KREATIV ARBEITEN. Uwe Hammer
uns nur ein gefährliches Halbwissen übermittelt wurde.
Aber auch tatsächliches Wissen kann unsere Fantasie stark beeinträchtigen, insbesondere wenn wir uns für Experten halten. Je mehr wir zu wissen glauben, desto weniger werden wir unser Wissen hinterfragen, und umso weniger fühlen wir uns genötigt, uns Gedanken zu machen, welche neuen Ansätze es geben könnte.
Dass wir uns nicht falsch verstehen, Fachwissen ist wichtig und meist unverzichtbar, aber es kann uns arrogant und ideenlos machen, es kann dazu führen, dass wir uns in unserem Fachwissen ausruhen und dass es uns schwer fällt an diesem Fachwissen vorbei unsere Kreativität auszuleben. Fachwissen kann zu Besserwisserei führen und je nachdem wie es präsentiert wird, kann es für andere Beteiligte eine sehr einschüchtern Wirkung haben und jede Diskussion im Keim ersticken. Wir werden uns im Kapitel „Teamarbeit“ noch damit beschäftigen
Wer kennt nicht den Satz: „Das haben wir immer so gemacht.“
Zugegeben mir ist dieser Satz auch schon über die Lippen gekommen (in diesem Fall war er natürlich absolut angebracht) und in manchen Fällen hat er auch seine Berechtigung. Kreativität sollte nicht Mittel zum Selbstzweck sein, nicht jede Idee ist sinnvoll nur weil sie neu ist. Manchmal hat das Alte, Erprobte seine Berechtigung. Aber es ist wichtig, diese immer wieder zu hinterfragen und nicht als gegebenes Naturgesetz zu interpretieren. Eventuell habe sich die Rahmenbedingungen geändert oder, es gibt neue verbesserte Verfahren oder Materialen und die alte, erprobte Lösung ist nicht mehr die Beste. Die Welt ändert sich und wir müssen uns mitändern. Flexibilität ist Voraussetzung zur Kreativität, und dazu gehört auch, Altes und Bekanntes zu hinterfragen.
Erfahrungen sind das Material, aus dem unser Ich gestaltet wird
Es gibt noch einen weiteren Grund warum wir mit dem Erwachsen werden viel unserer Kreativität verlieren, den man quasi als den natürlichen Grund ansehen kann, und der im direkten Zusammenhang mit unserer Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen steht. Es handelt sich um die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln. Um das zu verstehen, müssen wir uns ansehen, wie unser Gehirn arbeitet.
Unsere Sinnesorgane senden ca. 11 Millionen Bits pro Sekunde an unser Gehirn. Allerdings gelangen nur etwa 0.1 % dieser Datenmenge in unser Bewusstsein, denn unser Bewusstsein schafft maximal 100bit/s und das nur wenn wir in guter Form sind. In der Regel müssen wir uns eher mit 50bis/s herumschlagen. 99.9% dieser Datenflut versickert somit in unserem Unbewusstsein.
Dieser Zahlenvergleich zeigt auf, dass unser Bewusstsein im Vergleich zu unserem Unbewusstsein doch recht schlecht dasteht. Wir werden später nochmal auf diesen Punkt zurückkommen.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, wer oder was entscheidet, welche Informationen das Privileg haben in unser Bewusstsein vorzudringen. Hierfür ist ebenfalls unser Unbewusstsein verantwortlich.
Jede Information wird vom Unbewusstsein unseres Ich`s auf seine Wichtigkeit überprüft. Hierbei gibt es unterschiedliche Entscheidungsebenen.
Die erste Ebene stammt noch aus unserer grauen Vorzeit, und wird maßgeblich von unseren Instinkten beeinflusst. Es geht schlicht und einfach um unser Überleben. Unser Unbewusstsein beurteilt also zuerst, ob irgendwelche ankommenden Signale auf eine Gefahr für unser Leben hinweisen, und reagiert unmittelbar auf solche Signale indem es unsere Sinnesorgane und unsere Konzentration gezielt auf genau dieses Signal ausrichtet. Es beginnt mit der Ausschüttung von Hormonen wie Adrenalin und leitet eventuell sofort Gegenmaßnahmen wie beispielsweise einen Fluchtreflex ein.
