Final Game. Valuta Tomas
Kopf gegen sämtliche Wände schlagen.« Dem letzten Satz gibt Jessica einen lachenden Unterton, damit er nicht ganz so bitter wirkt, wie er klingt. Es scheint auch zu wirken. Sam lacht.
Froh darüber Sam zum Lachen gebracht zu haben, gleitet Jessicas Hand noch immer über ihren Rücken. Es tut ihrer Freundin gut, es beruhigt sie. Dennoch können beide das Unvermeidliche nicht aufhalten. Sams Gedanken schweifen zu ihrer Frau ins Krankenhaus. Ungewollte Tränen treten in ihre Augen. Das Weinen bricht unaufgefordert aus ihr heraus. Hilflos vergräbt Sam ihr Gesicht in den Händen. Innerlich zerbrochen schüttelt sie den Kopf.
»Ich ertrage den Gedanken einfach nicht, Jessica. Ich versuche es so sehr, aber ich kann ohne Neve nicht sein. Die Kinder … .« Der Rest erstickt in Sams Tränen. Beschützend zieht Jessica Sam an sich heran, legt die Arme um sie, hält sie fest und wiegt sie in Sicherheit. Hilfesuchend und weinend klammert sich Sam wie ein kleines Kind an Jessica heran.
Nichtsahnend dreht sich Laura verschlafen im Bett um. Sie sieht die beiden Freundinnen, bleibt aber sonst regungslos.
»Es tut mir leid, Jessica. Es tut mir alles so leid«, weint Sam in ihren Armen.
»Egal was du meinst, Sam, es ist … .« Jessica will ihre Freundin eigentlich von ihren verworrenen Gedanken abbringen, aber die Südländerin scheint wieder mal ihren eigenen Weg zu gehen.
»Es tut mir leid, dass du all die Jahre mit meinem Hass dir gegenüber leben musstest. Es tut mir leid, dass ich Neve nicht geglaubt habe, weil sie sich mit dir sicher war. Es tut mir auch leid, dass ich dich im Krankenhaus so angegriffen habe. Ich war völlig überfordert und verstand nicht weshalb Neve diese Entscheidung traf. Es hatte absolut nichts mit dir zu tun.«
»Sam.« Jessica hebt Sams Gesicht und schaut ihr direkt in die Augen.
»Danke«, bremst die junge Frau sie plötzlich aus. Verwirrt schaut Jessica sie an.
»Wofür?«
»Für deine Kraft. Für deine Zuversicht. Für deine Stärke und dafür, dass du für Neve die Verantwortung übernommen hast, weil ich es nicht kann.« Beschwichtigend lächelt Jessica. Für sie ist das alles eine Selbstverständlichkeit. Es geht hierbei schließlich nicht nur um Neve. Es geht um so vieles mehr und da macht sie keine Abstriche.
Dankbar und voller Vertrauen betrachtet Sam Jessicas Gesicht, bis sie ihr sanft über die Wange streicht.
»Du bist wirklich unglaublich, weißt du das eigentlich?« Schlagartig verändert sich Jessicas Mimik. Bevor ihr aber sämtliche Gesichtszüge entgleiten, lehnt sich Sam zu ihr hinüber und küsst sie vorsichtig. Sie drückt mit diesem Kuss ihr Vertrauen und ihre Dankbarkeit aus. Sie will Jessica das Gefühl von bedingungsloser Zuversicht und uneingeschränktem Glauben in ihre Fähigkeiten geben. Sie will, dass Jessica weiß, dass sie ihr ebenso vertraut wie Laura oder Neve. Dass es keine Mauern mehr zwischen ihnen gibt. Weder jetzt, noch in Zukunft.
Von daher löst sie sich von Jessica, schaut ihr in die Augen und küsst sie erneut.
***
Brummend fuchtelt Jessica am nächsten Morgen in ihrem Gesicht herum. Das stupsen auf ihrer Nasenspitze hört auf, geht nach ein paar Sekunden aber weiter. Erneut wischt Jessica mürrisch herum. Das stupsen wird energischer.
»Man«, grummelt die ältere Frau und öffnet die Augen. Das Erste was sie sehen kann, ist Sams schlafendes Gesicht. Jessicas Augen werden von ganz alleine riesig. Hinter Sam schaut Laura sie wach und mit einem funkelnden Schalk in den Augen an. Diese macht dann nur noch eine weisende Kopfbewegung zur Tür.
Entgeistert blickt Jessica zu Sam zurück. Die Südländerin schläft tief und fest und bemerkt nicht, wie die beiden Frauen fast bewegungslos zuerst das Bett und danach das Schlafzimmer verlassen. Kaum zieht Laura die Tür leise hinter sich zu, schlägt sich Jessica die Hände vor den Mund. Fassungslos starrt sie ihre Frau mit großen Augen an.
