Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick


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dagestanden hatte, vor seiner Haustür geparkt, die Motorhaube warm. Er hatte, wohl während ich im Wohnzimmer wartete, Isabell im Nachbardorf geholt und zum Bus gefahren. Die Lehrerin war meiner Meinung. „Eigentlich sollten wir Anzeige stellen, wegen seines Fußtrittes! Auf jeden Fall lassen wir den nicht mehr mit den Kindern alleine!“

      Unsere Kinder hatten zeitweise einen Aushilfslehrer, den sie gerne mochten, weil er nicht viel verlangte. Oft legte er eine Videokassette ein und überließ die Kinder sich selber. So auch, als es mal an der Klassentür klopfte und er eine Weile zum Plaudern hinausging. Die Kinder schauten sich inzwischen einen von ihm aufgenommenen Disney-Film an. Sie erzählten uns, dass, als der nach einer Weile vorbei war, ein anderer Film lief mit nackigen Frauen und Männern, die umeinander hüpften. Sie kapierten gar nicht, was die machten! Nach einer Weile hatte der Lehrer sich ausgequasselt und kam wieder ins Klassenzimmer. Als er den Film sah, eilte er zum Fernseher und schaltete schnell aus. „Sagt ja nichts von dem, was ihr gesehen habt, euren Eltern!“, schärfte er den Kindern ein, „sonst dürfen wir keine Filme mehr anschauen!“ Natürlich sagten die Kinder der Lehrerin es ihrer Mutter und unsere erzählten es uns. Und er kriegte von ihr gehörig eins auf den Deckel!

      Wir saßen also mit der Lehrerin und den Kindern zusammen und warteten auf die Hippies von Rouech. Doch die waren bis Mittag nicht da. Der Inspektor der Akademie kam und zählte die Kinder. Er setzte sich zu uns und wir sprachen über die Probleme der kleinen Schulen auf dem Land. Wir fanden es günstig für die Kinder, eine Schule in der Nähe zu haben. Weniger Schulweg. Eine kleine Schülerzahl, die dem Lehrer erlaubt, auf die Kinder einzugehen. Er hielt dagegen die höheren Kosten pro Kind umgerechnet auf den Lehrer, die geringeren Chancen eines Kindes in einer einklassigen Schule. Doch ich kannte Leute aus den Dörfern, die es bis zum Hochschulprofessor gebracht hatten, oder zum Wissenschaftler! Für uns war das keine Diskriminierung, wenn unsere Kinder in eine Dorfschule gingen!

      Nach einer Weile stand der Inspektor auf. „In einer Woche schaue ich wieder vorbei. Ist Alice dann zurück, bleibt die Schule offen. Wenn nicht, wird sie geschlossen und die Kinder müssen nach Orgibet, wo die Schule gerade wieder aufgemacht hat. Dort sind jetzt sechs Kinder! Wenn man sich vorstellt, dass letztes Jahr dort kein einziges war!“ Wir atmeten auf! Sicher würde Alice bis dahin zurücksein! Doch niemand hatte eine Adresse, wo wir die Eltern erreichen konnten. Trotzdem sprachen wir mit den Eltern der Kinder in Orgibet, die wir ja alle kannten, ob nicht welche bereit wären, ihr Kind nach St. Lary zu schicken. Molly, die ein Haus in Ebocal gefunden hatte, hatte ihre in Deutschland lebenden Kinder hergeholt, welche das Gros der Schüler ausmachten. Sie war bis vor kurzem mit einem amerikanischen Piloten verheiratet gewesen, der bei einem Übungsflug abgestürzt war. Daher bekam sie eine Rente, die es ihr ermöglichte, hier gut zu leben, unterstützt noch vom französischen Kindergeld, was bei fünf Kindern ein Batzen Geld ausmachte. Doch da alle befragten Familien in der Gemeinde wohnten, wollte niemand sein Kind in eine andere Schule schicken.

      *

      Am besagten Tag kam der Inspektor wieder. Vier Kinder. Die Schule schloss. Ab Montag mussten unsere Kinder also nach Orgibet. Die Lehrerin bekam einen Posten in Castillon. Drei Tage später kamen Alice und die Eltern zu uns. „Warum habt ihr die Schule nicht offen gehalten?“, gifteten sie. „Wir waren alle da!“, gaben wir zurück, „das ist, weil ihr nicht da wart, dass sie geschlossen hat!“ „Ich glaube, wir sollten doch bald auswandern!“, fing François wieder an, „auf den Inseln sind sie froh über jeden Einwanderer, anders als hier auf dem Kontinent!“ Und sie schwärmten von dem ewigen Sommer auf der Reunion, den Wellen des Pazifik, die Tahiti umspülen, von Noumea, von Guyana…

      Für dieses Schuljahr besuchte Alice die Schule in Orgibet. Dann verkauften sie das Haus und waren plötzlich nicht mehr da. Wohin waren sie gezogen?

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