«

      »Ja, mache ich. Vielen Dank!«

      »Gut, ich bin sofort wieder da«, sagt der Mann, dessen Name mir noch unbekannt ist. Draußen auf dem Schild las ich nur »KFZ-Werkstatt Brand«. Ob Zoeys Vater auch so heißt, weiß ich nicht.

      Er schnappt sich seine Tochter und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist.

      Ich greife nach dem Kaffeebecher. Mit einem Hieb trinke ich den letzten Schluck Kaffee aus und gehe nach draußen. Vor meinem Wagen bleibe ich stehen und warte, bis der Mechaniker zurückkehrt.

      7. Kapitel - Adrian

      »Mensch Zoey, du kannst doch nicht einfach weglaufen!«, sage ich zu meiner Tochter, während ich sie aus dem Verkaufsraum durch die Zwischentür ins Wohnhaus trage.

       Ich bin ja selbst schuld! Warum vergesse ich auch immer, die Tür zu schließen? Wäre sie geschlossen gewesen, hätten meine Eltern und ich nicht nach Zoey suchen müssen. Die Dreijährige kann die schwere Stahltür kaum alleine öffnen.

      »Ich habe sie gefunden!«, rufe ich, als ich mit Zoey im Flur stehe.

      Wie aufs Stichwort kommt meine Mutter die Treppe hinuntergelaufen. »Gott sei Dank! Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wo war sie denn?«

      »Mal wieder im Verkaufsraum.«

      »Das hätte ich mir denken können. Du musst die Tür immer geschlossen halten, Adrian! Es kann so viel passieren, wenn unsere kleine Zoey dort mutterseelenallein herumspaziert.«

      »Ja, verdammt! Ich weiß. Zum Glück war sie nicht alleine.«

      »Wieso? Wer war bei ihr?«

      »Eine Kundin.«

      »Da hast du ja noch mal Glück gehabt.«

      »Ja, das habe ich.«

      »Wo ist Papa?«

      »Er sucht draußen nach Zoey.«

      »Dann muss ich ihm Bescheid geben, dass sie wieder aufgetaucht ist, sonst macht er sich nur unnötige Sorgen.«

      »Ja, mach das.«

      »Passt du auf unsere kleine Abenteurerin auf?«, frage ich und übergebe meiner Mutter ihre Enkelin.

      »Na klar. Und du schließt die Zwischentür, wenn du über die Halle raus gehst!«

      »Mache ich. Versprochen!«

      »Und wir zwei gehen jetzt nach oben«, sagt meine Mutter zu Zoey.

      Ich gehe zurück in den Verkaufsraum. Dieses Mal vergewissere ich mich, ob die Zwischentür geschlossen ist und Zoey nicht bei der nächstbesten Gelegenheit hindurchschlüpfen kann. Mittlerweile weiß ich zwar, wo ich sie suchen muss, aber der Schreck ist im ersten Moment immer riesig, wenn die Kleine weg ist.

      Wo ist sie nur hin?, denke ich, als ich auf eine leere Sitzecke schaue. Sie kann doch nicht einfach gegangen sein!

      Dann fällt mir ein, wie ich selbst zu der Kundin gesagt habe, wir würden uns draußen treffen. Zoeys Verschwinden hat mich ziemlich durcheinandergebracht. Als ich sie auch noch neben der Blondine sitzen sah, war ich erst recht verwirrt. Meine Tochter ist alles andere als zutraulich. Fremden gegenüber verhält sie sich eher schüchtern, meist versteckt sie sich vor ihr unbekannten Menschen. Ich kann nicht glauben, dass sie einfach auf jemanden zugeht, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Das kann nur an der Frau liegen. Sie muss etwas Besonderes an sich haben, was Zoey gespürt hat. Sie scheint die Blondine zu mögen. Vielleicht vermisst sie ihre Mutter doch mehr, als ich angenommen habe. Seit sie sich kurz vor Zoeys zweitem Geburtstag aus dem Staub gemacht hat, meldet sie sich nicht mehr. Sie ist einfach mit einem Bodybuilder durchgebrannt und hat mich mit unserer Tochter zurückgelassen. Dass sie mich verlassen hat, ist eine Sache, aber wie kann eine Frau es fertigbringen und ihr eigenes Kind zurücklassen? Das ist mir unbegreiflich! Scheinbar ist die Kleine ihr egal. Zoeys Oma kümmert sich zwar rührend um ihre Enkelin, sie wird aber nie ihre Mutter ersetzen können.

      Ich weiß nicht, wie ich meiner Tochter jemals das Verhalten ihrer Mutter erklären soll. Noch ist sie zu jung, um zu verstehen, was los ist. Irgendwann wird sie alt genug sein und Fragen stellen. Ich habe keine Ahnung, was ich ihr dann antworten soll.

      8. Kapitel - Lisa

      »Haben Sie zufällig ein dreijähriges Mädchen gesehen?«, fragt mich ein älterer Herr, der über den Hof gelaufen kommt.

      »Meinen Sie Zoey?«

      »Ja, woher wissen Sie das?«

      »Die Kleine ist mir zugelaufen, als ich im Verkaufsraum gewartet habe.«

      »Wirklich? Wo ist sie jetzt?«

      »Bei ihrem Vater. Ich glaube, er wollte sie zu ihrer Oma bringen.«

      »Gut. Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Vielen Dank, junge Frau!«

      »Sie müssen sich nicht bedanken. Ich habe gern auf die süße Maus aufgepasst.«

      »Trotzdem.


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