Die Geschichte des Homo sapiens sapiens begann etwa vor
200 000 Jahre, das Leben hat sich in dieser Zeit gewaltig geändert, das Gehirn und seine Arbeitsweise aber sind weitgehend gleichgeblieben. Es war für das Überleben unserer Spezies von entscheidender Bedeutung, dass auf Gefahren schnell reagiert wurde. Beim Anblick eines Säbelzahntigers war es wenig ratsam, die auf diese Entdeckung resultierende Entscheidung lange zu überdenken, das Überleben hing von der Schnelligkeit der Reaktion entscheidend ab. Viele unserer vom unbewussten getroffenen Entscheidungen sind auch heute noch von unseren Urinstinkten geprägt. Hierzu zählen auch viele Verhaltensweise auf zwischenmenschlichem Gebiet.
Die nächste Ebene nach der unser Unbewusstes entscheidet, ist nicht mehr ganz so dramatisch, hier geht es nicht mehr um Leben und Tod. Es filtert Informationen auf Grundlagen von Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Es geht davon aus, dass Informationen die sich in unserem bisherigen Leben als wichtig herausgestellt haben, auch in diesem Moment wichtig sein könnten und gibt sie an unser Bewusstsein weiter. Daraus folgt, dass wir nur von unserem Unbewussten zensierte Informationen erhalten, und dass all diese Informationen bereits von unserem Unbewussten, auf Basis unserer Erfahrungen eingefärbt wurden. Oder wie es Douglas Adam, der Autor von „per Anhalter durch die Galaxis“ ausdrückte:
„Alles was Du siehst oder hörst, egal auf welche Weise, hörst oder siehst Du auf deine spezielle Weise. Du erschaffst Deine Welt indem Du sie wahrnimmst.“
Unsere Augen beispielsweise geben ein zweidimensionales und noch dazu auf dem Kopf stehendes Bild an unser Gehirn weiter. Erst dieses wandelt diese Informationen so um, wie wir sie zu sehen glauben. Hierbei werden Detailinformationen, von denen unser Unbewusstes ausgeht, dass sie für das Verständnis des Gesehenen nicht relevant sind, ausgefiltert, und durch Erfahrungen ersetzt. Dies führt zwangsläufig zu Fehlern beziehungsweise Fehlinterpretationen. Das ist der Grund, dass wir gerne auf optische Täuschungen hereinfallen und sich unser Gehirn, wenn es Dinge sieht, die von seinen Erfahrungen abweichen leicht täuschen lässt.
Wir sehen die Welt nicht so, wie sie wirklich ist, sondern unsere Gehirn präsentiert uns häufig die Welt, so wie es denkt, dass sie sein müsste. Das führt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch in einer anderen, von seinem Gehirn aufgrund von Erfahrungen Instinkten und Erwartungen geformten Welt, lebt.
Es fördert unsere Kreativität, wenn wir uns bewusst sind, dass unsere Welt nicht die reale Welt ist.
Unser Unbewusstes entscheidet also nicht nur welche Informationen unserer Sinnesorgane unser Bewusstsein erreicht, es hat auch einen sehr großen Einfluss auf unser bewusstes Denken, Handeln und Fühlen. Dabei wird unser Unbewusstsein maßgeblich von Erfahrungen, die wir entweder selbst gemacht haben oder die wir von anderen übernommen haben beziehungsweise die uns von anderen eingetrichtert wurde, beeinflusst.
Infolge der gesammelten Erfahrungen sind wir nicht mehr darauf angewiesen, uns die Welt mit Hilfe unserer Fantasie zu erklären, denn wir haben, oder glauben dies zumindest, für alles eine passende Antwort parat. Wie verlernen so, unsere Fantasie gezielt einzusetzen und verlieren unser Vertrauen in Bezug auf unsere Fantasie.
Das Thema Unbewusstsein wird uns später noch weiter beschäftigen, aber an dieser Stelle möchte ich auf unsere ursprüngliche Frage zurückkommen:
Warum haben wir uns von unserer ursprünglich üppig vorhandenen Kreativität entfernt?
Ursächlich hierfür sind vier Hauptaspekte:
1 Wir verlieren unsere Freiheit des Denkens, da wir Normen und Regeln unterworfen sind.
1 Wir haben gelernt vernünftig zu sein und unsere Gefühle zu unterdrücken.
1 Wir sind Teil einer Leistungs- und Bewertungsgesellschaft
1 Unser Wissen und unsere Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens angesammelt haben, macht unsere Fantasie scheinbar überflüssig.
Um unsere Kreativität zu beleben, müssen wir lernen, diese Kreativhemmer zu umgehen. In den folgenden Kapiteln werde ich Wege aufzeigen, wie dies möglich ist.
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