Der Erbe ...und die Glücksritter. Sybille A. Schmadalla

Der Erbe ...und die Glücksritter - Sybille A. Schmadalla


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Kartons usw. Er räumte den Plunder beiseite, hob das ziemlich große Rechteck heraus. Ein Bild, das hatte er sich schon gedacht, er fühlte durch die Tuchschichten den Rahmen.Es staubte. Im Sonnenlicht des späten Nachmittags tanzten die Partikel. Vorsichtig löste er das Klebeband, welches über die Jahre seine Fähigkeiten nahezu vollständig eingebüßt hatte – er musste nur zupfen, und in Fetzen fiel das Band ab. Sofort gab die Stoffhülle nach, sackte zu Boden. Staub wirbelte auf. Gab Teile von Farbe frei, kräftiges kornblumenblau. Es traf ihn ein Blick aus graugrünen Augen, umrandet von langen schwarzen Wimpern. Den Körper halb gedreht, den Kopf ihm zugewandt, über die nackte, rosige Schulter blickend, warf ihm eine dunkelhaarige Schönheit einen unergründlichen Blick aus eben diesen graugrünen Augen zu. Ein Blick, der ihn auf eine Art und Weise berührte, die er gar nicht beschreiben konnte.Ob er nun stundenlang oder minutenlang so gestanden hatte, versunken in dieses Bildnis, konnte er nicht sagen. Hans, der Pragmatische, der von Kunst keinen blassen Schimmer hatte, er, der nie in ein Museum, eine Ausstellung oder ins Theater ging: Er war aufs Tiefste berührt. Wer war diese Frau, die so distanziert den Blick des Betrachters erwiderte? Das lose herabgesunkene, seidene Oberteil eines Kleides, dessen Stoff sich um die schmale Taille bauschte, in einem tiefen, glänzenden, den Schimmer des seidigen Materials wiedergebenden Blau. Dieses fantastische Blau spielte von nachtblau in den Tiefen des Faltenwurfes, über royalblau bis in ein strahlendes Weiss, wo der Schimmer des Lichts die weichen Verformungen der Falten in der Seide nachzeichnete. Die untere Körperhälfte des sitzenden Halbaktes war von diesem Stoff verborgen, es blitzte weiße Spitze von einem Hemdchen, das ebenso herabgesunken war. Dieses strahlende Blau ließ den hellen, rosigen Teint der Haut noch zarter erscheinen. Sanft wölbte sich ein mädchenhafter Bauch, langgliedrige, schlanke Hände bedeckten knospende Brüste. Eine kleine Goldkette mit einem Stein aus Lapislazuli als Anhänger, schmückte einen edlen, langen Hals. Darüber ein offenes, junges, ebenmäßiges Gesicht, geschwungene schwarze Bögen der Augenbrauen. Eine füllige Lockenpracht in kastanienbraun war gebändigt, hochgesteckt in einen kleinen Dutt, der von einer Perlmuttspange gehalten wurde, die durch die Lockenpracht schimmerte und oben auf dem Kopf thronte, während weich und rund die Fülle der Haare bogenförmig die Kontur des Kopfes umspielten. Eine Frau, die sich gerade dem Liebhaber enthüllte? Eine Frau, die – sich zum Bade entkleidend – überrascht wurde? Die halbe Drehung des Oberkörpers, der Blick über die rosige Schulter, die Hände, die schützend die Brüste bedeckten. Das Gesicht faszinierte ihn, vielmehr der Ausdruck des Gesichts. Sie war jung, sehr jung, sie hatte eine prägnante Nase, einen offenen, unerschrockenen Blick, hohe Wangenknochen, kleine Ohren, verziert mit zarten Perlenohrsteckern. Sie sah aus dem Gemälde heraus ihn direkt an, egal wie und wo er sich im Raum bewegte, das machte es unheimlich. Sie war so unglaublich