Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick


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nicht mal von hier. Das ist ein Zeug, um an die Städter zu verkaufen, die keine Ahnung haben!“

      So ging es da zu. Rauch schwärzte nicht nur die Decke, sondern hüllte bei geschlossenen Türen den Keller in einen bläulichen Nebel. Draußen, neben der Tür hatte Georges ein Barbecue errichtet, worin er mit Abfällen gegen Mittag ein Feuer entzündete. Dann ein paar Schaufeln Holzkohle drauf und er grillte das Fleisch, was die Zecher gekauft hatten, vielleicht für zu Hause. Stolz stellte er eines Tages eine Flasche Franziskaner Weißbier vor mir auf den eichenen Tresen. Das nächste Mal brachte ich ihm das dazugehörige Glas mit, von denen ich eine Sammlung zu Hause hatte. Darin schmeckte das Weizen noch besser! Er erzählte mir, dass er das Bier in Spanien gefunden hatte. Und ich dachte, es käme aus München! Ich schaute mir daraufhin die Flasche genauer an. Darauf stand, dass es in Athen hergestellt war! Man sah, Europa war dabei, sich zu gestalten! Das Dumme mit den Weizengläsern ist, dass sie sich schlecht reinigen lassen. Als das Bier bald darauf beim Einschenken nicht mehr schäumte schaute ich mal genauer hin. Unten drin war ein Rand Schmodder von eingetrockneten Bier und Hefe, der sich durch normales Nachfüllen von frischem Bier nicht mehr entfernen ließ. Da wäre Waschen das Einfachste! Hefebier ohne Schaum? Nein Danke! Als seine Kiste dann leer war, meinte ich, dass Kronenburg auch trinkbar sei, und nur wegen meiner Nostalgie bräuchte er das Bier nicht mehr hertun! Denn außer mir trank es niemand. Schade um das gute Bier!

      *

      Auf dem Markt hatte mich der Knecht eines Viehhändlers aus Galey angesprochen. Anfangs verstand ich gar nichts, da er nuschelte und nur ‚Patois‘, den Dialekt sprach. Nach einer Weile des Nichtverstehens griff er zu einem von meinen Honiggläsern, zeigte darauf und machte das Summgeräusch der Bienen nach. Nachdem er eine Weile gestikuliert hatte, wurde mir klar, dass er mir erklären wollte, dass irgendwo in einem umgefallenen Baum ein Bienenschwarm versteckt war und die Leute gestochen hatte. Als er dann auf mich zeigte, kapierte ich, dass ich diesen beseitigen sollte. Zum Glück kamen dann noch andere Bauern an den Stand, die mir übersetzten, wo dieser zu holen war. Nach dem Markt fuhr ich mit dem Knecht zu besagter Stelle und schaute mir die Sache an, um die richtige Strategie zu entwickeln. Der Schwarm, wohl schon eine Kolonie aus dem Vorjahr, hatte sich in einem Wildkirschen-Baum eingenistet. Dieser Baum war umgefallen und lag oberhalb der Straßenböschung. Zusammen mit Doris hatten wir ihn bald herausgeschnitten und in einen Kasten gesetzt. Am Tag darauf waren alle umherirrenden Bienen drinnen, und wir holten ihn am folgenden Morgen, ziemlich früh, wo alle Bienen noch leicht erstarrt waren, zu uns.

      Bei der nächsten Käsetour hielt ich in der Kneipe von Galey an und traf dort auf den Wiesenbesitzer. Wie es in Deutschland Brauch ist, gab ich ihm ein Kilo Honig für den Schwarm. Er war etwas verwundert darüber, nahm ihn aber gerne. Er hatte wohl befürchtet, dass ich ihn für das Entfernen bezahlen lassen wollte. Dann schien er eine Idee zu haben. „Du hast mir den Honig gegeben. Dann sind das jetzt deine Bienen?“, meinte er. „Kann man wohl sagen“, antwortete ich, nicht schlüssig, worauf er hinauswollte. „Also gibst du zu, dass es deine Bienen sind?“ Wollte er mehr Honig herausschlagen, oder warum diese blöde Frage? Ich bejahte wieder. „Letztes Jahr haben sie ein Fohlen von mir in der Wiese angegriffen, was an den Stichen eingegangen ist. Das musst du mir bezahlen!“ Ich glaubte, schlecht gehört zu haben. „Ich kapiere nicht ganz, was du meinst!“, sagte ich etwas diplomatisch, denn gegenüber den angesäuselten Anwesenden musste ich vorsichtig sein. „Na ja, du hast doch eine Versicherung!“, führte er aus. „Die kann doch zumindest den Schaden, den deine Bienen gemacht haben, ersetzen!“ „Weißt du was?“, fragte ich ihn, „das nächste Mal holst du deine Bienen selber heraus! Pass nur gut auf, sonst geht es dir so wie deinem Fohlen!“ Ich lieferte dem Wirt die Bestellung ab und verließ die Kneipe, bevor denen noch was Neues einfiel.

