Verliebt in meinen Feind. Lisa Torberg

Verliebt in meinen Feind - Lisa Torberg


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      Sie ging weiter, ihren Neuzugang immer im Schlepptau. Daniele blieb schweigsam, und als sie erneut ins Treppenhaus und eine weitere Etage nach oben gingen, fühlte Giulia sich einigermaßen unbehaglich.

      Sie ging schneller.

      »Hier ist unsere Wellnessoase«, erklärte sie mit leicht abgekühlter Stimme, kaum dass sie in der obersten Etage angekommen waren. »Hier haben Sie die verschiedensten Massagemöglichkeiten zur Auswahl, und falls nötig, finden Sie auch einen Physiotherapeuten, der Sie betreut.«

      Wie auf Kommando öffnete sich eine Tür zu ihrer Linken, und ein Mann, breit wie ein Schrank, trat heraus. »Guten Morgen, Giulia! Gut geschlafen?« Er grinste sie breit an.

      »Ja, sehr gut, danke. Morgen, Gipsy. Das hier ist Daniele. Er ist seit heute Mitglied bei uns. Daniele, das ist Gipsy, der beste Masseur in ganz Italien.«

      Der lachte tief und geschmeichelt. »Du übertreibst mal wieder maßlos, mia cara! - Hallo, Daniele. Wie geht’s?«

      Die beiden Männer schüttelten sich die Hände, und Giulia hatte den flüchtigen Eindruck, dass Daniele unter Gipsys kraftvoller Begrüßung deutlich zusammenzuckte. Sie verbiss sich ein Grinsen.

      »Danke, gut. Also wenn ich dann mal eine Massage brauche ...«

      »... bist du bei mir an der richtigen Adresse. Mach bei Giulia oder Annarita einen Termin aus, und schon ist alles klar, okay?«

      »Okay.« Daniele nickte. »Kraft in den Fingern hast du schon mal, das ist gut.«

      Gipsy zuckte grinsend die Achseln. »Tschuldigung. Bei Typen pass ich da meistens nicht so auf, die müssen das abkönnen, nur bei den Mädels bin ich vorsichtiger. Stimmt’s, Giulia?«

      »Ja, bei den Mädels hat er Hände wie Samt«, bestätigte diese schmunzelnd. »Drum ist er auch meistens ausgebucht. Verspannungen haben bei Gipsy nur eine kurze Lebenserwartung.« Sie wandte sich an den dunkelgelockten Hünen. »Wir sehen uns später, okay? Ich muss jetzt weiter, wir waren noch nicht im Nassbereich.«

      »Schönen Tag noch, und herzlich willkommen, Daniele.«

      »Danke!«

      Gipsy verschwand in einem Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges, und Giulia setzte ihre Tour fort. »Hier oben haben wir in erster Linie weibliches Publikum. Kosmetikbehandlungen, Solarium, Pediküre ... Ich zeige es Ihnen auch nur der Vollständigkeit halber, das dürfte Sie kaum interessieren.«

      Während sie redete, öffnete sie die Tür zu einer der geschmackvoll ausgestatteten Kabinen.

      »Sehr schön«, lobte Daniele. »Wann kann ich hier meinen ersten Behandlungstermin haben?«

      Giulia blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn einen Moment lang ungläubig an. Dann lachte sie aus vollem Hals. »Der war gut! Kommen Sie, ich zeige Ihnen noch das Schwimmbad im Keller.«

      »Äh - das muss nicht unbedingt sein«, meinte er vorsichtig auf dem Weg nach unten im Treppenhaus. »Sie haben doch erwähnt, Sie seien in Eile. Ich kann mir den Pool auch allein und irgendwann später mal ansehen. Außerdem würde ich gerne gleich mit dem Training anfangen. Ich habe nämlich am Nachmittag noch einen Termin.«

      »Na schön, das passt mir gut«, kommentierte Giulia aufatmend. »Dann muss ich mich nicht so abhetzen. Wir sehen uns also bei Gelegenheit. Viel Spaß und auch von mir noch ein herzliches Willkommen.«

      Augenblicke später trat Giulia hinter die Rezeption und angelte nach ihrer Handtasche. Annarita sah von ihrer Tastatur auf.

      »Das war aber heute eine kurze Führung - und das bei diesem Adonis.«

      Giulia sah sie irritiert an. »Adonis?«, wiederholte sie zweifelnd.