schön! Das Blau, der virtuos wiedergegebene Faltenwurfs, das Schimmern der Seide, das Filigrane der Spitze, der brillante Lüster, der Perlenohrstecker, die Feinheit der Haut, die weichen Flächen der Arme, feingliedrige Hände, die die Brüste schützend bedeckten … Er verstand nichts von Kunst, aber das hier war gut, das war große Kunst, das verstand sogar er als Laie.Wieso war dieses Kunstwerk in der Rumpelkammer versteckt? Warum hing es nicht im Wohnzimmer? Wer hatte es gemalt? Wer war die Schöne?Er war aufgewühlt, verwirrt – was für eine Entdeckung! Nach einer Weile legte er die Schutzschichten wieder darüber, lehnte das Gemälde an die Wand neben der Tür. Er war verwirrt, benommen. Er stieg die Treppe hinab in die Küche. Dort fand er alles, was ein Mensch zum Kaffeekochen brauchte. Er tigerte durch die Küche, darauf wartend, dass der Kessel pfeifen würde. Erst die Ordner, und nun das Bild! Was würde er hier noch alles entdecken? Halblaut sagte er in die Stille der Küche: „Na, Amadeus, du alter Schwerenöter?“, aber das – fühlte er – das war es nicht. Das Gemälde hatte eine andere Geschichte. Er schlürfte den heißen Kaffee, verbrannte sich trotz Pustens die Zunge, wanderte über den kleinen Flur mit dem abgeschabten Teppich ins Wohnzimmer und sank in den Sessel. Die Nachmittagssonne schien in den Raum und machte ihn hell und freundlich. Sein Magen knurrte laut und vernehmlich, also sah er sich in der Küche erneut um. Ein steinhartes Brötchen – nein danke. Im Kühlschrank eine nicht geöffnete, aber abgelaufene Packung Edamer. Flugs riss er die Folie weg, roch daran. Er legte den Käse auf einen Teller. Mit dem Messer säbelte er im Stehen große Stücke vom viereckigen Laib, schlang eilig alles hinab. Die Gedanken sprangen nur so umher. Was das Kunstwerk wohl wert war? Er hatte keinen Namen gesehen, wer war der Maler? Wie war es gerahmt? Es fiel ihm jetzt erst auf, auf wie vieles er nicht geachtet hatte, magisch angezogen von diesem Blick. Er musste das Bild einfach genauer untersuchen. Lange hielt er es in der Küche nicht aus. Das Bildnis der unbekannten Schönen zog ihn magisch an. Die Stufen mit zwei Schritten auf einmal nehmend eilte er die knarzende Treppe wieder hoch, erneut seinem Fund entgegen. Die Sonne warf rötliche Stahlen und gab dem Zimmer einen warmen Schein. Er entfernte die alten Bettbezüge erneut. Es staubte wieder. Wieder war er fasziniert von diesem Blick, diesem Gesicht. Immer noch gebannt, aber nicht mehr so überwältigt wie beim ersten Mal. Wie er es sich vorgenommen hatte, begutachtete er jetzt alles sehr genau. Das Gemälde war gerahmt. Umlaufend eine Holzleiste, die an den Ecken ähnlich dem Pik Zeichen, das er am Gartenzaun schon gesehen hatte, kleine Auskragungen hatte, die in einer leicht abgerundeten Spitze mündeten. Zwischen den Ecken verlief der Rahmen schmaler, es sah aus, als ob der Leisten eine Taille hätte. In diesen Leisten war – der Außenlinie folgend – innen eine Linie umlaufend graviert. Der Rahmen war auch alt, das sah man, er war bronziert, das blätterte. Wie wurde dieser Stil genannt? Davon hatte er keine Ahnung. Der Rahmen gefiel ihm. Er besah sich die Malerei selbst nochmals genau. Die kleine, feine weiße Spitze, die hervorblitzte zwischen der rosigen Haut und den blauen Falten des