2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov

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saß.

      Im Schutz der Tan­ne schlich er zum Haus und um­run­de­te es, sprang über den Zaun und schnapp­te sich sein Rad. Nichts wie weg!

      5. Allegra – Atlanta – 07.07.2145

      Sehn­süch­tig blick­te Al­le­gra nach drau­ßen, auf die Wie­se vor dem Wai­sen­haus. Jetzt, da es lang­sam Abend wur­de, spür­te sie, wie sie wie­der zu den Le­ben­den zu­rück­kehr­te.

      Das At­men fiel ihr nicht mehr so schwer wie in der Glut­hit­ze des Ta­ges, ih­re Ge­dan­ken wa­ren nicht mehr so ver­ne­belt. Wenn sie nicht wüss­te, dass man sie in we­ni­gen Stun­den ins Bett schi­cken wür­de, hät­te sie gu­te Lau­ne. So aber schob sie ihr Abendes­sen lust­los auf ih­rem Tel­ler hin und her.

      »Was wird das, wenn es fer­tig ist?« Miss Brown bau­te sich vor ihr auf.

      Al­le­gra blick­te sie un­schul­dig an. »Ich weiß nicht, was Sie mei­nen.«

      »Dein Es­sen wird mit Steu­er­gel­dern be­zahlt. Wenn du es nicht auf­isst, dann wan­dert es in den Müll. Ist es das, was du willst? Dass un­se­re Steu­er­gel­der in den Müll wan­dern?«

      »Na­tür­lich nicht, Miss Brown.« Was war das für ei­ne dum­me Fra­ge?

      »Dann iss auf.«

      »Na­tür­lich, Miss Brown.« Al­le­gra roll­te mit den Au­gen. Sie konn­te sich nicht vor­stel­len, dass Geld be­son­ders gut schmeck­te.

      Abstrak­te Din­ge hat­ten oh­ne­hin kei­nen Ge­schmack.

      6. Riú Gordon – Washington D.C. – 07.07.2145

      Es war im­mer wie­der über­ra­schend, wie gut sich der an­er­zo­ge­ne An­stand der Leu­te ge­gen sie selbst nut­zen ließ. Riú kann­te kei­nen ein­zi­gen Fall ei­nes Mu­tan­ten­an­griffs durch Ju­gend­li­che, bei dem sich der Schul­di­ge nicht selbst ans Mes­ser lie­fer­te.

      Es war lä­cher­lich ein­fach. So­bald sie be­grif­fen, was sie ge­tan hat­ten, drück­ten sie al­le auf den Am­bu­lanz­knopf oder rie­fen über ih­ren UniCom Hil­fe. Oh­ne zu wis­sen, dass von die­sem Au­gen­blick an al­les mit­ge­schnit­ten wur­de, was um sie her­um ge­sch­ah.

      So auch in die­sem Fall.

      Riú starr­te so an­ge­strengt auf die Auf­nah­men, dass sei­ne Au­gen zu trä­nen be­gan­nen. Er blin­zel­te ei­ni­ge Ma­le hef­tig und rieb sich mit dem Han­drücken übers Ge­sicht.

      Jetzt nur nicht im ent­schei­den­den Mo­ment mü­de wer­den.

      Ner­vös blick­te er auf die Ka­me­ra-Stre­ams, von de­nen der jun­ge Mann auf ein­mal ver­schwun­den schi­en. Wi­der bes­se­res Wis­sen war er für einen Au­gen­blick ge­neigt, an den Blöd­sinn zu glau­ben, dass Mu­tan­ten sich un­sicht­bar ma­chen konn­ten. Doch so­fort schüt­tel­te er den Kopf. Als er da­mals Fa­bri­cia mit den Vor­ur­tei­len ge­gen­über Mu­tan­ten kon­fron­tier­te, hat­te sie ihn laut und schal­lend aus­ge­lacht, weil er an so einen Un­fug glaub­te. Er muss­te die Ur­sa­che in den Auf­nah­men su­chen.

      Jetzt be­reu­te er, sei­nen As­sis­ten­ten weg­ge­schickt zu ha­ben. So muss­te er selbst mit den Da­tei­en han­tie­ren, statt die Show zu ge­nie­ßen.

      Riú spei­cher­te mit ei­ni­gen ge­üb­ten Hand­be­we­gun­gen die Auf­nah­men aus dem Haus der Spring­fields und öff­ne­te sie. Mit ei­ner leich­ten Berüh­rung sei­nes Dau­mens spiel­te er die Da­tei­en in Zeit­lu­pe ab, und voilà …

      Das Fens­ter im Zim­mer des Mäd­chens stand of­fen und ein trotz mo­d­erns­ter Ka­me­ras leicht un­schar­fes Bild zeig­te ihm einen Mu­tan­ten, der ge­nau 00:03:34 nach Auf­nah­me­be­ginn auf das Fens­ter­brett sprang und un­mit­tel­bar da­nach ver­schwand.

