Stein. Sabine Korsukéwitz

Stein - Sabine Korsukéwitz


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gemeinsamen Mahl, anstatt sich an der Wuke die Zähne abzukauen, Schlund gerechte Stücke heruntersäbeln. Elegant! Und wie die anderen schauen, vor allem die Weibchen!

      Das Ganze ist passiert vor, bei konservativer Schätzung, sagen wir: 70 000 Generationen, vor ca. 2 Millionen Jahren. Das wiederum weiß man erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Obwohl man überall auf Spuren der Urmenschen stieß, ja ihre Techniken durchaus noch in Gebrauch waren, hatte man über all dem Fortschritt den Ursprung ganz vergessen.

      Griechische und chinesische Kosmologen erfanden das Wort von der ‘Steinzeit’ (lithos, griechisch: Stein). Für sie bedeutete es eine mythische Zeit der Götter und Heroen, wiedergegeben in fantasievoll ausgeschmückten Schöpfungsgeschichten. Für uns ist der Begriff negativ besetzt, die Zeit der Helden ist jetzt nach vorn gerückt und etwa im Mittelalter angesiedelt.

      Bei den Griechen war es Prometheus, ein Sohn des erdgeborenen Uranussohns Iapetos, der aus Ton die ersten Menschen formte nach seinem Bild. Die liefen zunächst ziemlich ratlos herum, ohne sich ihrer Umgebung und ihrer selbst bewusst zu werden. Es genügte aber schon zur Fortpflanzung und Vermehrung – dazu reicht es immer.

      “Unbekannt war ihnen die Kunst, Steine auszugraben”, heißt es in einem alten Text. Das deutet auf eine zentrale Bedeutung von Stein in der menschlichen Entwicklungsgeschichte.

      Bekanntlich nahm sich Prometheus seiner noch etwas tapsigen Geschöpfe an, lehrte sie alle möglichen Fertigkeiten und stahl für sie sogar das Feuer vom Sonnenwagen. Dafür musste er schauerlich büßen: Auf Ewigkeit an einen Felsen gekettet, von Adlern gequält, die an seiner Leber fraßen, bis der Held Herakles des Weges kam und den Lehrer der Menschheit befreite. Zeus war wohl inzwischen älter und milder geworden. Er tolerierte die Freilassung unter der Bedingung, dass Prometheus ein Bröckchen jenes Felsens an einem eisernen Ring tragen musste, damit seinem Wort vom ewigen Angekettetsein Genüge getan war. Et voilà der erste Fingerring.

      Eine weitere griechische Schöpfungsgeschichte, in der Steine eine wesentliche und bezeichnende Rolle spielen ist die von Deukalion und Pyrrha. Darauf komme ich noch zurück.

      Schöpfungsmythen, Erklärversuche für erlebte Wirklichkeit, sind ja oft dieser Wirklichkeit erstaunlich nah. Man muss nur die Bilder am Wissensstand der Zeit messen und sie sich dann übersetzen.

      Der Begriff ‘Steinzeit’ und der von der darauffolgenden ‘ehernen Zeit’ wurde geprägt am Beginn der Eisenzeit, ca. 1000 bis 700 v.Chr., zu Beginn von Philosophie und Wissenschaft. Da war die ‘eherne’, die Bronzezeit gerade vorbei. Aber die Vorstellungen von Vergangenheit und Entwicklung der Zivilisation waren nebelhaft. Der griechische Kosmologe Hesiod (700 v.Chr.) sah in der Steinzeit eine verlorene, glorreiche Vergangenheit, eine bessere Zeit als seine eigene, in der er nur Niedergang und Verfall zu erblicken glaubte. Der Römer Lukrez vermutete im letzten Jh. v.Chr. immerhin schon, die Kultivierung des Menschen müsse mit der Bearbeitung von Stein ihren Anfang genommen haben.

      Erst in der Neuzeit kam man auf die Spur der tatsächlichen und nachweisbaren Entwicklung der Menschheit. Die rationale Erkundung der Vergangenheit anstelle der bisherigen Mystifizierung zeigt eine bedeutende Wende im menschlichen Selbstbewusstsein. Nicht nur absolutistische Tyrannen, auch einengende Weltbilder fielen. Einzelne Vordenker wagten sogar, in den biblischen Schöpfungsmythen das zu sehen, was sie waren – mündliche Überlieferungen mit entsprechender Fehlerquote. Das ermöglichte Abweichungen vom Dogma, öffnete neue Wege für den Geist. Es war eine Zeit aufblühender Neugier und der Entdeckungen auf neuen Handelsrouten, der Beginn der Kolonisation. Immer neue Berichte über noch existierende ‘Steinzeitmenschen’ gelangten ins kultivierte Europa. Eine realistische Vorstellung von Zeitraum und Abläufen hatte man aber noch nicht. Herder prägte im 18 Jh. den Begriff der Urgeschichte. Hegel dagegen wollte die Geschichte der Menschheit gern auf die Epoche begrenzen, aus der schriftliche Quellen vorhanden waren. Ohne solche schriftlichen Quellen sei es schließlich unmöglich, sich ein verlässliches Bild zu schaffen. Alles bliebe intelligente Spekulation.

