Unvergängliches Blut - Sammelband. S.C. Keidner

Unvergängliches Blut - Sammelband - S.C. Keidner


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deutete er auf einige der jüngeren Frauen und Männer, unter ihnen Gregorius. »Die da.« Als er sprach, blitzten seine Fangzähne im Feuerschein auf.

      Seine Männer packten die so Ausgewählten grob und fesselten sie. Gregorius setzte sich nicht zur Wehr. Seine Züge waren erstarrt. Serpil hingegen, ein schmächtiger Mann, versuchte, schützend vor seine Tochter zu treten. »Nein! Nicht Irma! Bitte, seid gnädig!«, flehte er.

      Einer der Reiter knurrte ungehalten und zückte sein Schwert. Es zischte durch die Luft, durchschnitt Serpils Hals. Die Siedler schrien auf, als sein Kopf mit grotesk aufgerissenem Mund ins Gras fiel. Irmas Gesicht verzerrte sich in einem stummen Laut der Fassungslosigkeit und des Entsetzens. Jetzt wehrte sich niemand mehr und auch einige der Männer begannen zu weinen.

      »Sollen wir ein paar Kinder mitnehmen, Kemp?«, fragte einer der Reiter.

      Die Siedler stöhnten entsetzt auf. Frauen und Männer zogen ihre Kinder noch enger an sich.

      »Nein. Die würden uns nur aufhalten und bringen nicht viel ein.« Der Anführer, Kemp, musterte die Siedler weiter. »Die da noch.« Er deutete auf drei Männer, einer davon Cailinas ältester Bruder. »Nicht als Blutsklaven, aber die können arbeiten.«

      Ein Reiter kam auf die Lichtung, Rodica vor sich im Sattel haltend. Ihr Kleid war aufgerissen und ihr Körper von Bisswunden übersät. Der Reiter warf sie zur Erde, wo sie leblos und mit seltsam verdrehten Gliedern liegen blieb.

      Taran schrie entsetzt auf. »Mutter!«

      Kemp beugte sich über Rodica, hob ihren Kopf an und ließ ihn wieder fallen. »Du Schwachkopf!«, fuhr er den Reiter an. »Die hätten wir gut verkaufen können!«

      Der Reiter grinste. »Es gibt genug hier, die wir verkaufen können. Ich brauchte etwas Entspannung.« Er fasste sich in den Schritt und machte eine anzügliche Bewegung mit der Hüfte. Die Vampire grölten.

      »Mutter! Nein!« Taran bäumte sich auf, doch der Mann hinter ihr ließ sie nicht los. Tränen der Verzweiflung rannen ihr die Wangen hinunter.

      Kemp deutete auf sie. »Die kommt auch mit. Sie sieht mir wie eine gute Blutsklavin aus. Das reicht dann für heute Nacht. Für mehr Sklaven haben wir nicht genug Pferde.«

      »Ich bin schon gespannt, wie du schmeckst«, raunte der Mann, der Taran hielt, heiser. Er roch nach Schweiß und Pferd. »Wie alt bist du? Neunzehn, zwanzig? Genau das richtige Alter, würde ich sagen.«

      »Worauf wartet ihr? Nährt euch!«, befahl Kemp. »Wir müssen bald aufbrechen, wenn wir die erste Höhle noch vor Sonnenaufgang erreichen wollen.«

      »Na, also«, flüsterte der Mann hinter Taran.

      Er umklammerte sie noch fester, bog ihren Kopf und strich ihr langes Haar beinahe zärtlich zur Seite. Sie stöhnte gequält auf, ihr fassungsloser Blick auf den reglosen Körper ihrer Mutter gerichtet.

      »Ruhig, meine Schöne.« Er lachte. Dann spürte sie mit einem unwirklichen Gefühl des Grauens Zähne auf ihrer Haut. Ein scharfer Schmerz am Hals.

      Alles verschwand, Rodicas Körper, die verängstigten Siedler, die Vampire. Bilder stürzten auf Taran ein, eine verwirrende Abfolge von Geschehnissen. Erst war es ein Junge, dann ein Mann. Es gab Bilder von Schlachten, von Blut. Von Morden, Plünderungen und Schändungen. Von Frauen. Von Burgen auf nebligen Gebirgszügen. Von Ritten durch Urwälder. Das Mädchen, das auf dem Pferd vor ihm sitzt, er beißt in ihren Hals, er trinkt ihr Blut, aber es verbrennt ihn, er brüllt die unerträglichen Schmerzen hinaus in die Welt, ...

      Die Bilder versanken vor dem Hintergrund der brennenden Hütten und der in Hälse und Handgelenke von schluchzenden und schreienden Siedlern verbissenen Vampire.

