So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker
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„Ein richtiger Fuchsbau, dieses Haus“, meinte der Sergeant, nachdem sie das düstere Treppenhaus von Nummer 19 betreten hatten. „In jeder Etage vier Appartements, rechts und links Verbindung zu den Nummern 17 beziehungsweise 21, drei Hinterhöfe, zwei Rückgebäude und eine Hofbaracke. Wenn ich zu bestimmen hätte — also ich würde mich schleunigst zurückziehen, Sir, und mit einer größeren Streitmacht wiederkommen.“
„... und inzwischen wäre der Vogel auf und davon, wie?“
Hulbert zuckte schweigend die Achseln. Taggart zeigte sich selten unbelehrbar und eigensinnig, aber wenn schon, dann aus ganzem Herzen.
„Ein Gesetz müsste es geben, das den nachträglichen Einbau eines Lifts in solche Häuser vorschreibt“, nörgelte der Sergeant, als sie die fünfte Etage erreicht hatten und, tief Luft holend, auf dem abgeschabten Läufer stehen blieben. Taggart gab ihm keine Antwort, sondern versuchte die Türschilder zu entziffern:
„P. Ezzard — Maisie Nicholls — G. Tresk, hab ihn schon!“ Er drückte auf den Klingelknopf.
Nach einer ganzen Weile erst wurden drinnen schlurfende Schritte laut. Die Beamten postierten sich so, dass der Öffnende sie vorher nicht sehen konnte.
Die Schritte kamen näher und machten halt, zögernd öffnete sich die Appartementtür.
„Ja?“, fragte eine Stimme. Das eine Wort genügte, um Taggart davon zu überzeugen, dass er einen gebildeten Mann vor sich hatte.
Hulbert stieß die Tür mit einem einzigen kräftigen Ruck auf, sodass der Mann im Korridor zurücktaumelte und einen zornigen Protestruf ausstieß.
„Mister Tresk?“, fragte der Inspector.
„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“, bellte der andere ihn an, ein statiöser Mann Ende vierzig in einem legeren Pfeffer-und-Salz-Anzug. Er war nicht sonderlich groß, hatte aber breite Schultern und muskulöse Arme. Sein gut geschnittenes, kantiges Gesicht wirkte brutal und intelligent. Das linke Augenlid flatterte ein wenig.
„Scotland Yard — Inspector Taggart!“ Taggart zeigte seine Marke vor. Er deutete auf seinen Begleiter. „Sergeant Hulbert.“
„Die Herren wünschen?“, fragte sein Visavis unbewegt, aber um vieles höflicher.
„Sie sind Mister Gordon Tresk?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Mister Tresk ist heute Morgen nach Paris geflogen, Sir.“
„Und wer sind Sie?“
„Ich heiße...“ — der Mann zögerte sekundenlang — „... Eliah Fitzherbert.“
„Schön, Mr. Fitzherbert: Können Sie sich ausweisen?“
„Sicher!“
„Darf ich bitten?“
„Muss meinen Ausweis erst holen.“
„Dürfen wir eintreten?“
„Wenn Sie mir den Hausdurchsuchungsbefehl zeigen, Sir!“
Jetzt hatte es Taggart satt. Ohne Fitzherbert noch Beachtung zu schenken, wandte er sich an Hulbert. „Bleiben Sie hier, Sergeant, in fünf Minuten schicke ich Ihnen drei Mann Verstärkung. Folgen Sie dem Herrn auf Schritt und Tritt, sofern er die Wohnung verlässt. Ich bin in anderthalb Stunden mit der richterlichen Verfügung zurück.“
„Sehr wohl, Sir!“
Fitzherbert sah recht missvergnügt drein und gab zögernd die Tür frei. „Machen Sie doch nicht so ein Affentheater, Inspector, kommen Sie schon rein!“
„Und warum nicht gleich so?“
Fitzherbert blieb Taggart die Antwort schuldig.
*
Das Herrenzimmer war geräumig und überraschend hoch. Die aus afrikanischem Nussbaumholz gefertigten Möbel mochten eine Unsumme gekostet haben. Durch das nachträglich eingebaute Drehflügelfenster konnte der Inspector bis nach Hammersmith und Chiswick hinübersehen.
Fitzherbert deutete verdrossen auf die beiden Ledersessel hinter dem Rauchtisch. „Nehmen Sie Platz, meine Herren!“ Er selbst setzte sich hinter den Schreibtisch, der über Eck dem Fenster schräg gegenüberstand.
