Unvergängliches Blut - Sammelband. S.C. Keidner
du vor mir sterben wirst?«
»Nein, nein!« Er lachte leise. »Es ist nur: Niemand kann sagen, wie lange wir leben werden, Rodica. Sollen wir uns etwa nicht lieben, weil einer von uns vor dem anderen sterben kann? Uns in ›was-ist-wenn‹ Debatten verstricken, anstatt unsere Liebe zu leben?«
»Nein, natürlich nicht. Aber es macht es nicht einfacher.« Sie sah ernst zu ihm auf. »Es sind so viele Dinge, die sich uns in den Weg stellen. Du bist ein Vampir, ich ein Mensch, eine Sklavin. Du kannst sehr lange leben, mein Leben ist begrenzt. Und ich werde dir keine Kinder schenken können.«
»Nun, das ist nicht unbedingt richtig. Du könntest vielleicht ein Kind von mir bekommen. Es passiert manchmal. Es gibt Mischlinge.«
»Ja, Ewige. Die Vampire töten Ewige. Ihr Blut ist giftig.«
»Das ist eines der Gesetze, die Zelinkan und ich ändern wollen.« Er legte den Kopf schief und musterte sie. »Haben wir eine ›was-ist-wenn‹ Debatte?«
»Wir werden sie immer wieder haben, Maksim. Es wird für uns nicht einfach sein.«
»Nein, das wird es nicht. Aber wir werden es meistern, gemeinsam.«
Ein Räuspern unterbrach sie. Emese stand in der Tür. »Der Herr möchte euch sprechen, junger Herr. Er befindet sich im Kaminzimmer.«
Er erhob sich. »Danke, Emese. Bleibst du bei Rodica?«
»Natürlich. Ich kümmere mich um sie.«
Kapitel 19
An Emeses abgehackten Bewegungen erkannte sie, dass ihre Ziehmutter aufgebracht war. Sie räumte einige Kleidungsstücke in die Kommode und schloss die Schublade mit einem lauten Knall. Dabei murmelte sie vor sich hin.
»Emese, was ist los?«, fragte sie und setzte sich vorsichtig auf. Der Raum schwankte ein wenig, aber der Schwindel legte sich wieder.
»Ach, es ist diese Inam und was sie dir angetan hat. Ich komme gerade von Delia. Sie ist empört und hat mit dem Herrn gesprochen. Hätte Zelinkan das Flittchen nicht schon nach Hause geschickt, dann hätte Alaric es getan.« Emese wandte sich ihr zu. Ihre Stimme wurde lauter. »Aber ... es ist auch das mit dir und dem jungen Herrn. Was hast du dir dabei bloß gedacht? Ein Liebesverhältnis mit Maksim?«
»Es … es war doch nicht geplant«, stotterte Rodica. Sie war nicht darauf vorbereitet, ihre Liebe zu Maksim Emese gegenüber zu verteidigen. »Wir haben uns ineinander verliebt, das ist alles.«
»Wieso bist du nicht mit Andrei zusammengeblieben? Dann wäre all das nicht passiert!«
»Aber es ist doch nicht meine Schuld! Ich kann nichts für meine Gefühle. Und Maksim nichts für die seinen!«
»Ich hoffe nur, dass diese Verliebtheit jetzt vorbei ist. Ein Mensch und ein Vampir, das geht nicht, Rodica! Gut, der junge Herr hat damals dein Leben gerettet und er ist attraktiv. Aber zu dir gehört ein Mensch, ein junger Mann, mit dem du eine Familie gründen kannst!«
»Aber ich liebe Maksim! Ich will keinen anderen!«
»Papperlapapp! Du bist jung, da verrennt man sich schon einmal. Du wirst sehen, ich habe recht. Der junge Herr wird sich eine Gefährtin suchen müssen, eine Vampirin. Aber eine anständige, nicht so eine wie dieses Flittchen. Schmeißt sich ihm mit nacktem Busen an den Hals, hat man so was schon gehört?! Und du wirst dir einen netten jungen Mann suchen.«
»Emese, ich liebe Maksim!«
»Kind, du weißt gar nicht, was Liebe ist. Ja, du bist verliebt, aber das geht nicht«, wiederholte Emese hartnäckig. »Ein Vampir! Schlag ihn dir aus dem Kopf, bevor noch mehr passiert! Vazha sagt das übrigens auch. Menschen und Vampire gehören nicht zusammen, nicht so.«
»Aber, Emese ‒!«
»Kein Aber! Jetzt schläfst du ein wenig. Wenn du aufwachst, wird es dir besser gehen. Dann kannst du klarer denken und du wirst mir recht geben!«
Rodica sank erschöpft in die Kissen zurück. Wenn Emese in dieser Stimmung war, konnte man auch mit einer Wand reden. Oder einem Baum. Das Ergebnis war dasselbe.
