Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick


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mich gratis waren.

      Nach rund zehn Tagen kam er wieder vorbei, fischte ein paar Flaschen Bier aus einer der vielen unergründlichen Taschen seiner Armeehose und wir tranken auf die gute Idee, die ich gehabt hatte. Denn es hatte sich herausgestellt, dass ein paar der Ziegen positiv gewesen waren und er sie alle dem früheren Eigentümer zurückgegeben hatte. Jetzt wartete er auf das Ergebnis seiner eigenen Blutanalyse, in der Hoffnung nicht angesteckt worden zu sein!

      Nach zwei Wochen bei meiner Käsetour sprach mich wer im Dorf an. „Was, du bist gar nicht krank? Ich habe irgendwo gehört, du hättest die Brucellose!“ „Das ist doch schon zwei Jahre her, ich hoffe, die ist jetzt endgültig vorbei! Wer war das denn, der das erzählt hat?“, wollte ich wissen. Er überlegte eine Weile. „Ich glaube, das war Ernest, der Mann von der Sekretärin!“ Ich wollte Genaueres wissen und hielt bei ihr an. „Ach, du hast die Post gar nicht bekommen?“, meinte diese und führte mich an das offizielle Anschlagbrett. „Da, vor rund einer Woche habe ich das vom DSV (Tiergesundheitsamt) bekommen und gleich angeschlagen!“ Ich schaute mir den amtlich gestempelten Aushang an. Ich bekam einen Schreck, je weiter ich las. Dort stand, dass wegen Brucellose in unserer Herde jeder Verkauf von Tieren und tierischen Produkten seit einem schon zurückliegenden Zeitpunkt verboten seien! Mich wunderte, warum ich kein ähnliches Schreiben erhalten hatte. Vielleicht steckte der Brief noch in irgendeiner von Jean-Pauls Taschen!

      Was tun? Denen im Amt sagen, dass ich die Untersuchungen für jemand anderen hatte machen lassen, ging nicht. Das hätten die als eine Art von Betrug gesehen. Ich setzte mich also hin und schrieb ihnen einen Brief, in dem ich ihnen mitteilte, dass die Tiere nie auf unserem Hof gewesen waren, was ja auch stimmte, und dass ich die Bluttests der Tiere bei dem Bauern hatte machen lassen, um sicher zu sein, dass die Herde negativ ist. Erst anschließend hätte ich sie holen wollen. Nach zehn Tagen hängte die Sekretärin den neuen Bescheid aus, der besagte, dass die Produkte unseres Hofes wieder den Gesundheitsnormen entsprächen und ihr Verkauf wieder erlaubt sei. Zum Glück für mich las niemand die öffentlichen Aushänge! Jedenfalls nahm ich mir vor, von jetzt an nur noch unsere eigenen Tiere analysieren zu lassen… Und ich baute einen Briefkasten an eine Scheunentür im Dorf, damit der Briefträger von nun an die Post dort einwerfen konnte, anstatt sie jemanden zu geben, der sie mir geben sollte, falls er mich sähe...

      Seit diesem Zwischenfall reagierte ich fast allergisch, wenn Leute mit einer Ziege im Kofferraum zu uns hochgefahrenen kamen, und sie gedeckt haben wollten. Denn Privatleute waren nicht verpflichtet, Blutproben ihrer Tiere machen zu lassen, nur Bauern! Und somit begrenzten sich Tierseuchen oft auf solche Einzeltiere. Zweimal fand ich eine fremde Ziege mitten in unserer Herde. Die Eigentümer hatten sie einfach ausgeladen, weil niemand am Hof gewesen war und waren wieder weggefahren. Später riefen sie an, dass sie die Ziege in ein paar Tagen wieder abholen würden, wenn sie gedeckt wäre. Ich bestand darauf, dass sie sofort kommen, und drohte, sie sonst in den Wald zu jagen. „Wir zahlen dir das Decken, wenn es nur darum ist!“ Doch mir ging es nicht um 10 Francs, mir ging es um die Gesundheit unserer Tiere, mir ging es um unser eigenes Überleben!

      DER MARKT

      Das Frühjahr war da. Für den 1. Mai war in Castillon der ‚Maiglöckchen-Markt‘ angesetzt. Doris machte den Stall fertig, ich fuhr hin, um noch einen Platz zu bekommen.

      In der Hauptstraße, wo der Markt ablief, herrschte Chaos. Lieferwagen waren mitten auf der Straße abgestellt, weil die Händler ihre Stände aufbauten. Andere Fahrzeuge wollten durchfahren. Ich schien einer der letzten zu sein. Ich fand eine Lücke von knapp zwei Metern, wo ich mein Zeug erst mal nur abstellte, um das Auto irgendwo zu parken. Dann ging ich daran, meinen Stand aufzubauen. „Was verkaufst du?“, wollten die nächsten Nachbarn wissen. Irgendwie spürte ich, dass sie misstrauisch waren, neidisch gegenüber jedem Neuen, der eine Konkurrenz darstellen konnte. „Käse und Honig!“, erwiderte ich. „Das passt dann ja! Ich verkaufe Brot, Patrick ist mein Name!“ Der andere Nachbar verkaufte Gemüse. Also hatten sie nichts gegen mich.

