So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker

So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker


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macht mir nicht das geringste Vergnügen, Sie zu quälen. Ich erfülle lediglich meine dienstlichen Pflichten“.

      Ihre Mundwinkel wurden sarkastisch nach unten gezogen. Sie erhob sich mit der Bemerkung, sie benötige einen kräftigen Schluck und ging zur Hausbar, um dem Entschluss die Tat folgen zu lassen.

      „Beamte dürfen im Dienst nicht trinken — wie?“, fragte sie über die Schulter. „Bringen Sie es wirklich übers Herz, platonisch zuzusehen, wie ich mir mit VAT 69 den Hals desinfiziere?“

      „Nein“, meinte der Inspector scheinbar vergnügt, „so viel Charakterstärke bringe selbst ich nicht auf. Ich dispensiere mich eben hiermit für zwanzig Minuten vom Dienst — Sie können mir unbesorgt ebenfalls ein Glas bringen ...“

      Sie wandte sich überrascht um. „Ist das Ihr Ernst?“

      „Selbstverständlich.“

      Sie sah ihn noch einmal prüfend an, dann zuckte sie die Schultern und goss zwei Gläser voll. Mit herausfordernd schwingenden Hüften kam sie an den Tisch zurück, nahm wieder Platz und schob das eine Glas dem Besucher hin. Dieser revanchierte sich mit einer Zigarette. Und dann erinnerte er sie brüsk daran, dass sie auf seine letzte Bemerkung nicht eingegangen sei.

      Sie lachte unfroh auf. „Ich dachte, Sie seien augenblicklich außer Dienst? Glauben Sie von mir aus, was Sie wollen! Ich kann nur immer wieder das gleiche sagen: Die bewusste Begegnung mit Mrs. Ashburton fand lediglich in Stanleys Fantasie statt.“

      „Dann bleibt mir nur übrig, anzunehmen, dass Mr. Benham die Begegnung nur zu dem Zweck erfunden hat, seine eigene Mittäterschaft an Elgas Verschwinden zu tarnen.“

      Sekundenlang ruhte ein erschrockener Blick auf Taggart. Dann zuckte sie gleichmütig die Achseln. „Davon weiß ich jedenfalls nichts.“

      „Kannte eigentlich Ihr Stiefbruder die Schlossherrschaft ...?“

      „Na, Sie machen mir wirklich Spaß!“, brauste das Mädchen auf. „Mit Witz, Schläue und Tücke reißen Sie alle meine Wunden auf und gießen Salzsäure hinein!“

      „Der Gerechte muss viel leiden. Ich bin übrigens auch einer dieser Gerechten. Vergessen Sie nicht, dass ich zweimal nur wie durch ein Wunder dem Tod von Tresks Hand entgangen bin.“

      „Derek war ein verdammter Narr! Wollen Sie mir etwa seine Verfehlungen zur Last legen? Er hat teuer bezahlt, sollte man meinen!“ Eleanor sah demonstrativ auf ihre Armbanduhr. „Ich glaube, Sie müssen Ihren Besuch allmählich beenden. Ich habe eine Verabredung.“

      Taggart erhob sich. Er versuchte seinen Ärger zu verbergen. „Wissen Sie, was mir so ganz besonders an Ihnen gefällt?“, fragte er grimmig. „Dass Sie nie brutal und offen sind, sondern Unangenehmes zart durch die Blume andeuten. Womit ich die Ehre habe, mich zu verabschieden!“

      Eleanor lachte hell auf.

      Gedankenvoll verließ Inspector Taggart das Haus und ging langsam zu seinem Wagen zurück. Hart war dieses Mädchen, hart wie feinster Kanonenstahl, und gab niemandem eine Chance, über ein oberflächliches Vorpostengeplänkel hinauszukommen. Nur mit allergröbstem Geschütz schien ihr beizukommen zu sein. Leider stand es im Moment Taggart noch nicht zur Verfügung. Aber er schwor sich, es bedenkenlos einzusetzen, sobald sich die Lage verändert hatte.

      VIII

      Raymond Taggart bewohnte seit Jahren in einem alten Haus am Cumberland Square ein luxuriöses Junggesellenappartement, das er sich freilich nicht hätte leisten können, wenn er allein auf sein Inspectorengehalt angewiesen gewesen wäre. Er hatte eine anstrengende Woche hinter sich und nicht minder anstrengende Tage vor sich und deswegen war er am Samstagabend bereits gegen acht Uhr zu Bett gegangen, um möglichst auf Vorrat zu schlafen.

      Als er erwachte, wusste er nicht, was ihn aus dem Schlaf geschreckt habe. Gewohnheitsmäßig warf er einen Blick auf die Armbanduhr, die er vom Handgelenk abzunehmen vergessen hatte, und stellte fest, dass es eben zweiundzwanzig Uhr geworden war. Er lauschte. In dem alten Haus war es ganz still. Nur einige Möbel, deren Holz sich in nächtlicher Kühle zusammenzog, knackten leise und erzeugten ein spukhaftes Geräusch.