      Aber wo­hin war der Mu­tant ge­flo­hen?

      So­fort woll­te er die Bil­der der Au­ßen­ka­me­ras ab­ru­fen, um ge­nau das her­aus­zu­fin­den, doch ihn emp­fing ei­ne knall­ro­te, blin­ken­de Feh­ler­mel­dung im Kon­troll­pa­nel. Die Feh­ler­be­schrei­bung of­fen­bar­te ihm, dass schon letz­te Wo­che je­mand den Au­ßen­ka­me­ras von Gor­don Ci­ty den Saft ab­ge­dreht hat­te – und an­schei­nend hat­te sich im­mer noch nie­mand die Mü­he ge­macht, den Scha­den zu re­pa­rie­ren, ob­wohl er höchst­per­sön­lich die un­miss­ver­ständ­li­che An­wei­sun­ge ge­ge­ben hat­te, Stö­run­gen an Über­wa­chungs­ge­rä­ten um­ge­hend zu be­he­ben!

      Er tipp­te ge­gen die Smart­wall. »Wel­chem Coun­ty ge­hört Gor­don Ci­ty an?«

      »Gu­ten Abend. Gor­don Ci­ty ge­hört zu DeKalb Coun­ty. Kann ich wei­ter be­hilf­lich sein?«

      Die KI hat­te ei­ne an­ge­neh­me Stim­me, aber ihm wä­re es lie­ber, sie hät­te nichts ge­sagt.

      »Fa­bri­cia, ru­fe den Coun­ty Exe­cu­ti­ve an.«

      »Ich ru­fe den Coun­ty Exe­cu­ti­ve von DeKalb Coun­ty an. Rich­tig?«

      »Rich­tig.« Er stütz­te ge­nervt das Ge­sicht in die Hän­de. KI stand für künst­li­che In­tel­li­genz, aber das Pro­gramm müss­te in dem Fall KD hei­ßen. Künst­li­che Dumm­heit. Nicht zu ver­glei­chen mit den As­sis­ten­ten aus sei­ner Stu­di­en­zeit.

      Im­mer­hin war das Pro­gramm schlau ge­nug, sich durch­zu­wäh­len, oh­ne ihn nach wei­te­ren De­tails zu fra­gen. Nach­dem nie­mand ans Bü­ro­te­le­fon ging, rief es di­rekt beim Coun­ty Exe­cu­ti­ve zu Hau­se an.

      »Mr Green?« Riú schiel­te auf das Pro­fil, das Fa­bri­cia, wie er sei­ne KI in ei­nem sen­ti­men­ta­len An­fall ge­nannt hat­te, für ihn ne­ben den An­ruf­in­for­ma­tio­nen ein­blen­de­te.

      »Wer ruft an? Es ist Fei­er­abend. Wenn das ein Streich ist …«

      »Riú Gor­don. Aus dem Wei­ßen Haus.«

      »Ent­schul­di­gen Sie bit­te, Sir, Mr Pre­si­dent, ich …«

      »Mr Green, wie­so sind die Au­ßen­ka­me­ras an den Ge­bäu­den in Gor­don Ci­ty ka­putt und das seit vier Wo­chen?«

      »Seit vier … Das ist nicht mög­lich. Die Au­ßen­ka­me­ras in Gor­don Ci­ty sind längst re­pa­riert.«

      »Soll mei­ne Of­fi­ce Ma­na­ge­rin ent­spre­chen­de Be­wei­se zu­sam­men­stel­len und Ih­nen zu­kom­men las­sen, Mr Green?« Er lä­chel­te.

      »Ich … wer­de das über­prü­fen. Soll ich zu­rück­ru­fen, Mr Pre­si­dent?«

      »Le­gen Sie nicht auf. Ich war­te.«

      »Ich wer­de mich be­ei­len.«

      Riú hör­te den Mann hek­tisch mit Pa­pie­ren ra­scheln, Schub­la­den zu­knal­len und dann ab­ge­hackt tip­pen. Ver­mut­lich ein­hän­dig.

      Stil­le.

      »Mr Pre­si­dent?«

      »Ich hö­re.«

      »Ich weiß nicht, wie das pas­sie­ren konn­te, aber das Geld für die Re­pa­ra­tur der Ka­me­ras … Es ist mir sehr un­an­ge­nehm.«

      »Was?«

      »Laut mei­nen Un­ter­la­gen soll­ten sie längst re­pa­riert wor­den sein. Aber of­fen­sicht­lich ist das nicht ge­sche­hen. Ich weiß nicht, wo­hin die Staats­gel­der da­für


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