Das letzte Wort hat immer der Tod. Dietrich Novak

Das letzte Wort hat immer der Tod - Dietrich Novak


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er Ihnen das nicht gesagt? Er ist direkt nach der Arbeit zu mir gekommen. Wie er das seit einiger Zeit täglich tut.«

      »Außer heute. Denn wenn er nicht in der Wiclefstraße gewesen wäre, hätte er meine Nachricht nicht erhalten können.«

      »Hin und wieder muss er schließlich mal nach der Post sehen. Das hat er mindestens schon eine Woche nicht getan. Eigentlich könnte er seine Wohnung aufgeben, weil er die meiste Zeit bei mir ist. Aber er will sich wohl den Rückzug offen halten, falls es mit uns auf Dauer nicht klappt.«

      »Gibt es denn Spannungen zwischen Ihnen?«

      »Im Gegenteil. Aber Sie wissen doch, wie Männer sind. Sie sind schließlich auch einer.«

      »Unzweifelhaft. Würden Sie Ihre Angaben auch unter Eid wiederholen?«

      »Jeder Zeit.«

      »Danke. Noch eine letzte Frage: Gibt es in Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis eine junge Frau mit rasiertem Schädel? Ihr Freund soll hingegen rotblonde Haare haben, die er zu Rasterlocken geformt trägt.«

      »Nein, diese Szene ist mir, ehrlich gesagt, etwas zu schrill, und Drogen sind nicht meine Welt. Und Steffens auch nicht, zum Glück.«

      »Vielen Dank. Wenn es noch weitere Fragen gibt, ich habe ja jetzt Ihre Nummer.«

      »Bitte schön. Was wirft man ihm denn vor? Ich meine, dass er ein Alibi braucht …«

      »Im Moment noch gar nichts. Wir sind erst am Anfang unserer Ermittlungen und führen Routinebefragungen durch.«

      »Ach so. Und ausgerechnet bei uns?«

      »Ja, es kann schon vorkommen, dass jemand zur falschen Zeit am richtigen Ort ist. Alles Weitere wird Ihnen Ihr Bekannter erklären. Danke für die Auskunft, und noch einen schönen Tag.«

      »Du bist heute sehr verschwenderisch mit dem Schönen-Tag-Wünschen«, sagte Heiko, als Hinnerk aufgelegt hatte.

      »Ja, warum nicht? Wenn wir schon keinen haben, warum sollen andere ihn nicht haben?«

      »Stimmt schon, aber leider ist das heute nicht viel mehr als eine Floskel, die fast jede Kassiererin im Supermarkt benutzt, ohne es wirklich zu meinen.«

      »Ich weiß. Aber so viel Auswahl gibt es da nicht. Hätte ich ihr für heute Abend einen schönen Fick wünschen sollen?«

      Heiko lachte. »Das nun nicht gerade.«

      Als ich zurück ins Büro kam, musste ich den Spott meiner Kollegen über mich ergehen lassen. Nur Schmidtchen hielt sich zurück.

      »Man beachte den leicht schielenden Blick meiner Gattin«, tönte Hinnerk. »Demnach muss es mehr als ein Schnaps gewesen sein, den sie konsumiert hat.«

      »Stehen ihr aber gut die leicht geröteten Wangen«, meinte Heiko. »Leider gibt es für diese Art von Schielen keine Brillen.«

      »Sagt mal, euch geht’s wohl nicht gut? Ich werde den Teufel tun und mich während der Dienstzeit besaufen. Ich habe gerade mal einen Magenbitter getrunken. Der geht als Medizin durch.«

      »Du bist immer wieder süß, wenn du dich aufregst, weil man dich aufgezogen hat«, sagte Hinni.

      »Die Süße wird gleich mächtig sauer. Hauptsache ihr habt euren Spaß …«

      Eine Antwort wurde verhindert, weil das Telefon läutete und ich abhob.

      »Voss, LKA. Was gibt’s?«, fragte ich wie üblich.

