Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1. Hannes Wildecker

Sammelband


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und mit klappernden Absätzen und wiegendem Hinterteil stolzierte die Frau davon.

      Kerner schüttelte unverständlich den Kopf und nahm sich der Einkaufswagen an, die er in Richtung des Supermarktes schob. Kurz darauf saß er in dem kleinen Fiat und beobachtete das Wasserspiel der Waschanlage auf den Fensterscheiben des Autos.

      Er fuhr den Wagen auf den Parkplatz zurück und stellte ihn in einer freien Box ab. Die Frau hatte sich an einem kleinen Tisch niedergelassen, der gerade freigeworden war und winkte Kerner zu, der sich suchend nach ihr umsah. Er legte die Autoschlüssel vor der Frau auf dem Tisch ab und blieb abwartend stehen.

      „Setzen Sie sich. Sie haben doch Feierabend, wie ich mitbekommen habe. Nehmen Sie sich was zu trinken.“

      Als er mit einem Glas Bier zurückkam, legte die Frau ihm einen Geldschein auf den Tisch. Kerner stutzte. „Das ist doppelt so viel, wie ich für die Autowäsche ausgelegt habe“, sagte er und starrte auf den Geldschein.

      „Nehmen Sie nur“, sagte die Frau. „Ich kann es mir leisten. Sie arbeiten schon lange hier?“

      „Nicht sehr lange“, antwortete Kerner und ihm war auf einmal nicht besonders wohl. Was will die Frau von mir?

      „Was haben Sie davor gemacht? Ich meine vor dieser Arbeitsstelle hier. Sie machen mir nicht den Eindruck, dass man Ihnen keine anständige Arbeitsstelle anbieten würde.“

      Kerner schwieg. Er konnte ihr doch nicht sagen, dass er erst vor kurzem aus der Haft entlassen worden war, in der er als Schwerverbrecher 18 Jahre eingesessen hatte.

      „Sie schweigen?“, fragte die Frau amüsiert. „Ist Ihre Vergangenheit so schlimm, dass Sie nicht darüber reden wollen?“

      Kerner hob den Blick und sah der Frau direkt in die Augen. Er erschrak. Sie hatte ein sehr schönes Gesicht, blass, aber wohlgeformt mit dicken weichen Lippen und großen blauen Augen, die einen frischen Kontrast zu ihren blonden Haaren darstellten. Doch darüber war er nicht erschrocken. Es war der Blick, mit dem sie ihn ansah. Es war ein kalter, ja eisiger Blick, der ihn erschauern ließ.

      Er machte Anstalten, sich zu erheben und einfach wegzugehen. Doch der wortlose Blick der Frau fesselte ihn an die hölzerne Partybank.

      „Was wollen Sie von mir?“, fragte er zaghaft. „Warum wollen Sie etwas über meine Vergangenheit wissen?“

      „Lassen Sie mich raten“, sagte die Frau. „Sie waren außer Landes, für längere Zeit. Vielleicht hatten Sie eine Erbschaft gemacht oder eine Menge Geld gespart. Das haben Sie in fremden Ländern durchgebracht. Deshalb sind Sie jetzt mittellos.“

      Kerner schüttelte den Kopf. Er wollte sich nicht auf das Frage- und Antwortspiel einlassen und nun tat er es doch, wenn auch nur mit einer Kopfbewegung. Nun, nachdem er dieses stumme Zeichen seines Teils der Unterhaltung von sich gegeben hatte, konnte er nicht mehr so einfach davongehen. Immerhin hatte ihm die Frau auch ein beachtliches Trinkgeld gegeben. Das verpflichtete.

      „Also keine Reise in fremde Länder“, hörte er die Frau sagen. Es war keine Frage, es war eine Feststellung.

      Kerner schüttelte erneut den Kopf.

      Die Frau beugte sich nach vorne zu ihm über den Tisch und offenbarte ihm ein üppiges Dekolletee. Er versuchte nicht hinzusehen. Irgendwie erfasste es sein Blick dennoch. Er dachte an einen Kumpel, den er vor Jahren kannte. Wenn eine Frau einem Mann in die Augen schaut, sieht sie nur die Augen des Mannes, verstehst du? Wenn aber ein Mann einer Frau in die Augen schaut, kann er ihre ganze Erscheinung mit einem Blick erfassen. Hat mit der Physiognomie der beiden Geschlechter zu tun, hab` ich mal gelesen. Frauen sind eben anders, pflegte er zu sagen. Heute sah Kerner ein, dass er Recht hatte.

      „Ich glaube, ich weiß, wo Sie waren?“, sagte die Frau leise. „Die meisten, die nicht darüber sprechen wollen, waren dort.“

      „“Es tut mir leid, ich muss nun gehen.“ Kerner versuchte erneut, sich zu erheben, doch der Blick der Frau fesselte ihn wiederum.

