2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov

2145 - Die Verfolgten - Katherina Ushachov


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Mittzwan­zi­gers auf­tauch­te.

      »Mr Pre­si­dent, Sir. Ein Vor­fall in Gor­don Ci­ty er­for­dert Ih­re per­sön­li­che Auf­merk­sam­keit, wir ver­mu­ten einen Mu­tan…«

      Riú ließ den jun­gen Mann gar nicht erst aus­re­den – Ad­rena­lin ström­te durch sei­ne Adern und has­tig wisch­te er den Vi­deo­an­ruf vom Bild­schirm. Na end­lich, wur­de auch Zeit! Er schlug mit der Faust auf den Tisch, ehe er so schnell auf­sprang, dass sein Bü­ro­stuhl kra­chend zu Bo­den fiel. Riú ach­te­te nicht dar­auf und eil­te in die klei­ne Kom­man­do­zen­tra­le im Ne­ben­raum.

      Es gab nur drei Din­ge, die al­le Ka­me­ras in je­dem Raum der Welt ak­ti­vier­ten: Ein­bre­cher, un­ge­wöhn­lich vie­le Leu­te in ei­nem Raum oder je­mand hat­te auf den Am­bu­lanz­knopf ge­drückt. Und sein As­sis­tent hat­te be­reits das Zau­ber­wort ge­sagt.

      Mu­tan­ten.

      Als er in der Kom­man­do­zen­tra­le ein­traf, lief die Über­tra­gung der Über­wa­chungs­ka­me­ras be­reits auf der Smart­wall.

      »Gut, dass Sie da sind.« Der jun­ge As­sis­tent sprang von sei­nem Platz und bot ihm sei­nen Stuhl an. »Die au­to­ma­ti­schen Luft­ana­ly­sen ha­ben im Zim­mer des Mäd­chens die ty­pi­sche Hor­mon­zu­sam­men­set­zung ei­nes Mu­tan­ten­an­griffs fest­ge­stellt, und schau­en Sie …«

      Der Stream ei­ner der Ka­me­ras war mit ei­nem ro­ten Kreuz mar­kiert, von die­sem Raum aus hat­te al­so je­mand ei­ne Am­bu­lanz ge­ru­fen.

      Riú tipp­te das Sym­bol an und er­hielt die Po­si­ti­ons­aus­wer­tung – Gor­don Ci­ty, das Haus der Fa­mi­lie Spring­field, dort das Zim­mer der Toch­ter des Hau­ses, Va­len­ti­ne. Er drück­te auf einen an­de­ren Knopf, der es ihm er­mög­lich­te, drei zu­sätz­li­che Über­wa­chungs­ka­me­ras zu ak­ti­vie­ren und ih­re Auf­nah­men par­al­lel ne­ben­ein­an­der an­zei­gen zu las­sen.

      Al­le vier Ka­me­ras zeig­ten ihm einen jun­gen Mann mit lan­gen blon­den, blut­ver­schmier­ten Haa­ren. Er stand vor der Lei­che der Toch­ter des Hau­ses und hat­te den Fin­ger auf dem Knopf.

      Riú griff zum UniCom und wähl­te ei­ne nur ihm be­kann­te Num­mer. »Mor­man­nin, ei­ne Mu­tan­ten-Raz­zia nach Gor­don Ci­ty, Pre­si­dent Street 11, das Haus der Spring­fields.«

      Ge­nie­ße­risch lehn­te er sich zu­rück, um das Schau­spiel zu be­ob­ach­ten und spür­te, wie sich ein Lä­cheln in sein Ge­sicht stahl. Das wa­ren die Mo­men­te, für die Riú leb­te.

      Bart Mor­man­nin hat­te sei­ne Leu­te über­all. Die Mu­tan­ten­jagd muss­te lus­tig wer­den. Vi­el­leicht soll­te er sich Pop­corn brin­gen las­sen?

      4. Avriel Adamski – Gordon City – 07.07.2145

      Blitz­schnell zog der gan­ze Tag an ihm vor­über, wäh­rend er wie in Zeit­lu­pe sei­nen Fin­ger vom Knopf lös­te.

      »Still, willst du er­schos­sen wer­den?« Das hat­te Va­len­ti­ne ge­sagt, und nun war sie tot und er ein Mör­der, ein Ge­jag­ter. Was soll­te er nur tun?

      Ei­nes wuss­te Avri­el: Er woll­te le­ben, doch wenn man ihn hier er­wi­schen wür­de, sä­he es düs­ter für ihn aus. Er woll­te weg­ren­nen, aber sei­ne Bei­ne ge­horch­ten ihm nicht und er starr­te geis­tes­ab­we­send auf das Blut an sei­nen Hän­den. Wie in Tran­ce nahm er ein Pa­pier­ta­schen­tuch aus sei­ner Ho­sen­ta­sche und wisch­te sich da­mit, so gut es ging, das Blut aus dem Ge­sicht und von den Hän­den.