      Obwohl ihm im Allgemeinen atavistische Regungen fremd waren, machte ihn das Knacken und Knistern allmählich nervös. Er erhob sich geräuschlos, schlüpfte in seine Pantoffel und nahm seinen griffbereiten Hausmantel um. Er packte Taschenlampe und Pistole und trat einen Inspektionsgang an — obwohl er sich im nächsten Augenblick einen hirnlosen Neurotiker schimpfte. Auf Zehenspitzen durchquerte er das Zimmer und öffnete lautlos die Tür. Überall verschluckten dicke Teppiche seine Schritte.

      Im Wohnzimmer war weder etwas Verdächtiges zu hören noch zu sehen. Der schwere rote Vorhang vor dem geöffneten Fenster wurde vom Wind sanft bewegt. Taggart trat zum Fenster, teilte den Vorhang und warf einen langen Blick hinaus. Er bemerkte die Standlichter eines schräg gegenüber abgestellten Wagens.

      Achselzuckend trat er zurück und wandte sich um.

      Im nächsten Moment hörte er aus dem Korridor Geräusche, die sein Interesse sowie seinen Verdacht weckten. Sie machten vor der Tür halt.

      Unwillkürlich fasste der Inspector die Pistole fester. Der Eindringling musste jetzt genau vor der Tür stehen.

      Lange Sekunden vergingen, ehe ein leises Quietschen ertönte und die Tür vorsichtig geöffnet wurde.

      Mit dem Rücken zum Fenster blieb Taggart stehen. Obwohl er keine weiteren Geräusche hörte, fühlte er körperlich, dass er nicht mehr allein im Zimmer war.

      Taggart hielt den Atem an und hob vorsorglich die Pistole.

      Die Person, die sich mit ihm im Zimmer befand, verstand es meisterhaft, sich geräuschlos zu bewegen. Ein einziges Mal nur vernahm der Inspector Atemzüge. Dann vergingen Sekunden, bis sich der andere endlich dazu entschloss, behutsam zur Schlafzimmertür zu schleichen. Jetzt sah Taggart ihn als nebulösen Schatten, der sich niederkauerte, durchs Schlüsselloch zu starren schien, sich hernach wieder aufrichtete und eine Weile lauschte, ehe er es wagte, leise die Tür zu öffnen und ins Schlafzimmer einzudringen.

      Nun begann sich auch Taggart lautlos zur Tür hin zu bewegen. Langsam und behutsam hob er den ausgestreckten linken Arm, ertastete den Kippschalter und legte den Hebel um. Licht flammte auf.

      Der Eindringling stieß einen entsetzten Schrei aus, federte herum und starrte zitternd in die auf ihn gerichtete Pistolenmündung.

      „Hände hoch!“, befahl der Inspector ohne jede Erregung.

      Der andere gehorchte sofort — immer noch von Entsetzen übermannt. Er mochte etwa fünfunddreißig sein, war dicklich-muskulös, und trug sein rötliches Haar zu einem sogenannten Rasierpinsel verschnitten. Seine großen Ohren standen grotesk vom Kopf ab. Das Gesicht war grob aber nicht dumm und wies außer dem der Furcht keinerlei Ausdruck aus.

      „Zur Wand!“, befahl Taggart eisig. „Lass die Hände brav oben, stütz dich mit ihnen von der Wand ab, tritt danach drei Schritt zurück und spreiz die Beine!“

      Es klappte wie am Schnürchen. Widerspruchslos brachte sich der Fremde in eine hilflose Lage.

      Taggart trat rasch näher, bohrte dem Zitternden von hinten die Pistolenmündung gegen die Nieren und tastete ihn ab. Die Ausbeute war bestürzend, wenn auch nicht informativ:

      Etwas Kleingeld, zwei neue Zehn-Pfund-Noten und ein geladener Webley & Scott-Revolver, den der Mann in einem improvisierten Brustholster getragen hatte. Ausweis oder Dokumente, die seine Identifizierung ermöglicht hätten, fehlten.

      Taggart straffte sich. „Ich bin Inspector Taggart von Scotland Yard, was Ihnen keine Neuigkeit sein dürfte. Ich verhafte Sie wegen unbefugten Waffenbesitzes und beschuldigte Sie gleichzeitig des Hausfriedensbruchs. Bleiben Sie so stehen, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.“

      Rückwärtsgehend trat Taggart zum Einbauschrank, öffnete ihn, ohne den Verhafteten aus den Augen zu lassen, und tastete sich mit der linken Hemd an einen Koffer heran, dessen


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