herniedergesunkenen Kleides, das war alles so fein, so zart, aber auch sehr exakt gemalt. Die Falten zeigten Lichtreflexe, der Stoff war tiefblau und glänzend. Das Schimmernde war präzise wiedergeben. Die Haut, so rosig, die Hände so feingliedrig. Hans war überzeugt, das war ein Meisterwerk. Leider fand er keine Signatur. Schließlich kam er auf die Idee, das Bild umzudrehen. Volltreffer: In einer merkwürdig steilen Schrift, jeder Buchstabe sorgfältig gesetzt, stand dort offenbar eine Widmung. Das Papier, welches auf das Holz des Rahmens geklebt war, sah zerschlissen, gelblich, brüchig aus. Ein Stempel oder Signet daneben. Cara Sophia … Möller, Höller, Köller, konnte er entziffern, oder war das ein „t“? Mötter, Hötter, Kötter? Er war etwas ratlos. Cara Sophia, das war eindeutig. Eine so schöne Frau konnte nur so einen exotischen Namen haben, fand er. Cara Sophia - las er, sprach es laut in die Stille des Raums. Cara Sophia. Darunter las er „Im Atelier“ … erneut wieder Unleserliches, gefolgt von einer Jahreszahl 1906 - 8.8.1906. Das Bild war weit über 100 Jahre alt – älter, als Amadeus Glück geworden war. Sie war jung. Und doch so alt. Er schätzte sie auf zwanzig oder jünger. So zart, so knospend, sechzehn? Achtzehn? 1906 unter zwanzig, dann war sie 1886 geboren oder etwas später, oder doch davor? Ewige Jugend hielt dies Bildnis fest. Cara Sophia war schon lange tot. Das war Gewissheit. Hans fühlte ein Bedauern, gefolgt von einer unendlichen Dankbarkeit: Cara Sophia blühte hier in der unvergänglichen Schönheit ihrer Jugend - für immer. Er fühlte diese unbestimmte Dankbarkeit, dass er eine gealterte Cara Sophia nie hatte kennen lernen müssen. Jetzt sah er die Signatur, einen Namen: Leo Putz. Nie gehört. Leo Putz. Das musste der Maler sein. Es klingelte! Hans war erstaunt und verblüfft. Eilte die knarzende Treppe hinunter und öffnete die Tür. Vor ihm standen ein Polizist und ein junger Mann. „Polizeiobermeister Grundler, Polizeiinspektion Ebersberg!“ stellte sich der Uniformierte mit fester Stimme vor „Wer sind Sie, und was haben Sie in diesem Haus zu suchen?“ „Ich bin der Erbe von Amadeus Glück.“ Er bat beide Herren herein und zeigte dem Polizisten die Dokumente des Erbenermittlers, die er zuvor aus seinem Wagen holte. Der Polizist prüfte die Dokumente und fragte nach dem Personalausweis, prüfte erneut alles und schließlich verabschiedete er sich mit einem „Nix für Ungut“. Hans bedankte sich und meinte, der Polizist tue nur seine Pflicht, und das wäre ja gut zu wissen.Während er die beiden wieder hinaus begleitete, fragte er den jungen Mann nun seinerseits, wer er denn wäre. Der klärte ihn auf, er sei der Mieter im Pavillon. Er heiße Matthias Baumgärtl und studiere im vierten Semester in Rosenheim Holztechnik. Er solle es ihm nicht übel nehmen, aber als er Hans im Haus gesehen habe, habe er gedacht, es sei ein Einbrecher im Haus. Herr Glück habe immer gesagt, dass alle Verwandten im KZ umgekommen seien und er keine Verwandten mehr habe. Im Übrigen kümmere er sich um die beiden Hühner, Berta und Babette, ob er das nun übernähme? Hans nickte und fragte Matthias wo denn die Hühner residierten. Matthias zeigte ihm nun den weitläufigen Garten, und sie gingen zu seinem
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