Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
Aber es ist ein großes Gerät für 8 Kannen je 30 Liter plus 2 von 20 Litern. Es läuft mit 220 Volt, das ist praktisch! Es erscheint mir riesig, vor allem, als wir es auf den Dachgepäcksträger heben, weil es im Auto keinen Platz findet. 280 Liter Speicherkapazität, so viel Milch werden wir nie haben, denke ich! Zudem gibt mir der Bauer noch seine ganzen Milchkannen mit und die Versicherung, dass das Gerät funktioniert. Zufrieden mache ich mich auf den Rückweg, langsam, um nicht auf dem Dach zu landen!
Wir stellen das Becken gleich auf, in dem Raum, wo der Melkstand für die Schafe gebaut werden soll. Mit der Wasserwaage wird es gut ausgerichtet und anschließend gefüllt. Das Kühlaggregat werfen wir nicht gleich an, damit das Freon, das Kühlmittel, sich absetzen kann! Ab dem nächsten Tag ist es einsatzbereit. Wir fabrizieren jetzt alle 3 bis 4 Tage, wie es uns am besten passt, neben den anderen Arbeiten. Wir bemerken, dass sich der Rahm oben auf der Milch in einer dicken Schicht absetzt. Doch vermischt er sich wieder gut beim Ausleeren der Kannen. Auch erlaubt es uns, ab und zu etwas Rahm mit einer Untertasse abzuschöpfen, wenn Doris eine ‚Schwarzwälder-Kirsch‘ Torte zubereiten will, oder etwas Butter oder Schlagsahne, wenn meine Eltern da sind. Am Kühlaggregat selber formt sich ein dicker Eisblock. Das bedingt, dass die Außenbereiche des Beckens weniger kalt sind als das Zentrum. Das behebe ich, nachdem ich in einem Aquarium-Geschäft zwei kleine Pumpen mit je 3 Watt Leistung gekauft habe, die ich unten auf den Wannenboden lege. Dadurch zirkuliert nun das Wasser langsam im Becken und die Temperatur ist einheitlich.
Dennoch gibt es bei der Käseherstellung kleine Probleme. Die Käse haben Tendenz, in der Mitte einen Kern zu haben, der trocken ist und nicht so reift wie der Rest. Das ist eher ein Zeichen von zu langsamer oder zu später Säuerung. Säuern die Käse zu schnell, gibt das eher Weichlinge! Wir geben Molke von der vorherigen Herstellung dazu, um die Milch anzusäuern, zu aktivieren. Doch wie ist die Molke nach drei Tagen? Wir können ja nicht die Säure messen! Und wissen nicht, ob sich nicht auch unerwünschte Bakterien darin vermehrt haben oder Viren, Bakteriophagen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können. Eric, der Techniker weiß, wie immer, Abhilfe: Entweder ihr nehmt Fermente, oder ihr gebt pro 50 Liter Milch einen Becher Joghurt in den Kessel. Da wir ja möglichst ursprünglich käsen wollen, machen wir den Versuch mit dem Joghurt. Und es klappt! Die Käse entwickeln sich wie sie sollen. Langsam bekommen wir die Sache in den Griff!
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Als ich morgens die Kinder zur Schule fahre, fällt mir auf, dass an der Gasse, die zur früheren Schmiede führt, eine Gruppe von Leuten rumsteht. Die Schmiede ist schon seit langem abgebrannt, nur ein windschiefer Holzrahmen, in dem früher die Kühe zum Beschlagen angehoben wurden, zeugt noch von dem Treiben an diesem Platz. Ich halte an und geselle mich zu ihnen. Der Mittelpunkt ihres Interesses sind zwei große, rostige Gebilde, in denen sich ein Kupferkessel befindet, innen glänzend blank, außen rußgeschwärzt. Zwei kleinere Kessel befinden sich daneben, durch Rohrleitungen und Schläuche mit den großen verbunden. An dem in eine Ruine gekippten, säuerlich wie Kotze riechenden und aussehenden Trester erkenne ich, was hier vorgeht: Es wird Pflaumenschnaps gebrannt! Philemon, so an die achtzig, ein Gendarm in Ruhestand, hatte sich, weil ihm die Rente zu langweilig war, vor Jahren diese Anlage von dem früheren Schnapsbrenner gekauft.
An den kalten Spätwintermorgen ist hier der ideale Platz, um sich anfangs die Hände zu wärmen, später dann, wenn mal ein feiner Strahl aus dem Überlauf des Destilliergefäßes rinnt, auch das Innere… Philemon selber trinkt nichts von dem Sud. Er scheint die Gefahren die mit dem Brennen verbunden sind, bestens zu kennen. Würde er, wie sein Vorgänger, zu viel Freude am Produkt seiner Arbeit finden, würde er es nicht lange machen. Und so kann auch niemand ihn beschuldigen, den Schnaps anderer zu trinken. Denn jeder, der noch einen ‚Namen‘ hat, wie das Brennrecht hier heißt, kann auf Anmeldung seine Maische, die Pflaumen, die er im Spätsommer gesammelt hat, hierherbringen. Klar, dass da mancher Zucker hinzugibt, damit die Ausbeute etwas besser wird. Philemon sieht das gar nicht gerne, weil ihm dadurch manchmal der Kesselboden anbrennt, wenn der unvergorene Zucker durch die Hitze karamellisiert.