Taggart fixierte den Mann unauffällig. Er hätte darauf schwören mögen, dass Fitzherbert in Eton oder einer ähnlichen feudalen Schule erzogen worden war. Einen gewöhnlichen Verbrecher hatte er nicht vor sich.
„Darf ich fragen, in welcher Eigenschaft Sie sich hier aufhalten, Mr. Fitzherbert?“, eröffnete er das Verhör. „Nicht wahr, Fitzherbert war doch der werte Name, Josias Fitzherbert?“
„Stimmt!“
„Sagten Sie vorhin nicht Eliah Fitzherbert?“
„Bestimmt nicht! Ich sagte Josias.“
„Zeigen Sie mir Ihren Ausweis, bitte; ist eine reine Formsache.“
„Natürlich!“
Fitzherbert rückte ein wenig vom Schreibtisch ab und öffnete die Mittelschublade. Im nächsten Augenblick schnellte seine Hand zurück und hoch und brachte eine Parabellum-Pistole in Stellung.
Was bin ich doch heute für ein Tölpel!, dachte Taggart und ließ sich blitzschnell fallen. Dabei fand er noch Zeit, den Tisch umzuwerfen. Drei krachende Detonationen ertönten, die Geschosse bohrten sich blitzschnell ins Holz. Der ganze Raum stank nach Cordit. Hulbert stach hastig aus seiner Deckung hoch und hätte seinen Wagemut um ein Haar mit dem Leben bezahlt. Das Geschoss streifte seine gesträubten Haare, prallte gegen den Metallbeschlag des Bücherschranks und verwandelte sich in einen heulenden Querschläger.
... fünf — sechs — sieben — acht — neun ..., zählte Taggart insgeheim die Detonationen mit. Mehr als neun Schuss kann er nicht im Magazin haben. — Er federte auf, sah die Mündungsflamme. (Oh, ich Idiot! Er hatte a priori eine zehnte Patrone ins Laufmundstück geladen!), ging krachend zu Boden, schlug eine halbe Rolle, richtete sich auf und ...
Peng — peng — peng — peng ...
Der Corditgeruch wurde unerträglich. Mit einem wilden Aufschrei griff sich Fitzherbert ans Herz, drehte sich einmal um die eigene Achse und fiel haltlos mit dem Oberkörper über die Schreibtischplatte, wo er in einer sich rasch vergrößernden Blutlache liegen blieb.
Zur Salzsäule erstarrt stand Hulbert, steil aufgerichtet, hinter dem umgeworfenen Tisch. Aus dem Lauf seines Revolvers stieg ein dünner Rauchfaden zur Decke.
Mit einem Sprung stand Taggart auf den Beinen. Er eilte zum Schreibtisch hinüber, packte Fitzherberts Haare und hob den Kopf sanft an. Über der Nasenwurzel klaffte ein großes Loch ...
„Ist er ... ist... er tot...?“, hörte er eine gepresste Stimme hinter seinem Rücken fragen. Er wandte sich langsam um und nickte.
„Ja, Chris, aber machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe. Ich bin Ihr Zeuge, dass Sie in erlaubter Notwehr gehandelt haben. Wenn nicht Sie, dann hätte ich den Verbrecher erschossen. Andernfalls hätte er uns skrupellos abgeschlachtet.“
Hulbert machte eine vage Geste. „Ja, ich weiß, Sir, die juristische Seite habe ich gar nicht in Erwägung gezogen. Bloß ...“ — Er biss sich auf die Lippen.
„ ... wissen Sie, Sir: das Bewusstsein, einen Menschen mit eigener Hand getötet zu haben, ist eine entsetzliche Folter — ganz gleich, wie die Umstände liegen ...“
Mit einem Sprung stand Taggart vor seinem Sergeant, packte ihn an den Schultern, schüttelte ihn derb. „Diese Auffassung spricht mehr als alles andere für Sie, mein lieber Freund! Verlieren Sie jetzt nicht die Fassung. Was Sie getan haben, war harte Notwendigkeit. Sie haben kein menschliches und kein göttliches Gebot verletzt! —
Und jetzt rufen Sie den Yard an“, fuhr er in seinem normalen Ton fort. „Ich muss 'raus und das Volk beruhigen ...“
Im