      1797 fand ein gewisser John Frere in Südengland einen Faustkeil, offensichtlich Menschenwerk, planvoll und geschickt bearbeitet. Es waren schon vorher Waffen und Werkzeuge aus Feuerstein gefunden worden, aber dieser John Frere kam auf die Idee, das Objekt in zeitlichen Zusammenhang zu anderen Dingen an derselben Fundstelle zu setzen: Muscheln und Knochen von riesigen Tieren, die nicht mehr vorhanden waren. Da zu dieser Zeit Antiquitäten sehr in Mode waren, traf Frere auf einiges Publikumsinteresse, als er schrieb: “Diese Feuersteinwaffen sind von Menschen hergestellt und benutzt worden, die noch kein Metall verwendet haben, und die Lage in der diese Waffen gefunden worden sind, lässt uns vermuten, dass sie in weit zurückliegender Zeit entstanden sein dürften.”

      Ah, das war interessant: Vor der Metallzeit, vor der ‘ehernen Zeit’! Noch vor den Römern, vor den alten Griechen. Etwa vor dem biblischen Babylon? Vor den Pharaonen.....das wäre ungeheuerlich...wann also, wann?! Wie lange konnte das her sein? Wie lange hatte es Menschen gegeben? Das früheste westeuropäische Volk, von dem schriftliche Quellen berichteten, waren die Kelten. Bis dahin hatte man sich in den Schätzungen rückwärts gewagt. Aber die Kelten kannten bereits Eisen, sogar Stahl, waren geschickte Schmiede. Sie waren keineswegs auf primitives Steinwerkzeug beschränkt. Noch weiter zurück? Wie weit?!

      Zur Hilfe kamen den rätselnden Paläohistorikern (wenn sie sich auch noch nicht so nannten) andere Disziplinen: Die Beobachtung von fossilen Meerestieren, Muscheln und Seeigeln auf hohen Bergen, die Katalogisierung von ausgestorbenen Tieren und Pflanzen durch Karl von Linné (1707 – 1778) und der Versuch, die offensichtlichen Veränderungen der Spezies nicht durch die Bibel, sondern durch die Wechselbeziehung zwischen Klimabedingungen und Daseinskampf zu erklären. Die vorstellbaren Zeiträume wurden immer länger. Man begann zu unterscheiden in eine ältere Steinzeit, die Epoche des roh geschlagenen Steins und eine jüngere Steinzeit, die des verfeinerten, geschliffenen Steins, Paläo- und Neolithikum.

      Zur Datierungshilfe kam die Erfindung der Dendrochronologie, der Bestimmung eines Zeitraumes durch Zählung von Jahresringen von Hölzern am Fundort; auch einige brauchbar erhaltene Holzstücke wurden in den untersuchten Schichten gefunden. Und dann endlich der Durchbruch: Die C14-Methode, die zeitliche Einordnung eines Fundes auf der Grundlage der Zerfallszeit von radioaktivem Kohlenstoff. Erst an der Schwelle zum 21Jh. ist es uns gelungen, dem Alter unserer Vorfahren, dem Ablauf ihrer und damit unserer eigenen Geschichte auf den Grund zu kommen.

      Vor fünf bis acht Millionen Jahren trennten sich die Wege der Schimpansen und der Menschen. Der Hominide wurde immer menschlicher und der Schimpanse immer schimpansiger.(Die Verwandtschaft ist dennoch nicht abzustreiten, wenn man beispielsweise im Zoo einem Affen beim Essen zusieht, oder wie er trübe dösend ins Nichts stiert und sich dabei, Sie wissen schon wo, kratzt. Gehen Sie dann einfach ins nächste Hamburger-Restaurant, da kann man Ähnliches beobachten.)

      Steinbearbeitung und die Beherrschung des Feuers waren die ersten Bedingungen für die Weiterentwicklung des Hominiden. Der ostafrikanische Adam, heute Oldowan-Mensch genannt, hatte also gelernt, dass gewisse Steine in sehr nützlicher Form splittern. Vielleicht kam er auch an einem Hangabbruch vorbei oder lief über die Geröllhalde eines Bergrutsches und trat auf einen scharfen Splitter, mit dem gleichen Ergebnis.

      Zuerst mag er einfach die gefundenen Splitter verwendet haben. Aber schnell ging er dazu über, zu untersuchen, welche Steine genau das waren: Heute wissen wir, dass alle diese Werkzeug-Steine der Gruppe der Kieselgesteine angehören. Sie bestehen hauptsächlich aus Siliziumdioxid, ein wenig Wasser und verschiedenen mineralischen Beimischungen, die Farbe, Härtegrad und Materialeigenschaften beeinflussen. Außen ist eine Feuersteinknolle oft mit einer weißlichen Kalkschicht überzogen.

      Silex hat einen Härtegrad von 6,5 bis 7 Mohs auf einer Skala von 1 (Talk) bis 10 (Diamant). Aufgrund seiner feinen Kristallstruktur ist es fast beliebig und großflächig spaltbar, ein wenig elastisch; durch gezielte Schläge kann eine beabsichtigte Form gewonnen werden. Es bricht muschelig, scharfkantig und an den Bruchflächen zeigt sich ein auffallend glasiger, fettiger Glanz. Es sind eigentlich sehr hübsche Steine, wenn man sie aufmerksam betrachtet. Zu den sogenannten Feuersteinen zählt man auch weißen, grün-grauen und roten Bohnerz-Jaspis sowie Hornstein, der von stumpf-gelblich bis bräunlich-schwarz vorkommt. Seltener wurde auch Chalcedon verwendet. Amethyst, Achat,


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