      „Warum waren Sie im Gefängnis? Sie waren doch im Gefängnis, nicht wahr?“

      Mit einer plötzlichen Bewegung erhob sich Kerner. „Glauben Sie, Ihr großzügiges Trinkgeld berechtigt Sie zu solchen Fragen. Ich kenne Sie nicht, warum also sollte ich weiter mit Ihnen über mich reden?“

      „Es gibt zahlreiche Menschen, die sich kennen, ohne sich vorher je gesehen zu haben“, sagte die Frau. „Und es gibt Menschen, die sich nicht kennen, obwohl sie sich tagtäglich sehen. Was glauben Sie? Haben wir uns schon einmal gesehen?“

      „Ich kenne Sie nicht und ich habe Sie auch noch nie gesehen.“

      „Wie können Sie sich da sicher sein, wenn Sie nicht einmal darüber nachdenken?“

      Kerner zog die Stirn kraus und sah auf die Frau hinab. Sie sah, dass sein Hirn zu arbeiten begann. Er schätzte die Frau auf etwa 30 Jahre. Seine Gedanken jagten durch den geringen Anteil seiner Bekanntschaften, Freunde seiner Freunde, Bekannten seiner Bekannten. Er sah, wie sich die Frau erhob und nach ihrer Handtasche griff.

      „Denken Sie nach, Herr Kerner. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ihnen irgendwann einfällt, dass Sie mich doch kennen. Sie müssen es mir dann nicht mitteilen. Wenn ich es wissen will, werde ich Sie es persönlich fragen.“

      „Woher wissen Sie meinen Namen …?“

      „Wir sehen uns“, überging sie seine Frage. „Ganz bestimmt werden wir uns wiedersehen.“

      Dann verschwand sie im Gewühl der Menge.

      Kerner war so in seine Gedanken versunken, dass er auf eine junge Frau auflief, die ein Kind an der Hand mit sich führte.

      „Tschuldigung“, stotterte er und beeilte sich, um an dem Bierstand, den man in seinen Kreisen Männerkarussell nannte, einen Platz zu ergattern.

      „Ein Bier“, bestellte er. „Und einen Schnaps.“

      „Schnaps gibt es keinen“, sagte der Mann hinter dem Zapfhahn gleichgültig. „Ihr Bier.“ Er stellte es vor Kerner ab.

      „Machen Sie mir noch eins.“

      Kerner schüttete das kalte Getränk in einem Zug in sich hinein, bis ihm die Tränen in die Augen traten. Als er die Hälfte des zweiten Biers getrunken hatte, fühlte er sich besser. Was wollte die Frau von ihm und vor allem, wer war sie? Warum und woher sollte er sie kennen? Nach seiner Entlassung aus dem Knast hatte er kaum Gelegenheiten gehabt, Frauen kennenzulernen. An diese hätte er sich bestimmt erinnert. Und im Knast? Nein, da war nichts mit Frauen, auch nichts mit Frauen als Besucherinnen. Also woher kannte sie ihn?

      Kerner bestellte ein weiteres Bier und der junge Mann neben ihm bestellte eine Cola. Als der Bediener ihm die Flasche über den Tresen reichte und das Bierglas Kerners gleich daneben stellte, stieß der Mann so unglücklich gegen den Flaschenhals, dass die Flasche umkippte und Kerner sie mit einer blitzschnellen Bewegung auffing, ehe der gesamte Inhalt ausgelaufen war. Der junge Mann bedankte sich artig und setzte die Flasche an seine Lippen. Kerner trank ebenfalls und als sein Glas leer war, bestellte er ein neues. Er schaute nach links. Der junge Mann, der neben ihm gestanden hatte, war gegangen.

      Kerner spürte die wohlige Wirkung des Alkohols und die Konturen vor ihm begannen sich langsam unkontrolliert zu bewegen. Er bezahlte und ging. Ich werde alt, dachte er. Drei Bier und eine solche Wirkung. Kommt vom schnellen Trinken. Ich werde wohl früh zu Bett gehen.

      Er machte sich auf den Weg zu seiner Behausung und wunderte sich, wie sich mehr und mehr sein Gesichtsfeld verengte.

      Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter.

      Kapitel 17

      „Die Presse wird auch langsam lästig“, bemerkte Leni, als sie die Stadtgrenze von Hermeskeil erreicht hatten und Overbeck das Gas durchtrat. „Ein Reporter namens Satorius. Er wollte Einzelheiten über den Mord an Thompson vor 18 Jahren.“

      „Die Presse will Auskünfte


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