Ihre Ziehmutter schüttelte das Kissen auf und deckte sie sorgfältig zu, bevor sie den Raum verließ und Rodica mit ihren aufgewühlten Gefühlen allein war. Wenn das der Anfang all ihrer Schwierigkeiten sein sollte, dann war sie sich nicht sicher, ob sie die wirklich durchstehen würde.
Kapitel 20
»Sie ist eine Sklavin, Maksim.« Alaric drehte den Weinbecher in der Hand und runzelte die Stirn.
Die in dem marmornen Kamin lodernden Flammen hatten den kleinen Raum angenehm erwärmt und spendeten ein wenig Licht. Das hohe Regal mit den in Leder gebundenen Büchern, die mit dicken Kissen gepolsterte Bank unter dem Erkerfenster und die Gemälde an den Wänden lagen im Halbdunkel.
»Das weiß ich. Aber ich liebe sie.«
»Irgendwann wirst du eine Gefährtin brauchen, um die Erbfolge zu sichern.«
»Vater, wir sind unsterblich! Es kann hunderte von Wintern dauern, bis ich die Herrschaft von dir übernehmen muss. Und das auch nur, falls du getötet wirst.« Maksim verstummte kurz und fuhr leise fort: »Ich will nur eine Gefährtin. Rodica.«
»Ein Mensch? Ich bitte dich!«, erwiderte Alaric gereizt. »Wie willst du mit ihr die Erbfolge sichern? Falls ihr überhaupt ein Kind haben würdet, dann würde es getötet werden! Wie es das Gesetz vorsieht.« Er fuhr sich müde mit der Hand über die Augen. »Ich kann dich ja verstehen. Rodica ist ein hübsches und aufgewecktes Mädchen. Aber ihr katapultiert euch ins Unglück! Unsere Gesellschaft ist nicht reif für so etwas.«
»Dann müssen wir unsere Gesellschaft reifen lassen! Das ist doch genau das, was Zelinkan und ich wollen, die Gleichstellung der Menschen! In allen Bereichen!«
»Neue Gesetze zu erlassen ist das Eine. Die Akzeptanz dieser Gesetze etwas vollkommen Anderes.« Alaric hob abwehrend die Hand, als Maksim sprechen wollte. »Du weißt, ich halte nichts von Liebschaften mit Menschen. Wir sollten unter unseresgleichen bleiben. Aber es ist nicht verboten. Ich werde dir daher nicht befehlen, diese Beziehung zu beenden. Du bist ein Mann, ein Krieger, und musst selbst wissen, was du tust. Nur: Du wirst irgendwann in die Lage kommen, dir eine Gefährtin wählen zu müssen. Eine Vampirin. Eine Liebschaft mit einer Sklavin ist da nicht hilfreich.«
»Ich will nur Rodica«, entgegnete Maksim dickköpfig. »Falls ich mir wirklich eine vampirische Gefährtin nehmen müsste, dann muss sie Rodica akzeptieren. Meine Gefährtin wird wissen, dass wir nicht aus Liebe sondern aus politischer Notwendigkeit zusammenkommen.«
»Aha.« Alaric sah ihn scharf an. »Diese Sache, Inams Reaktion, hat dir nicht gezeigt, wie diese Dinge enden können?«
»Inam! Ich hoffe, du hast sie nicht wirklich als meine Gefährtin in Erwägung gezogen!«
»Bei den dunklen Göttern, nein! Mein Einverständnis hättest du nie bekommen. Ich sage nur, dass auch eine geeignete Frau ähnliche Gefühle gegenüber einer Geliebten haben wird.« Alaric leerte seinen Becher. »Und hast du dich schon einmal gefragt, was es für deine politischen Ambitionen bedeutet, in eine Liebschaft mit einer Sklavin verwickelt zu sein?«
Kapitel 21
Rodica stand schon in der nächsten Nacht wieder auf. Sie war noch ein wenig wackelig auf den Beinen, aber, so sagte sie zu der besorgten Emese, sie könne am Tisch in der Küche sitzen und das Gemüse mit ihrer gesunden Hand schneiden.
Als sie Pastinaken zerkleinerte, damit Emese sie in einem Topf mit Brühe zu Suppe verarbeiten konnte, sprachen sie nicht über die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Emese hatte ihren Teil gesagt und ging davon aus, dass sie recht behalten und Rodicas Verliebtheit sich erledigt hatte. Rodica hingegen hatte nicht vor, ihre Ziehmutter vom Gegenteil zu überzeugen. Sie liebte Maksim