      ZUWANDERER

      Wenn wir das Tal hochfuhren, sahen wir hier und da an den Hängen kleine weiße Pyramiden aufragen. Auch in Ebocal fand ich zwei, als ich die nächste Käsetour machte. Es waren Tipis, Indianerzelte der neuen Einwanderer-Generation! Dort oben hatte sich eine Gruppe Deutscher niedergelassen, die Leder verarbeitete. Zu Klamotten, Taschen, selbst die Zelte hatten sie selber genäht und fertigten sie auf Bestellung. Bei den „Luxusmodellen“ befand sich unten drunter eine Holzplattform, oft auch des abfallenden Geländes wegen, mit einer Feuerstelle in der Mitte. Eine neue Lebensweise, mit dem Feuer als Zentrum! In der Stadt sah man neuerdings viele Lieferwagen mit langen Stangen auf dem Dach, die manchmal das Fahrzeug überragten. Eine Parzelle Land war einfacher und billiger zu finden, als eine Scheune! Auch waren inzwischen die meisten Scheunen und Ruinen verkauft. Manche hatten im Sommer ihre Scheune gekauft, und nicht daran gedacht, dass die Sonne im Winter eine andere Bahn geht. Nach den ersten sechs Monaten in Schnee und Eis versuchten sie, diese wieder zu verkaufen und gaben den Traum vom einfachen Leben auf, denn sie hatten ihr ganzes Geld für den Kauf ausgegeben. Mit einem Tipi hätten sie schon früher weiterziehen können!

      In Ebocal, einem Seitental neben uns, fand eine Fete statt, auf der wir die Hebamme wiedertrafen, die auch unserer Lucia auf die Welt geholfen hatte, denn in den Tipis sollte bald Nachwuchs zur Welt kommen! Alles wurde vorbereitet, und wer Babysachen zu vergeben hatte, brachte sie hin. Hier oben wohnten inzwischen fünf Familien oder Paare, auch standen drei Zirkuswagen vorrübergehend da oben, die zeitweise bewohnt waren. Man kann sagen, dass zumindest hier oben die gleiche Einwohnerzahl wie vor 100 Jahren erreicht war!

      Ein anderes Tipi stand im Garten des alten Pfarrhauses von Illartein. Das war von einer Kommune gemietet, die sich zeitweise um zwei behinderte Jugendliche kümmerte. Im Sommer veranstalteten sie Kinderfreizeiten. Dazu diente dann das Zelt. Waren keine Kinder da, so wohnten die Leute oder deren Besucher darin. Gar manche Friedenspfeife wurde da geraucht, auch ohne dass vorher Krieg gewesen war! Als ich erfuhr, dass ein Hof in der Nähe zu verkaufen war, teilte ich es ihnen mit und sie kauften das Anwesen und weitere Häuser in dessen Nachbarschaft. Bald kamen die ersten eigenen Kinder. Das gab ihnen den Anlass, in verschiedenen Familie zu leben. Die einen bauten einen Reiterhof auf und hielten Bienen und Ziegen, andere arbeiteten für die Almgenossenschaft und die Gemeinde und taten gerne auch mal gar nichts. Das konnte noch nicht mal ich ihnen verübeln!

      *

      Bei uns im Tal hatte der Canadien beschlossen, seine Ruine, die er verkaufen wollte, herzurichten, um einen besseren Preis dafür zu bekommen. Nur, wie sollte er da hochkommen und das Material transportieren, war doch die Piste, die hochführte, zu steil für ein Auto! Seine Lösung war ein Rasenmähertraktor, von dem er das Mähwerk abgebaut hatte und stattdessen einen kleinen Anhänger hinten anhängte. Nachdem er ihn zweimal umgeworfen hatte, gab er sein Unternehmen schließlich auf. Denn in seinem Alter hatte er Schwierigkeiten, selber wieder auf die Beine zu kommen, geschweige denn, den Traktor wieder aufzustellen! Somit verarbeitete er den schon gekauften Zement mit seinen Formen zu Bänken, Blumenkästen und Tierstatuen.

      Da das Dach seines Hauses inzwischen ganz eingefallen war und beim Zusammenbruch die Mauern auseinandergedrückt hatte, war das Ganze nicht mehr viel wert. Als Joey und Monika im nächsten Jahr kamen und kaufen wollten, riet ich ihnen, nur ein Drittel des anfangs genannten Preises zu zahlen. Und der Canadien war froh, dass sie es nahmen! Sie verbrachten die Ferien da oben mit ihrem Buben in einem Zelt. In der Zeit richtete Joey ein Zimmer her, installierte einen Ofen, Badeofen und Bad. Als Frau und Kinder zurückfuhren, Arbeit und Schule warteten auf sie, blieb er alleine hier, um den Wiederaufbau vorzubereiten.

      Wir sahen uns manchmal. Er machte Autostopp, um in der Stadt das Notwendigste zu kaufen. Ich nahm ihn mit und brachte ihn bis unten an seinen Weg. Bisweilen besuchte ich ihn auch. War es die Einsamkeit? Ich glaube eher, es waren seine alten, vergessen geglaubten Dämonen, die ihn hier aufgespürt hatten. Im und um das Haus herum sammelten sich leere Flaschen, die Baustelle stand still. Nach einem Jahr fuhr er wieder nach Deutschland und wir vergaßen ihn fast.

      Eines Tages stand er vor unserer Tür. Er brauchte meine Hilfe. Er brauchte vor allem 2000 Francs, um wieder nach Deutschland zu kommen und ein anderes Auto zu besorgen! Vor Lyon war er am Steuer eingeschlafen und hatte einen Totalschaden gebaut. Er war erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Als er festgestellt hatte, dass ihm nichts fehlte, war er da heimlich abgehauen und weitergetrampt. In seinem Auto, unten im Sitzpolster, hatte er angeblich 6000 Francs


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