»Scheiße, was habe ich getan?«, nuschelt sie in ihre Hände. Sie wird tatsächlich blass im Gesicht. Lächelnd schüttelt Laura den Kopf.
»Nichts Falsches, keine Sorge, Schatz.« Erschüttert reißt sich Jessica die Hände vom Mund.
»Verdammt Laura, ich habe mit Sam geschlafen.«
»Ja und das sah unglaublich lecker aus«, grinst Laura, die daraufhin sofort einen entrüsteten Schlag gegen die Schulter bekommt.
»Hör mit dieser Scheiße auf und nimm mich ernst«, faucht Jessica gereizt.
»Das mache ich«, prustet Laura provokant. Kaum verengen sich Jessicas Augen, zieht Laura sie in ihre Arme.
»Schatz, es ist alles in Ordnung. Sam wird ein schlechtes Gewissen kriegen, ja, aber mehr auch nicht. Ihr habt nichts Falsches gemacht. Und um ehrlich zu sein, habe ich Sam seit Wochen nicht mehr so entspannt gesehen, wie letzte Nacht. Es wird ihr gutgetan haben. Sie konnte sich endlich mal wieder fallen lassen und musste nicht nachdenken oder sich Sorgen machen.« Auch wenn sie Lauras Aussage nicht so recht glauben kann, klammert sich Jessica verzweifelt in ihre Arme.
»Wie konnte das nur passieren?«, jammert sie hilflos.
»Wenn ich mich recht erinnere, hat Sam dich geküsst und … .« Wütend zwickt Jessica ihrer Frau in die Seite, die daraufhin zu kichern beginnt.
»Bring ihr später einfach einen Kaffee ans Bett und schon sieht die Welt wieder anders aus«, beschwichtigt Laura die vergangene Nacht. Gleich darauf stupst sie ihrer Frau auf den Kopf.
»Du kümmerst dich um die Mädels und ich gehe zu den Jungs. Wir haben Full House. Damon schicke ich auch gleich mit Marley raus.« Bockig schnauft Jessica, weil sie nach dieser Erkenntnis eigentlich nicht gleich wieder so eiskalt in den Alltag reingeschmissen werden wollte. Aber mit vier Kindern und einem Hund im Haushalt wird ihr wohl nichts anderes übrigbleiben.
***
Auf Zehenspitzen und mit einer Tasse Kaffee ausgestattet schleicht Jessica zwei Stunden später in das Schlafzimmer. Sam hat sich bis jetzt noch nicht blicken lassen. Sie scheint den Schlaf wahrhaftig zu brauchen.
Zaghaft setzt sich Jessica auf die Bettkante und blickt über Sams Körper, der sich wie ein Embryo zusammengekringelt hat.
Zurückhaltend hebt sie eine Hand. Sie braucht ein paar Sekunden bis sie sich dazu aufraffen kann Sam über den Arm zu streichen. Ihre Hand gleitet vorsichtig rauf und runter.
»Sam«, flüstert sie leise. Es dauert etwas bis Sam die Augen öffnet. Verschlafen blickt sie zu Jessica hinüber. Ihr Kopf beginnt zu rattern. Nachdenklich schaut sie ihre Freundin an. Sie hebt die Decke hoch und blickt drunter. Schnaufend dreht sie sich auf den Rücken, holt tief Luft und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
»Wir beide haben letzte Nacht also wirklich … ?«
»Ja.« Jessica hatte schon lange nicht mehr so einen dicken Kloß im Hals.
»Ich fürchte schon.« Sam lässt die Hände fallen. Stumm blickt sie an die Zimmerdecke. Gleichzeitig gleitet ihre Hand suchend über die Matratze. Als sie Jessicas Hand ertasten kann, greift sie danach und schlingt ihre Finger in die ihrer Freundin. Überrascht und auch etwas benommen blinzelt Jessica zu den beiden Händen hinunter.
»Laura wird es dir sicherlich schon gesagt haben, weil du dir bestimmt Vorwürfe machst. Es war aber kein Fehler, Jessica. Ich renne jetzt ein paar Tage mit einem schlechten Gewissen herum, aber das vergeht auch wieder.« Langsam dreht Sam den Kopf in Jessicas Richtung. Voller Vertrauen lächelt sie ihre Freundin an und flüstert »Danke«. Skeptisch schaut Jessica sie an.
»Irgendwie war es genau das was ich nach dieser ganzen Scheiße gebraucht habe. Es hat sich gut angefühlt und ich konnte mal aufhören zu denken.« Jessica schluckt schwer, obwohl ihr Herz vor Freude Luftsprünge macht.
»Dasselbe hat Laura auch gesagt«, lächelt sie verunsichert.
»Dann kann es doch nicht falsch gewesen sein, oder?«, lächelt Sam ungewöhnlich stark. Die Nacht scheint ihr wirklich gut getan zu haben. In Sams Augen ist wieder