Das Leben ist ´ne Session. Frank Gahler

Das Leben ist ´ne Session - Frank Gahler


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von Professor Manafov unterrichtet zu werden. Manafov war ein grauhaariger Bulgare, der es als unter seiner Würde empfand TUM – Studenten zu lehren wie es in SEINER klassisch - zeitgenössischen musikalischen Welt aussah.

      Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war es offenbar, Studenten so lange zu strietzen, bis einige sogar verzweifelt heulend den Raum verließen. Dass gerade wir zwei so überhaupt nicht warm miteinander wurden, lag ja wohl von Anfang an auf der Hand. Auf alle Fälle hab’ ich mich redlich bemüht, den Spieß umzudrehen, so dass ich glaube, sogar mal `ne Träne in seinen leblosen Technokratenaugen gesehen zu haben!

      Wonneberg jedenfalls meinte nur, dass er, falls ich bei diesem Kotzbrocken mit einer „drei“ abschließe vor mir den Hut ziehen würde. Jahre später, als ich dann mit einer „zwei“ abschloss erinnerte sich dieser Mann erstaunlicherweise an seinen Spruch und meinte nur: „Schade, Gala, dass ich keinen Hut auf habe, ich würde ihn jetzt sofort lüften!“ (Erstaunlicherweise sollte ich diesen Spruch Jahre später von einem anderen Menschen und in einem anderen Zusammenhang noch mal zu hören bekommen.)

      Neben vielen, teils vernachlässigbaren Fächern wie z.B. Psychologie, politische Ökonomie oder Philosophie (was soll denn das?) belegte ich mit Freuden das Fach „Jazzinterpretation“ bei Ruth Hohmann. Diese Frau hatte die Gabe und die Kraft, mit ihrer Stimme Eis zum Tauen und Blumen zum Blühen zu bringen, und nicht ohne Grund wurde sie „die Ella Fitzgerald des Ostens“ genannt. Es war nicht nur eine Ehre, sondern immer ein ausgesprochenes Vergnügen von dieser Dame gefordert zu werden. Danke, liebe Ruth!

      Wie ja bereits erwähnt war diese Studienrichtung an dieser Lehranstalt mit Beginn meines Studienjahres funkelniegelnagelneu eingerichtet worden. Wohl genau daraus ergaben sich einige unplanmäßige Unregelmäßigkeiten, die immer öfter dazu führten, dass entweder keine Unterrichtsräume zur Verfügung standen oder gerade keine Lehrer im Angebot waren oder, oder, oder…! Abgesehen davon, dass mich dieses organisatorische Durcheinander ziemlich genervt hat begann ich den Hochschulbetrieb als eher lächerlich zu empfinden und somit mich immer mehr zu langweilen.

      Apropos Chaos: Leider wurde an dieser Kaderschmiede den jungen Studenten nie beigebracht, wie man sich im Falle einer Panne auf der Bühne verhält. Wie oft sehe ich noch heute teilweise erfahrene Frontschweine kläglich versagen, wenn technische Pannen den wohl einstudierten Ablauf eines Konzertes brutal unterbrechen. Ich jedenfalls freue mich geradezu auf kleinere Katastrophen – juchhuu – kann ich doch hier meine von Frechheit getriebene, scheinbar in mir wohnende Improvisationsfähigkeit unter Beweis stellen! Sollte jemals darüber nachgedacht werden ein Studienfach „Chaosbewältigung auf der Bühne“ einzurichten – nehmt mich als Dozenten!

      Nach etwa achtzehn Monaten Studienzeit ging ich also zum Prorektor, Herrn Riedel, und bat um irgendeine wie auch immer geartete Klärung dieser für mich unerträglichen Situation. Bei diesem ziemlich ernsten und langen Gespräch, das darin gipfelte, dass ich schon um Exmatrikulation bat, kam Meister Riedel auf die Idee ich solle jetzt, nach zwei Jahren, einen Teilabschluß machen und den Rest dann extern selbstständig lernen. Die unumgängliche, strenge Abschlussprüfung würde dann ja zeigen, ob ich mein Ziel, den Berufsausweis ausgestellt zu bekommen, erreichen würde. Ich verstand und willigte ein.

      Von nun an bewarb ich mich zu jeder sich bietenden Gelegenheit mein Examen zu machen, aber nee, die ließen mich doch allen Ernstes erst nach weiteren zwei Jahren, also nach der offiziellen Regelstudienzeit meinen Abschluss machen, so weit ging die Liebe dann wohl doch nicht.

      Da ja mein Wechsel zu N.O.55 in die vier Jahre meines Studiums fiel, konnte ich zu meiner praktischen Prüfung mit Pitti, Joro und Peter Krause antreten, was an sich schon Eindruck auf die Kommission, von denen ja die meisten Musiker waren, machte. Als wir dann auch noch mit hohen Schwierigkeitsgraden und unvorhersehbaren Zauberkunststückchen aufwarteten, waren die Examinatoren ungeniert offen von den Socken. Ich glaube auch, die Tatsache, dass die gesamte Band ihren Sänger bei der Abschlussprüfung wie ein Mann unterstützte, brachte - zumindest moralisch - Pluspunkte.

