Unvergängliches Blut - Sammelband. S.C. Keidner

Unvergängliches Blut - Sammelband - S.C. Keidner


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darüber, dass sie auf einem Pferd saß und den beschwerlichen Weg nicht zu Fuß machen musste. Nachdem sie zwei Tage und Nächte weder gegessen noch getrunken hatte, fühlte sie sich schwach. Vielleicht war es das Beste, der Tod durch Verhungern und Verdursten. Sie hatte alles verloren und wollte lieber sterben, als zur Sklavin zu werden.

      Die Vampire wählten dieses Mal eine Ruine als Nachtquartier aus, die von Bäumen und Sträuchern umgeben war. Das Dach war eingestürzt und die grauen Steine der Mauern ragten in den heller werdenden Himmel. Ein zerbrochenes Mühlrad hing im Wasser des Flusses. Sie rasteten in einem der alten Kellerräume, in dem es muffig roch.

      Tarans Beine gaben nach, als sie ihre Fesseln lösten und sie vom Pferd zogen.

      »Was ist mit der Ewigen los?«, fragte Kemp stirnrunzelnd.

      Ihr Bewacher zuckte uninteressiert mit den Schultern. »Weiß nicht.«

      »Hat sie was gegessen oder getrunken?«

      »Glaub nicht.«

      »Du verdammter Schwachkopf!«, brüllte Kemp und riss Taran am Arm hoch. »Wie sollen wir sie an Raiden Tyr verkaufen, wenn sie verhungert oder verdurstet? Und du, komm mit!« Er schleppte sie durch die Bäume zum Flussufer, warf sie ins Wasser und watete hinter ihr hinein. »Du wirst essen und trinken, wenn wir es dir sagen, verstanden?« Er packte ihren Kopf und drückte ihn ins eiskalte Nass.

      Wasser lief ihr in die Nase und den Mund, erstickte den Schrei, den sie ausgestoßen hatte. Sie bekam keine Luft, ruderte panisch mit den Armen. Sie musste atmen, ihre Lunge wollte schier bersten. Sie schluckte Wasser und atmete es ein. Ihr wurde schwarz vor Augen.

      Kemp zog sie hoch. Taran hustete, sog pfeifend die Luft ein.

      »Ob du das verstanden hast?«

      Ihr Magen verkrampfte sich. Er war das kalte Wasser nach so langer Abstinenz nicht gewöhnt. Sie würgte.

      Kemp tauchte sie noch einmal unter. In Todesangst krallte sie ihre Finger in seine Arme, sog wieder Wasser ein, sah die Luftblasen, die ihr Kampf verursachte, nach oben steigen. Sie wurde hochgezogen, würgte und spuckte, atmete dankbar die Luft ein.

      »Ob du das verstanden hast?«

      »Ja«, krächzte sie. Alles, nur nicht ins Wasser getaucht werden.

      »Ja, was?«

      »Ja, Herr.« Es war ihr gleich. Sie wollte atmen.

      Kemp zog sie zur Ruine zurück und warf ihr Brot hin. »Iss das!«

      Sie gehorchte. Ihr Körper zitterte, die Luft war kalt und ihr nasses Nachtkleid hing klamm an ihr. Erst als sie aufgegessen hatte, wandte sich Kemp an ihren Bewacher, der mit dümmlichem Gesicht daneben gestanden hatte. »Du sorgst gefälligst dafür, dass sie trinkt und isst, verstanden? Und gib ihr eine Decke. Eine Ewige mit Lungenentzündung ist weniger wert als eine ohne.« Am nächsten Abend rächte sich ihr Bewacher für den Anraunzer, indem er die Fesseln, die sie auf dem Pferd hielten, so festzurrte, dass sie ins Fleisch schnitten.

      Ihr Weg führte sie weiter am Fluss entlang. Es war nach Mitternacht, als sie die Pferde in ein Seitental lenkten, das von einem schroffen Berggipfel überragt wurde, auf dem der ewige Schnee im Mondlicht glitzerte.

      Vor ihnen lag eine kleine Festung. Sie hatte einen Turm und eine Wehrmauer. Als sie durch das offen stehende Tor ritten, konnten sie ein lang gezogenes Hauptgebäude sehen, an das sich ein Stall, Schuppen und Werkstätten schmiegten. Vampire mit wachsamem Blick und den Händen an den Schwertern kamen ihnen entgegen. »Was wollt ihr?«, fragte einer.

      Kemp deutete auf die Gefangenen. »Ich verkaufe Blutsklaven.«

      Der Mann trat näher. »Lass sehen.«

      Die Vampire nahmen Gregorius und den anderen die Fesseln ab und hießen sie absteigen.

      »Und die da?«, fragte der Mann mit einer Kopfbewegung in Tarans Richtung.

