Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
daneben, ohne Löcher, in 15 Zentimetern Abstand, schräg unterhalb davon. Dann hänge ich die Laken über die beiden Rohre, so, dass sie einen Zwischenraum haben. Somit wird die Tuchfläche verdoppelt. Waren wenig Käse im Keller und die Luft zu trocken, stellte ich einen Ventilator daneben, der langsam zwischen die nassen Tücher blies. Das senkt auch etwas die Kellertemperatur, hatten wir doch für eine lange Zeit keine Klimatisierung. Nur muss man bisweilen die Tücher waschen, da auch sie schwarzen Schimmel ansetzen, und gelegentlich austauschen, da sie verfaulen. Sank im Winter die Kellertemperatur unter 12 Grad ab, half ein kleiner Ölbad-Heizer mit Thermostat, die Temperatur günstig zu erhalten. Durch das viele Salzen mit trockenem, grobem Salz hatten unsere eisernen Regale nach ein paar Jahren stellenweise Rost angesetzt. In meinem nächsten Leben werde ich Nirosta-Regale bauen, nehme ich mir vor!
Ich erinnerte mich, dass in den Alpen die Käse in Salzlake gebadet werden. Da niemand hier sich damit auskannte, machte ich Versuche. Ich füllte eine 50-Liter Plastikwanne halb mit heißem, abgekochten Wasser und schüttete einen Viertel-Sack Salz hinein, welches ich eine Weile verrührte. Anschließend legte ich die Käse in die abgekühlte Lake. Sie versanken fast. Also musste die Lösung noch zu wenig konzentriert sein! Auch fühlten sie sich bald außen wie eine nasse Seife an, und wurden etwas mehlig. Nach 12 Stunden nahm ich sie hinaus, nachdem ich sie einmal gewendet hatte. Ich war nicht sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich nahm mir vor, abzuwarten.
Beim nächsten Mal ragten die Käse etwas aus dem Bad heraus. Auch waren sie weniger glitschig. Das musste mit der Säuerung der Flüssigkeit zusammenhängen. Das gab mir Zuversicht, so weiter zu machen, vor allem, da ja auf diese Weise kein Salz verloren ging! Die dritte Serie war von außen ganz normal und bildete bald eine gute Rinde, während ich bei den ersten zwei Serien die Oberfläche abkratzen musste, damit sich endlich eine richtige Kruste bilden konnte. Als ich sie später anschnitt, fand ich die Käse etwas salzig. Ich musste die Salzmenge reduzieren. Und das ging gut, indem ich sie früher aus dem Bad herausnahm! Bei rund drei Kilo schweren Käsen war 9 Stunden die ideale Zeit. Also: Nach dem Melken ausformen und ins Salzbad legen, einmal drehen und abends vor dem Melken rausnehmen! Und darauf achten, dass der Boden der Lakenwanne unten immer mit Salz bedeckt ist, um sicher zu sein, dass die Lösung gesättigt ist! Heureka!
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Öfters diskutieren wir Neu-Käser, wie man am besten Käse herstellt. Sollten wir für den echten Pyrenäenkäse auch auf die alte Weise arbeiten, jeden Tag, auf Holzfeuer, ohne Kühlung, ohne praktische Geräte? Auch hat früher nicht jeder Käser auf die gleiche Art gearbeitet! Mehrheitlich sind wir uns einig, dass es in erster Linie auf die Milch ankommt, dass sie aus den Bergen ist, auf Sauberkeit, dass man bestrebt ist, einen guten Käse herzustellen unter Zuhilfenahme des jetzigen Wissens und gewisser Technik, wie ein klimatisierter Keller. Denn das Produkt soll ja auch den Hygienenormen entsprechen. Soll gut schmecken, gut aussehen, haltbar sein! Irgendwie setzt jeder von uns seinen ganzen Ehrgeiz daran, einen noch besseren Käse als die Anderen zu machen. Wenn ich jetzt vor der Käsetheke eines Supermarktes stehe, fallen mir zuerst die Fehler der ausliegenden Käse in die Augen. Den optimalen Käse gibt es selten. Wir sind gerade dabei, ihn zu entwickeln!
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Inzwischen hatten alle Kühe gekalbt und auch alle Schafe waren in Laktation. In der neuen Käserei war es ein ideales Arbeiten, der Käse wurde regelmäßiger. Doch immer noch war viel andere Arbeit zu tun, bald mussten wir uns die Zeit zum Käsen schier stehlen, außer, es war schlechtes Wetter. Und beim Käsen soll man nicht eilen! Die Entwicklung der Käsemasse gibt den Rhythmus an. Zu schnell misslingt er, wenn man schneller fertig sein will. Und eines war mir inzwischen klar geworden: Eine gut ausgeführte Arbeit dauert auch nicht viel länger als eine schlecht ausgeführte und hat den Vorteil, dass man sie nicht nochmal zu machen braucht!
Bei einem Besuch brachten meine Eltern einen 60 Liter Aluminium Topf für Großküchen mit, der ideal für die Schafskäse war. So konnten wir nun beiderlei Käse zugleich herstellen.