      Was danach noch kam war ein Kinderspiel: Prüfung in Musikgeschichte, pol.Ök, und ich glaube Psychologie – alles andere hatte ich ja schon im Sack – und fertig war der Lack! Mit dicken Zigarren und endlosen Strömen allerfeinsten Alkohols wurde dann mein Berufsausweis ausschweifigst gefeiert.

      Ich erinnere mich noch, als wär’s gestern, dass ich den Typen, der mich am nächsten Morgen aus dem Spiegel anstarrte zwar nicht kannte, aber die Zähne hab’ ich ihm dann - man ist ja kein Unmensch - doch geputzt!

      Aber nun erst mal wieder zurück zu MONOKEL.

      BASTIS AUSSTIEG / INTERHOTEL MAGDEBURG

      Als Basti Baur 1979 bekannt gab, dass er zu neuen Ufern aufbrechen will, dass er versuchen möchte etwas professioneller zu arbeiten, war das für mich als würde ein Bruder in einen fremden Krieg ziehen, zumal Basti in eine recht seichte Schlagerkapelle namens METROPOL einstieg. Das tat weh! Einer unserer letzten Gigs fand im Studentenclub in Magdeburg statt und ich werde nie vergessen, wie Basti nach der Veranstaltung nach draußen ging und fürchterlich zu heulen anfing. Ich bin dann hinterher gestiefelt um ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten. So war das eben bei uns „Raubeinen“!

      Sehr viel später hat mir Basti dann mal gesteckt, dass er im Prinzip aus genau den gleichen Gründen diese Band verlassen hat wie ich Jahre später dann eben auch – das Schiff steckte fest, es ging nix mehr vorwärts. Heute weiß ich, dass Basti lange vor mir gewisse Zeichen erkannt hat.

      Ich habe es immer sehr genossen, wenn die Umstände es erlaubten, dass wir mehrere Nächte hintereinander in ein und demselben Hotel verbleiben konnten. Selten genug kam das ja in unserem Vagabundenleben vor. Ab und an ergab es sich aber, wie eines Tages im Interhotel Magdeburg. Wir sollten zwei Tage direkt in der Stadt in den beiden vorhandenen Studentenclubs spielen und ein Gig fand irgendwo in der Nähe von Magdeburg statt, so dass wir eben drei Nächte in diesem Hotel bleiben konnten. Da wir wie immer die Zimmer auf den letzten Drücker buchten, gab es leider keine „normalen“ Zimmer, sondern wir mussten zwei Nächte mit zwei teureren aber sehr viel komfortableren Suiten vorlieb nehmen. Wir fanden, dass wir uns das durchaus auch mal gönnen durften, zumal damals in einer Stadt wie Magdeburg andere Hotels zu finden ein schier unmögliches Unterfangen darstellte. Hinzu kam, dass wir nun aber wirklich zur Genüge in räudigen, drittklassigen Absteigen und wenig komfortablen Studentenwohnheimen hausen mussten, was das ach so romantisch wirkende „Bluesfeeling“ zwar ins unermessliche steigern half, aber auf Dauer auch etwas ermüdend war.

      Hier darf ich mal eben erwähnen, dass ich mir im Christlichen Hospiz (!) in Halle - mal abgesehen davon, dass man in diesem Hause zu nun wirklich unchristlicher Morgenstunde mittels einer Glocke zum Gebet geweckt wurde – dass ich mir also in dieser christlichen Schlafstätte tatsächlich Sackratten zugelegt hatte. Wie um alles in der Welt sollte ich dies irgendjemandem zu Hause erklären? Ohne Fremdkörperkontakt! Das glaubt dir doch keine Sau!

      Ralf Mätzold, der zu dieser Zeit für uns so’n bisschen die Geschäfte gemanagt hat, besorgte mir dann aus der Apotheke so eine höllisch brennende Salbe, mit der ich mir zwei, drei mal den Sack einschmieren musste und nach einigen heißen Bädern war das leidige Thema beendet – uff!

      Na jedenfalls freuten wir uns schon auf den unerwarteten Luxus im Interhotel Magdeburg. Bei der unumgänglichen Anmeldung an der Rezeption kam dann wieder mal das lächerlich neurotische Kontrollbedürfnis der DDR dergestalt zum tragen, dass mit peinlichster Genauigkeit Anmeldezettel, die genau mit den Angaben im Ausweis verglichen wurden, ausgefüllt werden mussten. An diesem Tag aber hat Linke, der alte Schussel, seine Ausweispapiere zu Hause liegen lassen. Was also tun? Wir hatten keinen Bock auf stundenlange Diskussionen mit den Mädels am Tresen, also inszenierten wir zur Ablenkung ein wohl organisiertes Durcheinander so nach der Art: „warte mal, gib mal noch mal den Zettel her – ach nee, mein Ausweis – äh die Nummer iss nich richtig, ach so HIER soll die Adresse also hin – kann ich noch mal vergleichen – wo sind wir denn hier eigentlich – sagen se mal, haben sie auch Zimmerservice...?“ Na jedenfalls gelang es uns die Tante an der Rezeption derart kirre zu machen, dass Micha ohne Ausweis aber mit einem pikobello Anmeldezettel mit Fantasieausweisnummer einbuchen konnte. Nach dieser schweißtreibenden


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