Genesis IV. Alfred Broi
angeschweißten Stahlstäben in Form von Blitzen entlud. Sobald er durch den Körper der Untiere floss, brauchte er sie zum Erzittern. Schmerzhafte Schreie waren zu hören. Hier und da platzte der Panzer auf und dunkles, dickflüssiges Blut spritzte heraus. Einige Monster verloren dadurch den Halt auf dem Zug und fielen zu Boden, die meisten aber konnten sich weiterhin an ihm festkrallen, wenngleich sie für einige Momente unfähig waren, sich kontrolliert zu bewegen.
Kaum war der Stromstoß verebbt, betätigte der Fremde im Führerhaus seinerseits einen Hebel und die Maschinen brüllten auf. Mit einer durchaus beachtlichen Beschleunigung fuhr der Zug an.
„Festhalten!“ rief die Frau und es gelang allen, sich mehr oder weniger schnell irgendwo festkrallen, sodass sie nicht durch den Innenraum polterten.
Schon am Ende der Halle hatte der Zug eine Geschwindigkeit von über vierzig Meilen in der Stunde erreicht und er beschleunigte immer weiter, als er in einen dunklen Tunnel einfuhr, der eine sanfte Rechtskurve beschrieb.
Nach ein paar Sekunden waren auf dem Dach erneut quiekende Geräusche zu vernehmen, als sich die Monster dort wieder gesammelt hatten. Kendigs Blick fiel zufällig auf eine der wenigen, mit dichtem Draht vergitterten Öffnungen im Heck des Zuges. Undeutlich konnte er noch die Halle im Hintergrund erkennen, viel besser jedoch sah er etliche Monster, die in den Tunnel sprangen und hinter ihnen herjagten.
Schon waren erste wuchtige Tritte auf dem Dach zu hören, dazu bösartiges Brüllen.
Kendig schaute die fremde Frau an, doch die schien vollkommen ruhig zu sein. Zufällig erkannte er, dass sie neben einer weiteren senkrechten Haltestrebe stand, an der ebenfalls ein kleiner, metallischer Kasten mit einem Hebel angebracht war. Im nächsten Moment drückte sie den Hebel nach unten und ein hydraulisches Knacken ertönte. Bei einem Blick aus einer Seitenöffnung konnte Kendig erkennen, dass die Stahlstäbe außerhalb des Zuges nach hinten umknickten und sich eng an die Außenhülle lehnten.
Das sorgte auf dem Dach für einige Unruhe unter den Monstern, doch war sich Kendig schnell sicher, dass es den Biestern doch wohl eher mehr Spielraum verschaffte, als sie ausschaltete. Er verstand deshalb diese Aktion der Frau nicht und wollte das gerade aussprechen, als sie ein kleines rechteckiges Gerät aus ihrer Jackentasche holte und ihm mit einem Grinsen zeigte. Kendig erkannte einen kleinen roten Knopf auf der einen Seite, der sicherlich irgendetwas auslöste.
Mit wenigen Schritten war sie am Eingang in das Führerhaus, in dem der Fremde den Zug lenkte. Dort gab es auch zwei kleine Bildschirme. Wie Kendig erkennen konnte, wurde das eine Bild von einer Frontkamera aufgezeichnet, die zeigte, wo sie hinfuhren, und das andere von einer Heckkamera, um zu sehen, wo sie herkamen. Kendigs erster Blick galt der Heckkamera, wo er deutlich mindestens zwei Dutzend Monster sehen konnte, die im Höchsttempo hinter ihnen herjagten, den Abstand aber nur langsam verringern konnten.
Dann hielt ihm die Frau wieder den kleinen Kasten vor die Nase und deutete mit dem Kopf auf die Frontkamera. Kendig folgte ihrem Blick und während die Bestien auf dem Dach immer wütender ihre Klauen einsetzen, drückte sie den kleinen, roten Knopf. Dabei huschte ihr ein breites Grinsen über die Lippen.
Kendig konnte im ersten Moment nicht sagen, warum, denn er konnte auf dem Bildschirm nicht wirklich etwas erkennen, doch dann hob sich etwas von dem Dunkel des Tunnels ab und blitzte im Scheinwerferlicht des Zuges auf. Und kaum, dass er es sah, wusste er, dass die Menschen hier wirklich hervorragend gelernt hatten, sich gegen die Bestien zur Wehr zu setzen.
Denn was er erkennen konnte, waren etliche weitere, armdicke Stahlstäbe, die mit der Spitze entgegen der Fahrtrichtung an die Decke des Tunnels geschweißt worden waren und jetzt durch den kleinen Knopf den Befehl erhielten, in einem ziemlich exakten dreißig Grad Winkel nach unten zu klappen. Dabei war ihre Länge gerade so bemessen, dass sie dem Zug selbst nicht anhaben konnten – wohl aber den Bestien, die sich auf seinem Dach befanden. Unfähig, es bei dieser hohen Geschwindigkeit noch zu verhindern, fanden etwa ein Dutzend Monster einen schmerzvollen Tod, als sie förmlich von den Stahlstäben aufgepfählt wurden. Mit unbändiger Wucht krachte der Stahl durch ihre Panzer, durchbohrte lebenswichtige Organe und riss tiefe und tödliche Wunden.