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Den alten Wagen von der ‚Winden-Seilbahn‘ hatte ich mit einem Plateau versehen, auf dem ich die Kannen vom Kühler zur Käserei fuhr. Dort gab ich die Joghurts in den Kessel und leerte die Kannen rein. Damit die Milch nicht anbrennen konnte, hatte ich das Rührwerk von dem Honig-Tank, wo es nicht gebraucht wurde, auf ein Brett gebaut, das ich etwas versetzt auf den Kesselrand legte. Somit wurde die Milch leicht gerührt und ich konnte die Kühe und Schafe melken, während die Milch langsam warm wurde. Wichtig war, die Flügel des Rührwerks andersherum zu biegen, damit der Propeller die warme Milch nach oben schaffte. Beim Kühlen hingegen muss die warme Milch nach unten gedrückt werden. Da der Schafsmilch-Kessel dickwandig war, brannte in ihm die Milch nicht an.
Der Kessel mit Kuhmilch brauchte, bedingt durch sein Volumen, länger zum Heißwerden und auch zum Gerinnen. Ich konnte in dieser Zeit den Schafskäse machen, dessen Milch schon innerhalb von 20 Minuten geronnen war. Auch musste der Bruch weniger lang gerührt werden. So kam er in die Formen, bevor die geronnene Kuhmilch geschnitten wurde. Inzwischen hatten wir auch bessere Formen gefunden, ähnlich Papierkörben mit Langlöchern, aber zylindrisch und aus lebensmittelechtem Plastik. Ich hatte sie in der Käsefabrik in St. Girons ausfindig gemacht. Sie waren ausrangiert worden, obwohl sie noch neu waren. Vielleicht lag das an den Langlöchern oder am Boden. Denn die neue Tendenz war, Formen ohne Boden zu haben, weil es das Wenden erleichterte. Die Formen wurden einfach umgedreht, und der Käse rutschte auf die andere Seite. Ganze Tische voller Formen konnten so maschinell gewendet werden. Natürlich ging das nicht, wenn man wie wir Käsetücher benutzte. Nicht nur, dass diese das Austreten der Molke förderten, sie gaben auch das bestimmte Muster, an dem ein Kenner einen handgemachten Käse von einem industriellen unterscheiden kann. Im Käsewerk legte man feine Gitter auf die Tische und in die Formen, um das Muster der handgefertigten zu imitieren, doch sah man an den Kanten der Käse, dass dieses hier unterbrochen war.
Alle paar Monate holten wir uns Lab in der Käsefabrik von St. Girons. Auch brachten wir unsere Milchanalysen dorthin, weil hier, bedingt durch die riesigen Mengen, täglich Analysen zu machen waren und das Laborfahrzeug auf der Sammeltour hier vorbeikam. Mit der Zeit kannten wir hier verschiedene Leute und man konnte etwas fachsimpeln, manche waren auch Bauern, die nebenbei noch hier arbeiteten. Nach und nach kam ich in die verschiedenen Bereiche, wenn ich eine bestimmte Person suchte. Und es faszinierte mich auch hier zu sehen, wie aus Milch Käse wurde, nur in einem ganz anderen Maßstab und unter viel Lärm und Dampf. Hier gab es auch eine Werkstatt, wo wir Ersatzteile für die Melkmaschine bekamen. Eigentlich waren wir Bauernkäser in gutem Einvernehmen mit dem Personal vom Käsewerk.
Denn wir waren ja so klein, dass wir keine Konkurrenz für dieses darstellten! Vielleicht, dass man in den Chefetagen hochrechnete, wie viele Bauernkäsereien es in der ganzen Pyrenäenkette gab, und wieviel Promille der Gesamtkäseproduktion durch uns gedeckt wurde und dass man das dort in Francs umrechnete, die man gerne in der eigenen Verkaufsbilanz eingetragen sähe… In deren Reklame entstand ihr Käse auf die gleiche Weise wie bei uns, manchmal sogar noch rustikaler, doch taten sie alles, um diese Herstellungsweise durch Gesetzgebung zu verbieten und als unhygienisch und gefährlich für die Volksgesundheit hinzustellen, um uns das Vermarkten zu erschweren. Doch alle Lebensmittelskandale bisher hatten ihren Ursprung in den Fabriken genommen! Wir hatten rund 50 Kunden. Wenn wir diese vergiften würden, wäre der ‚Schaden‘ gering, im Vergleich zu den vielleicht 5.000 000 Kunden eines Milchkonzernes! Trotzdem mussten wir, laut Gesetz, eine Versicherung gegen Lebensmittelvergiftungen abschließen. Und letztendlich war ich froh darüber, doch davon an anderer Stelle!
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Unsere Freunde in Esplas, die auch Schafskäse herstellten, verkauften ihre Lämmer im Baskenland auf den Viehmärkten. Doch machte das rund 600 Kilometer hin und zurück, und es ging ein ganzer Tag dabei drauf. Sie bekamen 100 Francs für das Lamm, wenn die Nachfrage gut war. Anscheinend gab es dort Mastbetriebe, die diese schlaksigen Lämmer aufpäppelten bis zum Schlachtgewicht. Uns war die Fahrt zu aufwendig. Wir gaben eine Annonce auf und verkauften unsere Tiere anfangs für 50 Francs, später für 30