      »Tamara Liebscher vom K33 der Direktion 1. Guten Tag, Frau Kollegin. Wir haben uns bei dem Fall des Märchenmörders* kennengelernt. Erinnern Sie sich?«

      *siehe Band 14 „Es war einmal …“

      »Ja, natürlich. Wie könnte ich den jemals vergessen? Zum Glück kommt es selten vor, dass ein Kollege sich als Serienmörder entpuppt.«

      »Nun ja, Kollege …«, sagte Tamara Liebscher etwas peinlich berührt. »Er war ja kein Hauptkommissar oder Kommissar, sondern Polizeimeister. Trotzdem hat der Fall hohe Wellen geschlagen. Sein Freund und Kollege Wendland, dem man nichts nachweisen konnte, hat sich zu einer anderen Dienststelle versetzen lassen. Das konnte ihm keiner verübeln … Warum ich anrufe … Sie haben doch da den Fall der alten Frau, die in Moabit in ihrer Wohnung zu Tode gequält wurde …«

      »Woher wissen Sie? Wir sind erst gestern zum Tatort gerufen worden. Der Fall ist so frisch, dass er noch nicht in der Datenbank auftaucht.«

      »Ich weiß. Mein Bruder arbeitet auf dem Revier in der Perleberger Straße. Der hat mir davon erzählt. Diese Art von Brutalität ist zum Glück nicht alltäglich. Und jetzt werden wir zu einer weiblichen Leiche gerufen, bei der die Umstände ähnlich gelagert sind. Die junge Frau muss unerträgliche Qualen erlitten haben. Ich dachte, vielleicht wollen Sie dabei sein, wenn wir zum Tatort fahren. Herr Heller, den Sie ja auch schon kennen, wird auch dabei sein.«

      »Ja, gern. Und wo wäre das bitte?«

      »In der Schönerlinder Straße in Französisch Buchholz. Das ist ein Ortsteil von Pankow, also unsere Zuständigkeit. Es handelt sich um eine verlassene Autowerkstatt, die hinter Büschen liegt, aber von der Straße aus gut erkennbar ist. Es ist die ungefähre Hausnummer …«

      »Danke, wir sind gleich da. Bis dann!«

      Ich hatte das Telefon auf laut gestellt, damit die Kollegen mithören konnten.

      »Emsig, die Kollegen der Direktion 1, wenn es darum geht, Arbeit abzugeben«, sagte Heiko. »Hoffentlich ist es nicht wieder blinder Alarm, wie seinerzeit in der irakischen Botschaft. Da gab es zwar eine Tote, aber die war nur ein Junkie und konnte nicht dem Märchenmörder zugeordnet werden.«

      »Du widersprichst dir gerade gewaltig, mein Lieber. Wie hättest du es denn nun gern? Dass wir noch mehr Arbeit kriegen oder es wiederum nicht in unseren Zuständigkeitsbereich gehört?«, fragte ich grinsend.

      »Du immer, und deine Spitzfindigkeiten. Ich meine ja nur«, stotterte Heiko.

      »Komm, du kannst dich selbst überzeugen. Die Kollegen vom K33 kennst du ja schon.«

      »Hinnerk auch. Vielleicht will er lieber?«

      »Ist schon in Ordnung. Ich beschäftige mich derweil mit unserer Datenbank. Vielleicht finde ich ähnliche Fälle. Macht nur!«

      »Toll, wir haben noch nicht mal richtig angefangen mit dem Fall von gestern. Und schon gibt es einen neuen. Und vermutlich wieder so ein durchgeknallter Irrer. Uns bleibt wirklich nichts erspart.«

      »Ja, man hat’s nicht leicht. Aber leicht hat’s einen«, sagte Hinnerk.

      »Hinni, noch so ein Spruch, und ich fange an zu schreien«, beschwerte ich mich.

      »Du lutsch lieber ein Pfefferminz, damit die Kollegen nicht denken …«

      Mein Schlag kam so unerwartet, dass Hinnerk den Satz nicht beenden konnte.

      »Jetzt seht ihr mal, was ich durchmache«, feixte er. »Alki und Schlägerin dazu.«

      »Komm, Heiko, bevor ich richtig zuschlage.«

      Wir waren kaum zehn Minuten unterwegs, als sich mein Handy bemerkbar machte. An der Nummer erkannte ich, dass es Karen war.

      »Mama, das ist jetzt ganz schlecht. Wir stecken bis über beide Ohren in Arbeit.«

      »Ist es bei dir jemals anders? Ich möchte dich nur bitten, heute Abend kurz vorbeizukommen. Es ist wichtig, was ich dir zu sagen habe.«

      »Eigentlich passt mir das heute gar nicht. Aber wenn es so wichtig ist … Willst du mir nicht sagen, worum es geht?«

      »Nein, das möchte ich nicht am Telefon. Also, bis später!«

      »Meine Mutter macht mal wieder Druck«, sagte ich zu Heiko, als ich aufgelegt hatte. »Bei ihr klingt es immer wie ein Befehl, wenn sie eine Bitte äußert.«

      »Sie weiß doch, wie es bei uns zugeht. Demnach brennt


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