Ich werde dich umbringen: Zwei Kriminalromane. Alfred Bekker

Ich werde dich umbringen: Zwei Kriminalromane - Alfred Bekker


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sagte Isa: „Komm, lass uns reingehen! Es war doch richtig, dass ich dich nicht gekannt und nicht geduzt habe?“

      „Goldrichtig, Isa. Je weniger Kollegen wissen, dass wir uns von früher kennen, desto besser. Und mein Chef weiß auch nicht, dass und wie wir uns in Lanzarote getroffen haben. Es geht ihn auch nichts an.“

      Sie kniff ihm ein Auge zu, drehte sich um und öffnete die Tür. „Gut, dass du gekommen bist, von Kollegen wie Rotter und Kowalski hätte ich mich nicht länger beschützen und belästigen lassen.“

      „Wusstest du, dass ich komme?“

      „Ja, der Kowalski hat fast pausenlos mit seinem Chef in Wiesbaden telefoniert. Aber nun komm!“

      Er schaute ihr nach und hielt sie an der Schulter fest, weil sie merkwürdig steif und humpelnd ging und dabei wie angetrunken schwankte: „Sag mal, ist was mit deinen Gelenken? Oder mit deinem Becken?“

      „Nein, keine Angst. Ich trage nur so eine dicke gefütterte kurze Hose, weißt du, wie die Torleute beim Eishockey.“

      „Wer hat dir denn das sexy Wäscheteil verpasst?“

      „Eine Kollegin von dir.“

      „Eine Kollegin? Wann und wo, Isa?“

      „Sie hieß Senta Stolze und hat mich mit Rotter in das Haus gebracht, das dann abgebrannt ist. Wir haben uns darüber unterhalten, wie man mich am besten verstecken kann, und da meinte sie, sie würde mir eine Perücke besorgen und meine Figur so verändern, dass mich kein Mensch mehr an meiner äußeren Erscheinung und an meinen Bewegungen erkennen würde.“

      „Das ist ihr gelungen. Ich habe dich eben auch nicht erkannt.“

      „Und dabei habe ich nicht einmal meine höchst elegante neue Brille aus echtem Fensterglas getragen. So, so, nicht erkannt, ich fühle mich auch scheußlich und hässlich in dem Ding. Und an Perücken bin ich auch nicht gewöhnt. Durst?“

      „Schon, aber Alkohol ist für mich verboten, bis ich dich heil abgeliefert habe.“

      „Aber ich werde mir nach diesem stinklangweiligen Tag einen Wein gönnen. Sag nichts und denk' daran, man muss aussagebereite Zeugen bei Laune halten.“

      Er konnte auch gar nichts sagen, weil in der Minute eine auffällig große Drohne so niedrig über sie hinwegdröhnte, dass sogar die Fensterscheiben leise klirrten. „Wo kommt das Ding denn her?“, sorgte sich Rudi. Sie zuckte die Achseln: „Die kurvt schon seit Mittag hier herum. Kowalski hat deswegen telefoniert, aber niemand weiß anscheinend, wem die Drohne gehört und wer sie von wo aus steuert.“

      Und die Person am Steuergerät musste das Haus sehen können, denn die Drohne kam nach einer Minute zurück und dröhnte wieder direkt über das Haus hinweg.

      Rudi sagte nichts, aber machte sich in Gedanken einen dicken Knoten ins Taschentuch. Diesen Kowalski würde er sich zur Brust nehmen, wenn er diesen Auftrag beendet hatte. Konnte der Arsch wirklich so dumm sein? Telefonierte den ganzen Tag mit seinem Handy und brachte es fertig, seiner Ablösung zu verschweigen, dass hier eine nicht identifizierte Drohne die Gegend unsicher machte? Ein Gerät, mehr als groß genug, um eine Fernsehkamera mit Sender zu tragen.

      Sie sah ihn fest an: „Schlechte Laune? Oder machst du dir Sorgen?“

      „Beides stimmt etwas,Isa.“ Sie drehte den Korken aus der Flasche und hielt ihm ein Glas hin.

      „Danke, wirklich lieber nicht.“

      „Sind wir hier nicht sicher?“

      „Doch. Zu neunundneunzig Prozent schon. Ein kleiner Rest Unsicherheit bleibt immer.“ Und bei unbekannten Drohnen am Himmel war dieser Rest sogar ziemlich groß, mit Sicherheit größer als nur ein Prozent.