      »Die steht nicht zum Verkauf.«

      Der Mann zuckte mit den Schultern und begann mit der Musterung der Gefangenen. Gregorius musste den Mund öffnen, als seine Zähne geprüft wurden. Joleans langes Haar wurde mit einem beifälligen Nicken bedacht, genauso wie die Armmuskeln der drei älteren Männer. Niemand wehrte sich gegen diese entwürdigende Prozedur. Kemp und seine Männer hatten, was Gehorsam anging, ganze Arbeit geleistet.

      »Die sehen nicht schlecht aus«, sagte der Mann schließlich. »Es wird immer schwieriger, gute Sklaven zu finden. Die beiden«, er deutete auf Gregorius und die stämmige Irma, »die können nicht nur Blut geben, sondern auch schwere Arbeiten verrichten. Was willst du für alle zusammen?«

      »Zwei Goldstücke pro Sklave.«

      »Zwei Goldstücke!« Der Mann lachte. »Ich gebe dir ein halbes für jeden.«

      »Du hast selbst gesagt, dass es sich um gute Ware handelt. Nun gut, weil du sie mir alle abnimmst: Ein Goldstück pro Sklave.«

      »Einverstanden. Lass mich das Gold holen.«

      So kam es, dass Gregorius und die anderen auf der Festung in dem Seitental des Bergflusses zu Sklaven wurden. Als Taran mit den Wajaren zum Tor hinausritt, schlurfte er, eskortiert von seinen neuen Besitzern, mit hängenden Schultern ins Gebäude. Sie empfand bei seinem Anblick nichts mehr. Ihre Gefühle für den Jungen mit den weizenblonden Haaren waren an der grausamen Wirklichkeit zerbrochen.

      Kapitel 5

      Vier Nächte nach Gregorius Verkauf standen sie auf einer Bergkuppe und sahen auf eine Burg, die auf einem Höhenzug auf der anderen Seite eines tief eingeschnittenen Tals thronte.

      Nachdem sie die Festung Berko Sahades verlassen hatten, waren sie dem Fluss tiefer in die Berge gefolgt. Das Fortkommen wurde einfacher. Die Felsen der Schlucht wichen zurück, wurden zu sanft ansteigenden Hängen, die hoch über ihren Köpfen in Geröll und Fels und schließlich in ewigen Schnee übergingen. Der Fluss schlängelte sich durch den Talgrund, mit üppigen Wiesen zu beiden Seiten, über die sie im Galopp hinwegfegten. Als der Fluss zum Bach wurde, bogen sie in finstere Täler mit dichten Urwäldern ab, in denen mehr als einmal Bären, Füchse und sogar Wölfe ihren Weg kreuzten. Es folgten Aufstiege auf Hochebenen, deren Ränder steil abfielen und über die der kalte Nebel kroch, wenn sie sich am frühen Morgen in Höhlen zurückzogen. Über all dem wachten die schwarzen Bergriesen mit ihren schneebedeckten Kuppen, die sich in einer unendlichen Abfolge bis zum Horizont erstreckten.

      Taran hatte gewusst, dass das Qanicengebirge riesig war, doch die Gewaltigkeit der Berge, wie sie sie jetzt erlebte, erschlug sie. Sie bezweifelte, dass man jemals aus ihnen hinausgelangte, ganz gleich, wie weit man ritt. Selbst die Grasländer, die ihr so grenzenlos vorgekommen waren, erschienen ihr nun wie eine Lichtung inmitten eines großen Urwalds. Dies war das Land der Stämme, über dem Raiden Tyr herrschte und das zu ihrem Gefängnis werden sollte. Der Gedanke flößte ihr Angst und Entsetzen ein, doch es gab kein Entrinnen. Ihr Schicksal rückte mit jedem Schritt des Pferdes unaufhaltsam näher.

      Im Laufe des Ritts waren die Sklavenjäger unruhig geworden. Sie rissen zotige Witze über die Frauen auf Burg Tyr, mit denen sie liegen wollten, und tauschten sich über Blutsklaven aus. Die Gier in ihren Augen war unübersehbar. Taran war zum ersten Mal seit der grausamen Wendung ihres Schicksals froh, eine Ewige zu sein. Sie war sich sicher, dass sie erleiden würde, was die Wajaren den Frauen und Sklaven auf der Burg zudachten, wäre sie kein Mischling mit tödlichem Blut. Gleichzeitig wuchs ihre Anspannung. Was wollte Raiden Tyr von ihr, dass er so viel Gold für sie bezahlen würde? Ihr Blut tötete Vampire, also konnte sie nicht zur Blutsklavin gemacht werden. Vielleicht würde er sie als Arbeitssklavin kaufen. Doch warum hatten sie die Wajaren dann nicht schon zusammen mit den anderen an diesen Berko Sahade verkauft? Nichts, was Kemp oder einer der Wajaren sagte, konnte diese Fragen beantworten.

      Nun standen sie hier und blickten auf Burg Tyr. Die mächtigen Mauern aus schwarzem Stein waren uneinnehmbar auf steil abstürzenden Felsklippen erbaut. Hohe Türme ragten in den klaren Nachthimmel. Auf ihnen flackerten Lichter, Feuerkörbe, die den


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