Final Game. Valuta Tomas

Final Game - Valuta Tomas


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Sam kann die Anstrengung in Neves Gesicht sehen.

      Leise betritt Sam das Zimmer, begrüßt den Arzt mit einem kurzen Nicken, der das Gespräch in diesem Moment beendet. Er wirft Sam noch einen kurzen Blick zu, schaut ein letztes Mal zu den Monitoren und verlässt danach das Zimmer.

      Wie angewurzelt bleibt Sam vorerst stehen, geht dann aber näher an das Bett heran und umgreift Neves Hand. Ohne bisher Notiz von ihr genommen zu haben, blickt Neve mit kleinen aber offenen Augen zu der Zimmertür zurück. Dann entzieht sie sich der Hand ihrer Frau, indem sie ihre eigene langsam zurückzieht. Verwundert schaut Sam zu den Händen zurück, die mit einer unfassbaren Entfernung zueinander auf der Matratze liegen.

      Ist es eingetreten? Ist das passiert was ihr der Arzt nach der OP erklärt hat? Erkennt Neve sie im Augenblick noch nicht wieder? Wird sie noch ein paar Tage brauchen, bis sie weiß wer diese Frau an ihrem Bett ist? Weiß Neve überhaupt was gerade passiert?

      »Sechs Wochen.« Neves Stimme klingt ebenso leise und kraftlos wie vor ein paar Tagen, als sie ihre Tochter begrüßte. Sie legt den Kopf zur Seite und schaut Sam direkt an. Sie schaut ihr ganz genau in die Augen.

      »Sechs Wochen, Sam.« Sams Herz beginnt vor Freude aufgeregt zu hüpfen. Neve erkennt sie. Neve weiß wer sie ist.

      »Ich wollte das nicht, Sam.« Angestrengt holt Neve tief Luft. Die Beatmungsmaschine hilft ihr dabei rettenden Sauerstoff in ihre Lungen zu füllen.

      »Sechs Wochen habt ihr um mich gebangt und …«, wieder holt Neve tief Luft »und seid durch die Hölle gegangen.« Wo nimmt diese Frau nur die Kraft her, um so deutlich reden zu können?

      »Das war mein freier Wille, Sam.« Die Maschine geht ihrer Arbeit nach und transportiert Sauerstoff in Neves Körper.

      Sam kann nicht glauben, dass Neve redet. Dass sie tatsächlich so viele Sätze hintereinander aussprechen kann. Dennoch wandern ihre Augen verunsichert durch das Zimmer. Sie spürt, wie Neve ihr in diesem Augenblick den Arsch bis zum Pluto aufreißt. Sie braucht nur ein paar Worte zu nutzen und dennoch blutet Sam aus dem Arsch, wie das Wasser die Niagarafälle hinunterfließt.

      Sie sieht ein kleines Röhrchen auf dem Tisch neben Neves Bett stehen. Dort befinden sich die Überreste des Stents, der ihrer Frau eingepflanzt wurde. Das Ding was sie töten sollte. Das Ding das nur entfernt werden konnte, weil Neves Herz … . Neve weiß also was passiert ist. Dass sie ein fremdes Herz in ihrem Brustkorb trägt. Dass genau das passiert ist, was sie nicht wollte.

      »Sam, wenn das Schicksal … .«

      »Nein!« Auch wenn es das Schlimmste ist was Sam im Augenblick machen kann und tatsächlich eine Diskussion mit ihrer Frau beginnt, wagt sie diesen Schritt. Sie tritt ganz an das Bett heran, beugt sich über ihre Frau, schaut ihr direkt in die Augen und umgreift ihr Gesicht.

      »Ja, ich war egoistisch! Und ja, ich habe auch ebenso verdammt egoistisch gehandelt. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe - dass ich deinen Wunsch ignoriert habe. Aber ich konnte und wollte dich nicht gehen lassen, unter keinen Umständen. Glaube mir, dein Tod wäre für uns alle qualvoller gewesen, als die letzten Wochen.« Mit Tränenuntersetzten Augen blickt Neve zu ihr hoch.

      »Sam«, sie holt tief Luft »ich liebe dich so sehr … so sehr.« Die Maschine geht gewissenhaft ihrer Arbeit nach. Das Geräusch macht Sam nervös.

      »Aber … .«

      »Nein Neve. Ich erwarte und verlange von dir, dass du mir noch mindestens die nächsten dreißig Jahre auf die Nerven gehst. Dass du als alter, schrumpeliger, ergrauter und tattriger Greis eines natürlichen Todes stirbst. Du wirst weder durch eine Kugel, noch durch Gift, noch durch irgendetwas anderes sterben. Dafür werde ich sorgen.« Neve versucht sich unter der Maske an einem schwachen Lächeln.

      »Wann hörst du endlich auf«, sie atmet tief ein »so unmöglich zu sein?«

      »Dann, wenn du aufhörst mich zu lieben.«

      »Das wird niemals passieren.« Mit einem süßen Lächeln zwinkert Sam ihrer Frau zuversichtlich zu.

      »Dann ist das Thema hiermit beendet«, flüstert sie und haucht Neve einen Kuss auf die Stirn.

      »Ich bin so müde«, murmelt Neve leise.

      »Schlaf, ich werde bei dir bleiben.« Das letzte Wort ist noch nicht ganz ausgesprochen, da fallen Neve auch schon die Augen zu.

      Vorsichtig setzt sich Sam auf die Bettkante, streicht ihrer Frau mit einem Finger über die Stirn und beobachtet sie beim schlafen. Dass ihr Körper und ihr Verstand das Maß der Erträglichkeit erreicht haben, dass sie nichts Neues mehr aufnehmen und verarbeiten kann, merkt Sam, als sie auf dem Bett zusammensackt und in einen Weinkrampf verfällt. Ihr Kopf sinkt auf Neves Brust. Weinend vergräbt sie sich in ihrer Frau. Neve lebt. Sie ist da. Sie wird bei ihr bleiben. Sie wird sie bis zum letzten Tag begleiten … .

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