      Ein silbriger Staub hatte sich auf sie und die Mähne des nervös tänzelnden Pferdes gelegt. Niemand hielt sie mehr. Sie glitt vom Pferd, sank zu Boden. Die Schläge ihres rasenden Herzens dröhnten in ihren Ohren. Ihre Hand fuhr zitternd an die brennende Bissstelle am Hals. Als sie sie zurückzog, hingen tiefrote Blutstropfen an ihren Fingerspitzen.

      »Was zur Hölle ...?!«

      Taran sah benommen hoch. Die Wajaren ließen einer nach dem anderen von den Siedlern ab und versammelten sich um sie, riesige Männer, die sie drohend anstarrten.

      Kemp ging vor ihr in die Knie und fasste sie hart am Kinn, zwang sie, ihn anzusehen. »Das gibt es doch nicht!«, flüsterte er.

      Sie machte eine schwache Bewegung, um seine Hand abzuschütteln, doch er hielt sie fest. »Eine Ewige!« Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Eine verdammte Ewige!«

      Ein Raunen ging durch die Vampire. Im Gegensatz zu ihrem Anführer grinsten sie nicht.

      »Töte sie!«, verlangte einer aufgebracht. »Sie hat Agnar umgebracht!«

      »Ja! Aber wir sollten vorher unseren Spaß mit ihr haben!«

      »Das is’ ‘ne Ewige! Ich rühr’ die nich’ an!«

      »Was denn? Ist doch nur das Blut, das gefährlich ist!«

      »Woher will’ste das wissen?«

      »Haltet eure Fressen!«, brüllte Kemp. Augenblicklich legte sich Stille über die Vampire.

      »Eine Ewige.« Kemp ließ endlich ihr Kinn los und erhob sich. »Dich werden wir teuer verkaufen.«

      »Aber, Kemp! Sie hat Agnar umgebracht!«

      »Agnar war ein Idiot.« Ein gieriger Ausdruck war in Kemps Augen getreten. »Raiden Tyr wird viel Gold für sie bezahlen. Hölle, wie lange schon ist er auf der Suche nach Ewigen! Er hat jedes Menschenweib auf seiner Burg besprungen, um einen zu zeugen! Jetzt, wo er sich mit Hilfe der Insignien zum Herrscher gemacht hat, wird er uns viel Gold für einen geben! Die hier ist mehr wert als der ganze Haufen da!«

      »Ehrlich?«, fragte einer staunend und begutachtete Taran wie eine Attraktion im Kuriositätenkabinett eines Jahrmarkts.

      Kemp nickte bekräftigend. »Ja, die ist was wert. Fesselt sie und bringt sie zu den anderen Sklaven. Sobald sich alle genährt haben, reiten wir los.«

      Einer der Räuber, ein dürrer hoch aufgeschossener Mann mit ungepflegtem Haar, räusperte sich. »Kemp«, sagte er. Seine tiefe und wohltönende Stimme passte so gar nicht zu seiner dünnen Gestalt. »Du willst tatsächlich zu Raiden Tyr?«

      »Natürlich. Wie sonst soll ich ihm die Ewige verkaufen?«

      »Na ja, nach der Schlacht im letzten Herbst dachte ich, dass wir ‒.«

      »Tyr hat die Schlacht gewonnen, oder? Auch ohne uns! Er wird sich die Finger nach der Ewigen lecken und uns reich entlohnen! Jetzt fesselt sie endlich und nährt euch!«

      Taran wehrte sich nicht mehr, als ein grobschlächtiger Mann sie hochzog und ihr ein Seil um die Handgelenke wickelte. Er zerrte sie zu den Pferden, auf denen Gregorius und die anderen schon festgebunden worden waren.

      »Hoch mit dir!« Er griff Taran an der Hüfte und hob sie auf den Rücken eines Schimmels, als wäre sie nicht schwerer als eine Feder. Der Sattel hatte einen hohen Knauf, an dem der Mann das Seil festzurrte, das er um ihre Hände geschlungen hatte. »Und mach keine Dummheiten, verstanden? Du tust, was wir sagen«, sagte er warnend. Er nahm den Zügel des Tiers und band ihn hinter dem Sattel eines anderen Pferdes fest, auf das er sich dann schwang.

      Taran zitterte noch immer. Sie konnte nicht erfassen, was geschehen war. Mutter! Sie drehte sich um, versuchte, einen Blick auf die am Boden liegende Gestalt zu erlangen, doch die Vampire und ihre Pferde schirmten sie wie eine Mauer ab. Sie öffnete den Mund, um nach ihr zu rufen. Ein belegtes Krächzen bahnte sich seinen Weg durch ihre Kehle. »Mutter«, flüsterte sie heiser.

      Das Pferd tat einen Schritt vorwärts. Taran keuchte leise auf. Sie würden sie von hier wegbringen. Ins Qanicengebirge. Zu Raiden Tyr.

      »Nein.« Sie zerrte kraftlos an dem Strick, aber weder ihr Bewacher noch einer der anderen Vampire beachteten sie. »Bitte, nein!« Verzweifelt sah sie sich um, suchte nach einem


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