      Das war ein Alb­traum, oder? Das ge­sch­ah nicht wirk­lich. Nicht mit ihm. Er war Pa­zi­fist, das wi­der­sprach al­lem, was er je ge­dacht hat­te, das …

      Der Klang fer­ner Si­re­nen riss ihn aus sei­nen Ge­dan­ken.

      Has­tig schau­te er sich um, drück­te dem leb­lo­sen Mäd­chen einen Kuss auf das Haar, öff­ne­te das Fens­ter, klet­ter­te auf das Fens­ter­brett und vi­sier­te be­reits den Baum an, als er einen großen Wa­gen er­blick­te.

      Der Wa­gen kam vor Va­len­ti­nes Haus zu ste­hen und sei­ne Schein­wer­fer tauch­ten die Um­ge­bung in grel­les Licht. Drei Ärz­te stürm­ten aus dem Wa­gen.

      Avri­el drück­te sich in den Schat­ten und mach­te sich so klein wie mög­lich. Wenn das Schein­wer­fer­licht ihn trä­fe, müss­ten sie ihn ent­de­cken.

      Ein Arzt zück­te ein Plas­tik­kärt­chen und schritt ge­nau­so mü­he­los durch die Ein­gangs­tür wie zu­vor Avri­el.

      Er spür­te, wie sein Ver­stand er­neut ge­gen­über sei­nen In­stink­ten kläg­lich ver­sag­te, wie Ad­rena­lin sei­ne Au­gen un­wahr­schein­lich scharf mach­te … Er sah je­den ein­zel­nen Ast, je­des Blatt, je­de Blat­tader … und sprang.

      Der Ast fe­der­te un­ter ihm und er hielt sich krampf­haft fest. Was, wenn die Ärz­te ihn be­merk­ten und ihm nachsa­hen?

      Dumpf hör­te er das Stamp­fen ih­rer Schrit­te.

      An den Ast der al­ten Ei­che ge­klam­mert, fühl­te er sich auf be­kann­tem Ter­rain – schließ­lich wa­ren Va­len­ti­ne und er als Kin­der oft ge­nug auf die­sem Baum her­um­ge­klet­tert, wenn sie in ih­rem Baum­haus ge­spielt hat­ten. Un­ge­fähr auf der Hö­he ih­res Zim­mer­fens­ters spal­te­te sich der Baum in zwei Stäm­me auf, zwi­schen de­nen sich das klei­ne Holz­häus­chen per­fekt ein­füg­te.

      Vor­sich­tig robb­te er so laut­los wie mög­lich über den di­cken Ast, zog sich lang­sam an der Holzwand des Häu­schens hoch und über­blick­te sei­ne Mög­lich­kei­ten: im Schat­ten des Baum­hau­ses ent­lang und dann wei­ter zur He­cke des Nach­barn, der am Grund­stücks­rand ei­ne jun­ge Bal­samtan­ne mit dich­ten Äs­ten ge­pflanzt hat­te. Ei­ne an­de­re Wahl blieb Avri­el nicht. Er pack­te einen Ast über sei­nem Kopf und han­gel­te sich, so schnell er konn­te, ans an­de­re En­de des Baum­hau­ses. Flüch­tig sah er sich um. Von sei­nem Stand­ort aus konn­te er Va­len­ti­nes Fens­ter nicht mehr er­ken­nen und hoff­te, dass auch er so­mit für die Ärz­te im Haus nicht zu se­hen war.

      Aber wie lan­ge wür­den sie noch dort be­schäf­tigt sein?

      Avri­el tas­te­te sich an den Äs­ten ent­lang nach un­ten und streck­te sich, bis er fes­ten Bo­den spü­ren konn­te. Lang­sam und vor­sich­tig lös­te er sei­nen Griff und sprang ins Gras.

      Er hielt sich nah am Bo­den und kroch zur He­cke.

      Wenn die Spring­fields kein Loch in ih­rem Be­wuchs hat­ten, wür­de sein Plan nicht funk­tio­nie­ren – und dann?

      Ei­lig fuhr er mit den Hän­den durch die Zwei­ge, such­te nach ei­ner Lücke, die groß ge­nug für ihn war.

      Da­bei stö­ber­te er ir­gend­wel­che Tie­re auf, die ra­schelnd da­v­ons­to­ben. Hof­fent­lich hat­ten die Nach­barn der Spring­fields kei­nen Hund …

      End­lich fand er ei­ne Lücke, die breit ge­nug war, um sei­nen Kopf hin­durch­zu­ste­cken. Er leg­te sich flach auf den Bauch und ver­brei­ter­te sie so gut es ging mit den Hän­den.

      Trotz­dem zer­kratz­ten ihm die Zwei­ge beim Durch­schlüp­fen auf das Nach­bar­grund­stück Ge­sicht und Ar­me, ris­sen ihm Lö­cher in die Klei­dung und hät­ten ihn bei­na­he sei­nen lin­ken Schuh ge­kos­tet.

      Müh­sam zwang sich Avri­el, auf­zu­ste­hen und drück­te sich eng an


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