      Annarita grinste breit. »Hast du neuerdings Tomaten auf den Augen? Der Kerl ist ein echtes Sahneschnittchen. Und du gefällst ihm, das war nicht zu übersehen.«

      Giulia kramte hektisch in ihrer Tasche. »Wo ist denn nur mein Autoschlüssel? - Ja, schon möglich ... Also gut, er ist sehr attraktiv. Aber er könnte mein Sohn sein, also lassen wir das. - Ah, da ist er ja.« Triumphierend hielt sie ihren Schlüssel hoch.

      »Dein Sohn, ja?« Annarita starrte sie an, als hätte sie nicht mehr alle Latten am Zaun. »Warum nicht gleich dein Enkel? Was ist denn heute mit dir los?«

      »Nichts, aber der Kerl ist mir suspekt. Hast du nicht gesehen, wie komisch er mich angestarrt hat, als er hier hereinkam? Vielleicht hat er was gegen blonde Frauen.«

      »Natürlich hat er dich angestarrt. Sie starren dich alle an, falls du das noch nicht weißt.«

      »Doch, und ob ich das weiß. Aber es gibt Starren und Starren, verstehst du?«

      »Nein. Wie meinst du das?«

      »Er hat eben - komisch gestarrt. Das war nicht das typische ›Blond-Starren‹, wie ich es gewohnt bin.«

      »Sondern? Wie dann?«

      »Eben anders. Und jetzt hör auf, mich zu löchern, ich muss los.«

      »Bist du für die Seniorenstunde nicht ein wenig zu früh dran?«

      »Ich hab noch was zu erledigen unterwegs.« Giulia zwinkerte. »Außerdem mögen es die Herrschaften, wenn man ein bisschen früher dran ist, weißt du? Sie fühlen sich dann trotz ihres hohen Alters ernstgenommen.«

      »Ja, ich weiß - aber du hast noch zwei Stunden Zeit bis dahin.«

      »Ich kauf mir eben mal einen Cappuccino, was ist dabei?« Sie hängte sich ihre Handtasche über die Schulter, schnappte sich ihre Sporttasche und winkte Annarita fröhlich zu. »Bin dann mal weg, okay?«

      »Oookay?«

      Giulia ignorierte Annaritas fragende Miene. Natürlich, es war mehr als ungewöhnlich, dass sie mitten am Tag das Studio verließ, und eigentlich hatte ihre vorgeschobene Eile auch nur dazu dienen sollen, die Begrüßungstour mit dem Neuen so kurz wie möglich zu halten, weil der ihr einfach irgendwie suspekt vorgekommen war. Doch jetzt, als sie auf die Straße hinaustrat, verspürte sie tatsächlich Lust darauf, sich in irgendein Straßencafé zu setzen und in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken. Dass sie für einen Stadtbummel nicht angezogen war, störte sie wenig - ihre Divisa, die Uniform ihrer Oase, war durchaus straßentauglich.

      Also deponierte sie ihre Sporttasche im Auto und verließ den Parkplatz in Richtung auf das nächstgelegene Café, setzte sich in die Spätsommersonne und bestellte sich bei der vorbeilaufenden Kellnerin einen Cappuccino.

      Nachdenklich rührte sie ein wenig später in dem sahnig-cremigen Milchschaum herum. Es tat gut, einfach mal wieder nur zu sitzen und runterzukommen, fand Giulia. Sie war ja immer in Bewegung, immer unterwegs, beinahe ohne Pause. Warum sie allerdings ausgerechnet heute aus ihrem eigenen Studio geradezu geflüchtet war, hatte ganz gewiss nichts mit ihrem beunruhigend attraktiven Neuzugang zu tun, versicherte sie sich selbst. Er war nur einer unter vielen hübschen Jüngelchen, die sie wegen ihrer Größe und ihrer auffallend blonden Haare mit offenem Mund anstarrten und versuchten, bei ihr wenigstens ein Mal zu landen, um dann bei ihren Trainingskumpanen mit ihrer Eroberung anzugeben. Das jedoch hatte bei ihr noch nie einer geschafft, da war Giulia äußerst konsequent.

      Und sie würde es auch bleiben, egal, wie Daniele Barbieri sie mit seinen sanften, lang bewimperten, braunen Augen angehimmelt hatte.

      Unbehaglich registrierte sie, dass sie sich weitaus mehr mit ihm beschäftigte, als ihr lieb sein konnte.

      Ja, also gut.

      Sie gab es zu.

      Er hatte sie verwirrt und sie dazu gebracht, davonzulaufen, warum auch immer. Er hatte etwas an sich ... sie konnte es sich selbst nicht erklären.

      Mit gerunzelter Stirn begann sie, ihren Milchschaum zu löffeln, als ihr Handy läutete.

      »Carlo! Wie schön, dich zu hören!«

      »Giulia, cara - wie


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