      „Und was willst du dagegen tun?“

      „Wir können morgen sozusagen ins Blaue losfahren, also fliehen.“

      „Ich fürchte, das nutzt nicht viel, Rudi, er hat überall seine Leute. Viele davon kennen mich. Und die Organisation ist verdammt groß.“

      „Wer hat überall seine Leute?“

      Eine halbe Minute staunte sie ihn an. „Ullrich Schiefer“, sagt sie endlich heiser.

      „Und wer ist Ullrich Schiefer?“

      „Sag bloß, du kennst den Fall nicht?“

      „Nein. Ich weiß nur, dass du als Zeugin geladen und bedroht worden bist, damit du nicht wahrheitsgemäß aussagst.“

      Nach einer langen Pause lachte sie ungläubig. „Das ist ja goldig. Ich habe gehört, wie Ullrich Schiefer seinem Laufburschen Boris Stepkow den Auftrag erteilt hat, Ullrichs Geschäftspartner Tomasio Lucano umzulegen. Was Stepkow dann auch getan hat, und zwar so dilettantisch, dass man ihn wenig später geschnappt und zu lebenslänglich verurteilt hat. Stepkow mit seiner langen Vorstrafen-Liste ist an der Sicherungsverwahrung nur vorbeigeschrammt, weil er sich bereit erklärt hat, als Kronzeuge gegen Schiefer auszusagen.“

      „Du hast also gehört, wie Schiefer den Mordauftrag gegeben hat?“

      Sie nickte energisch.

      „In welcher Beziehung hast du denn zu Schiefer und Stepkow gestanden?“

      „Schiefer war viele Jahre mein Chef und Geliebter. Stepkow arbeitete als eine Art Laufbursche und Bote und Mann für's Grobe in der Firma Utom.“

      „Utom? Was heißt das?“

      „Ullrich Schiefer und Tomasio Lucano.“

      „Dein Chef? Dann weißt du also eine Menge über seine Geschäfte?“

      „Das darfst du laut singen, fast alles, was ich nicht selbst in der Firma erfahren oder organisiert habe, hat Schiefer mir anfangs im Bett erzählt. Er redet gerne und braucht Bewunderung.“

      „Bedroht er dich deswegen? Hat er Angst vor einer Mitwisserin?“

      „Nein, glaube ich nicht. Er weiß, dass ich im Nebenzimmer war, als er Stepkow den Auftrag zum Mord an Lucano gab; und erst dann, als Stepkow gegangen war, will Ullrich bemerkt haben, dass die Tür einen Spalt offenstand. Was zu glauben mir schwerfällt.“

      „Du meinst, er hatte das in dem Moment übersehen?“

      „Das hat er zumindest mir gegenüber behauptet.“

      „Hm hm“, machte Rudi sorgenvoll.

      „Was soll das – hm hm?“

      „Und wenn er dich zur Mitwisserin machen wollte und dir nach deiner Aussage Beihilfe vorwerfen wird? Oder von seinem Verteidiger unterstellen lässt? Denn mit deiner Aussage, dass du den Mordauftrag mit eigenen Ohren gehört hast, gibst du natürlich auch zu, dass du an dem Tatort gewesen bist. Als Mitwisserin oder Beihelferin.“

      Isa schüttelte den Kopf. „Das wird er nicht.“

      „Und warum nicht?“

      „Du fragst wie dieser Staatsanwalt Lederer.“

      „Ja? Polizisten und Staatsanwälte neigen zur selben Denke, das stimmt. Und wo hast du diesen Mordauftrag gehört?“

      „In einem Haus. Im Schlangenbad. So, und jetzt ist Schluss mit der Vernehmung einer Verdurstenden.“ Sie griff nach der Flasche und schenkte sich Wein ein. Er beobachtete sie einen Moment unschlüssig und seufzte leise. Sie wollte also nicht mehr auspacken. Deshalb stand er auf und schaltete den Fernseher an.

      Das Programm war lausig und gegen zehn Uhr ging er ins Bett, lag lange wach, weil er grübelte. In Isas Geschichte fehlte ein wichtiges Verbindungsglied. Unterstellt, die Tür zum Nebenzimmer stand tatsächlich einen Spalt offen, als Schiefer den verhängnisvollen Auftrag erteilte. Wie konnte Stepkow wissen, dass sich im Nebenzimmer die Geliebte und Mitarbeiterin seines Chefs aufhielt. Wenn er es nicht wusste, konnte sich ein alter Knastologe ausrechnen, dass seine Aussage gegen Schiefers Aussage stehen würde, wenn er bei der Polizei behauptete, sein Chef Schiefer habe ihm den Mordauftrag


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