Auch wir hatten im letzten Sommer Pflaumen gesammelt. Nicht immer nur bei uns, mehr bei den Nachbarn, die aber fast nie da waren. Wir hatten die guten und die schlechten in ein Plastikfass geworfen, auf welches wir den Deckel nur gelegt hatten, damit der beim Vergären entstehende Druck rausgehen kann. „Anfang nächster Woche kannst du deine Maische bringen!“, teilt mir Philemon mit. „Ich habe aber keinen ‚Namen‘“, gebe ich zu bedenken. „Das ist nicht schlimm, ich gehe im Altersheim vorbei, und frage diejenigen, die nicht mehr brennen, ob sie mir ihren Namen leihen. Das machen viele so, denn mit den Alten verschwindet auch das Recht zu brennen. Du kannst zwar brennen lassen, hast aber ziemlich hohe Gebühren, hauptsächlich Zoll, darauf. Bringe außer der Maische gut trockenes Holz mit, etwas Stroh und genügend Flaschen!“
Wir stehen um die dampfenden Kessel herum. Die Sonne kommt in dieses Eck vom Dorf nur am Nachmittag, und das auch nur für ein bis zwei Stunden. Wir strecken die Hände zu den dampfenden Kesseln, sie anzufassen geht nicht, sie sind kochend heiß. Hier und da zischt etwas Dampf aus undichten Stellen. Philemon stochert in der Glut, hat die Ofentür ganz offen, damit der Zug die Temperatur in die Höhe treibt. Da huscht ein Leuchten über die Gesichter der Anwesenden, die über Tiere, das Wetter und die letzten Geschehnisse im Dorf reden. Erst nur ein paar Tropfen, dann ergießt sich ein dünner Strahl aus dem ziemlich tief liegenden Rohr, in dem ein Dichtemesser, ähnlich dem Schwimmer einer Angelrute schwimmt, über einen dünnen Schnabel in einen mit Messkerben versehenen Blecheimer.
Philemon schiebt noch ein paar dicke Scheiter in den Brennraum, dann macht er die Tür zu, denn die Betriebs-Temperatur ist erreicht. „Alkohol verdampft bei niedrigeren Temperaturen als Wasser. Beim Brennen sollten 90 Grad nicht überschritten werden!“, erklärt er mir. Der Dichtemesser zeigt auf einer Seite an einer Skala auch den Alkoholgehalt an. „Das ist der Vorlauf! Der darf nicht getrunken werden, der geht später in den nächsten Brand und wird nochmals destilliert. Ebenfalls am Ende, wenn der Schnaps zu schwach läuft, sollte man ihn nicht mehr trinken. Er schmeckt bitter und versaut nur den guten Geschmack!“, erklärt er weiterhin, die anderen werden das sicherlich alle wissen. „Philemon macht den besten Schnaps im ganzen Tal!“, klärt mich Ernest auf, „die Leute kommen von weit her, um hier brennen zu lassen! Es geht um die Qualität, nicht die Menge!“
Nach einer Weile und einem prüfenden Blick auf den Dichtemesser und nachdem er an der Flüssigkeit gerochen hat, leert Philemon den Eimer in ein anderes Gefäß und hält ein Schnapsglas unter den Schnabel, was er im oben offenen Abkühl-Gefäß, in dem der Alkoholdampf in einer Kupferspirale abgekühlt und somit verflüssigt wird, ausgespült hat. Langsam läuft es mit einer glasklaren Flüssigkeit voll. Dann reicht er es mir. Die Unterhaltung ist verstummt, alles schaut auf mich. Durch das Glas spüre ich, dass die Flüssigkeit noch ziemlich warm ist. Ich rieche zuerst dran. Hmm! Ein würziger Duft von Pflaumen und eine Spur von Mirabellen steigt mir in die Nase. „Nix wie runter damit!“, sag ich mir und schütte es mir, nachdem ich mit den Lippen geprüft hatte, ob es nicht zu heiß ist, in den Mund. Mir bleibt die Luft weg! Dann muss ich husten, die Tränen steigen mir in die Augen, wäre ich nicht in Atemnot, würde ich jetzt sicherlich Feuer speien! Das ist ja schlimmer als eine Pur-Pfeife mit bestem Afghanen!
Die Herumstehenden sind in Lachen ausgebrochen, sogar Philemon schmunzelt. Ich reiche schnell das leere Glas einem der Gaffer, damit ich mir die Tränen aus den Augen wischen und mich in Ruhe aushusten kann. Als mein Blick wieder klar wir, merke ich, dass außer einer heißen Welle auch ein leichtes Drehen in meinen Kopf steigt. Das Teufelszeug hats in sich! Ich gehe zum Schnabelauslauf, der jetzt zügig überläuft und schaue auf den Alkoholmesser. 80 Prozent! Als alle ungewohnt maßvoll ihr Gläsle getrunken haben, bietet mir Ernest, denn es ist seine Maische, die hier verkocht wird, noch ein Glas an. Unser Lachen und Husten hat noch andere Durstige angelockt, fast alle männlichen Bewohner des Dorfes sind jetzt anwesend. Plötzlich ist die Welt um eine Nuance heller geworden, wie wenn die Sonne die graue Nebelschicht durchbrochen hätte! Wie drollig die Leute mit mal aussehen, wie gesellig sie sind und was sie da für lustige Sachen erzählen! Eigentlich sollte man drei Mal täglich ein Glas Schnaps