      Im Vorbeifahren hatte ich schon gesehen, welche anderen Waren angeboten wurden. Eigentlich alles Mögliche an Lebensmitteln, auch mehrere Käsestände waren da. Zu Anfang des Marktes standen Eisenwarenhändler, ebenso am anderen Ende und auf dem Platz oberhalb der Schule, wo auch Tiere angebunden waren. Zwischendrin verteilt die bunten Stände von Kleiderhändlern, unter anderem mit Saris und anderen indischen Klamotten. Auch unsere Freunde Emil und Rosa hatten einen winzigen Platz gefunden, wo sie billige portugiesische Waren anboten, Schuhe mit Sohlen aus Autoreifen, Ledertaschen und den Rest Waren aus ihrem früheren Lädchen in Lindau. Wir begrüßten uns kurz im Vorbeigehen.

       Ich machte mich ans Aufbauen des Standes. Ich hatte zwei zusammenklappbare Holzböcke als Unterstand besorgt, darauf ein paar 2 Meter lange Bretter aus dem Käse-Keller gelegt, darüber eine Tischdecke, worauf die Käse zu liegen kamen, zur Hälfte bedeckt mit einem kariert gemusterten Geschirrtuch. Das sah auf jeden Fall rustikal aus! Daneben stellte ich die Honiggläser, aber nur nebeneinander, weil die Straße ziemlich geneigt war, und ich Bedenken hatte, dass diese sonst umfallen würden. Ich hatte einen anderen Imker bemerkt, der seine Gläser zu Pyramiden aufgebaut hatte. Er hatte seinen Stand gut unterkeilt. Das kam mir trotzdem gewagt vor, musste aber zugeben, dass es den Blick der Kunden auf sich zog. Wenn da mal jemand gegenlief… Etwas hinter die Honiggläser stellte ich das Holzschildchen mit unserer Adresse. Daneben die Waage. Vor dieser stellte ich die Kasse auf. Ich machte mir zur Angewohnheit, sie auf dem Stand nicht abzuschließen, denn falls jemand sie mal ergreifen sollte, würde sie aufgehen und das Geld rausfallen. Hinter dem Käsestapel lag ein Küchenbrett und ein langes Messer zum Schneiden des Käses und ein Stapel Pergamentpapierbögen zum Einpacken. Ich hatte einen runden Sonnenschirm dabei, den ich etwas seitlich stellte, um die Sonne vom Käse abzuhalten. An diesen hängte ich einen Wechselrahmen mit einem Dutzend Fotos von unserem Hof. Diese zogen die meiste Aufmerksamkeit auf sich, von den Händlern und den Passanten.

       Ich schnitt einen Käse durch und legte ihn so, damit man gut sein Inneres sah. Ich schnitt eine dicke Scheibe von der anderen Hälfte, zerkleinerte sie in Streifen, die ich auf ein Blatt Papier legte. Damit ging ich zu den nächsten Nachbarn und bot ihnen davon an. Das lockerte etwas die gespannte Atmosphäre, man sprach miteinander, bot mir Obst an oder eine Kostprobe von ihren Waren. Auf jeden Fall war es noch ruhig, kaum ein Kunde vor den Ständen, die eng aneinander die ganze Straße entlang aufgebaut waren. Aber so ist es auf jedem Markt. Die Händler kommen viel zu früh, manche hatten sogar die Nacht in ihrem Lieferwagen geschlafen, um die besten Plätze zu haben oder die ersten Kunden zu erwischen…

      Jemand von einem Weinstand entkorkte eine Flasche Wein, andere schnitten ein Brot oder eine Hartwurst an, und mit meinem Käse ergab das eine kleine, heitere Brotzeit. Nebenbei hatte ich mich nach den Preisen von Käse und Honig umsehen können, aber nicht viel erfahren. Jeder schien darauf zu warten, dass der andere endlich seinen Preis anschrieb, um sich danach auszurichten. Ich hatte etwas Lampenfieber, denn Märkte hatte ich bisher kaum gemacht, mehr das von Haus zu Haus-Fahren, wo man spätestens bei der zweiten Tour schon den Käufer kennt.

      Langsam ging ich auf der anderen Straßenseite zu meinem Stand zurück. Ich beobachtete das Verhalten der Marktleute. Einer schnäuzte sich mit den Fingern in den Rinnstein und putzte sich die Hand an der Hose ab. Gut, wenn er nur Grünpflanzen verkauft, die brauchten ja etwas Dünger. Ein anderer griff sich schon zum dritten Mal an den Sack oder bohrte sich mit dem Daumen die Nase. Andere rauchten eine Zigarette. Eigenartig, was man für ein Verhalten hat, wenn keine Kunden vorm Stand stehen! Ich nahm mir vor, wachsam zu sein, um nicht genauso zu werden, denn das bewirkte eher, dass ein Kunde weitergeht! Auch wenn jemand hinterm Stand saß oder sich mit anderen unterhielt, schien so mancher Kunde nicht stören zu wollen und lief weiter. Am ärgsten war es, wenn manche Händler den Vormittag in einem Bistro verhockten und ihr Stand unbesetzt war. Doch deren Kunden kannten meist deren Stammkneipe oder waren schon dort…

      Auch sah ich mir genauer die verschiedenen Standsysteme an. Es gab da die ganz einfachen, sagen wir mal systemlosen, ein paar leere Kisten mit Brettern darauf, wie sie meist die Gärtner aufgebaut hatten, bis hin zum Anhänger, den man aufklappte und alles war fertig! Ein Kleiderverkäufer benutzte eine Art Ziehharmonika-Unterbau,


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