Außerdem wurden sie vom Dach des Zuges gehebelt, sodass dieser unter ihnen davonrauschen konnte. Anfangs blieben die Bestien noch auf den Stahlstäben hängen, dann aber rutschten sie mit einem ekelhaften Geräusch zu Boden, wo sie tödlich verwundet aufklatschten und von den ersten, nachfolgenden Monstern schonungslos überrannt wurden, bevor die anderen erkannten, dass es hier frisches Fleisch für sie gab, denn die furchtbaren Insektenbestien schreckten natürlich auch vor Kannibalismus nicht zurück.
Ein halbes Dutzend aber blieb dem Zug nach wie vor auf den Fersen.
„Tolle Show!“ meinte Kendig, während er sah, dass die Frau den roten Knopf noch einmal drückte, um die Stahlstäbe an der Tunneldecke wieder zu deaktivieren und sowohl in ihrem Gesicht, als auch dem des Mannes deutliche Entspannung erkennen konnte.
„Das ist unser tägliches Brot!“ erwiderte der Mann ungerührt. „Die Bahnlinien sind die einzigen Möglichkeiten, noch relativ ungesehen in die Stadt zu kommen!“
Kendig war beeindruckt. „Ihr seid gut gerüstet!“
Die Frau lachte kurz auf. „Wir hatten verdammtes Glück, dass wir den Zug ohne Verluste erreicht haben. Hier drinnen sind wir ziemlich sicher!“
Kendig nickte ihr mit einem Lächeln zu. „Ich bin Kendig. Jagdflieger und Offizier der poremischen Streitkräfte. Zumindest war ich das mal!“ Er nickte den beiden Fremden zu.
„Schön für sie!“ brummte der Fremde.
„Ach, komm hör auf!“ rief die Frau jedoch sofort und lachte auf. „Sei nicht so widerlich!“ Sie wandte sich mit einem breiten Grinsen an Kendig. „Lassen sie sich von Rupas nicht ärgern!“
„Kein Problem!“ erwiderte Kendig. „Er soll ruhig Dampf ablassen!“
„Ich lasse keinen Dampf ab!“ brummte Rupas, ohne Kendig anzusehen. „Ich bin stinksauer. Und du Malissa solltest nicht immer gleich mit Jedem Freundschaft schließen, der uns über den Weg läuft!“ Jetzt blickte er sich doch um. „Man weiß nämlich nie, wem man noch trauen kann!“
Kendig konnte nicht anders, er musste dünn lächeln, dabei zog er belustigt die Augenbrauen zusammen.
Das erkannte Malissa. „Er ist eigentlich ein ganz lieber Kerl. Der Krieg hat ihn zu einem echten Ekel gemacht!“ Sie lachte kurz auf, dann schaute sie in die Runde. „Wer sind die anderen?“
„Oh!“ Kendig lachte ebenfalls. „Das ist meine Frau Malawi! Hier haben wir Esha, ihren Mann Shamos und Pater Matu!“ stellte er die anderen nacheinander vor.
Malissa nickte jedem mit einem Lächeln zu, bei Matu aber stutzte sie und schaute auf sein Impulsgewehr, mit dem er so gar nicht gläubig aussah. „Ein Priester....mit einer Waffe?“
„Trotz meines unerschütterlichen Glaubens stehe ich diesen gottlosen Kreaturen nicht gern nackt gegenüber!“ erwiderte der Pater mit fester Stimme.
„Na prima!” raunte Rupas. “Aber was zum Teufel haben sie da eigentlich zu suchen gehabt? Die Bibliothek hat ihre Pforten längst geschlossen!“
„Gern!“ erwiderte Kendig freundlich. „Aber vielleicht sollten wir uns erst noch um das Wesentliche kümmern!?“
Rupas sah ihn mit finsterer Miene an. „Als da wäre?“
Kendig nickte zu dem Bildschirm der Heckkamera. „Wir werden noch immer verfolgt. Und so wie es aussieht, haben sie schon mächtig aufgeholt!“
„Ach das!“ Rupas lächelte. „Ja, diese verdammten Biester sind wirklich hartnäckig. Aber keine Sorge, das gibt sich gleich. Ich muss die Geschwindigkeit nur etwas verringern, damit wir unbeschadet in den Fluss kommen!“
„In den...?“ Malawis Blick zeigte Verwirrung. „...Fluss?“
„Klar!“ erwiderte Malissa mit einem Lächeln. „Diese Mistviecher hassen Wasser!“ Plötzlich verschwand ihr Lächeln. „Aber das