SAOMAI. June A. Miller

SAOMAI - June A. Miller


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wir ganz bald wieder“ flötete ihre Freundin ins Telefon.

      Saomai hörte kaum hin. Ihr Herz pochte bei dem Gedanken daran, was sie Chandra fragen wollte.

      „Weißt du was, gerade habe ich mir eine Tasche gekauft, die ich neulich schon in der Hand…“

      „Kann ich dich etwas fragen, Chandra?“, unterbrach Saomai den Wortschwall ihrer Freundin.

      „Äh, ja. Was denn?“

      „Kannst du mich mit Neill Ferguson bekannt machen?“

      Saomai hatte die Frage herausgepresst. Jetzt hörte sie, wie Chandra am anderen Ende der Leitung die Luft einsog. Sie selbst wagte keinen weiteren Atemzug.

      „Warum?“, fragte Chandra.

      „Er hat mir gefallen. Er ist gutaussehend, vermögend,…“

      „Blödsinn!“, widersprach ihre Freundin heftig.

      „Hm?“

      „Das ist Blödsinn, sagte ich. Dich interessiert doch nicht sein Portemonnaie! Dich interessiert Lamom Benjawan, stimmt’s?“

      Damit hatte Saomai nicht gerechnet.

      „Wie kommst du denn darauf?“

      „Saomai, verkauf mich nicht für dumm!“ Chandra klang jetzt ungehalten. „Gestern Abend fragst du mich ganz nebenbei nach diesem Lamom und heute willst du Neill Ferguson kennenlernen, der zufällig dessen Partner ist?“

      Das Wort ‚zufällig‘ betonte sie voller Ironie.

      „Woher weißt du das?“

      „Ich habe ihn gegoogelt, ganz einfach!“

      Das kam unerwartet. Offensichtlich konnte sie ihrer Freundin nichts vormachen. Gut, dann eben nicht. Dann würde sie die Wahrheit sagen und hoffen, dass Chandra ihr trotzdem half.

      „Du hast recht“, sagte sie reumütig. Dann wurde ihre Stimme fest. „Und du musst das verstehen! Ich habe alles versucht, um zu beweisen, dass dieser Dreckskerl meinen Vater umgebracht hat. Aber er hat Freunde bei der Polizei, die ihn decken und gar nicht erst gegen ihn ermitteln. Seit Monaten frage ich mich, wie ich an ihn herankomme. Als du mir gestern Neill Ferguson gezeigt hast, war das wie ein Wink des Schicksals.“

      „Spinnst du?“, fuhr Chandra aufgebracht dazwischen. „Wenn dieser Lamom tatsächlich deinen Vater ermordet hat, ist das lebensgefährlich!“

      „Vielleicht“, gab Saomai matt zurück, „aber es ist die einzige Hoffnung, die ich habe.“

      Chandra musste ihr einfach helfen! Sie appellierte an ihr Gewissen.

      „Wenn es dein Vater wäre, würdest du das auch wagen, oder?“

      Chandra stöhnte auf. Familienbande waren in Thailand heilig.

      „Also gut“, gab sie schließlich nach. „Es gibt aber ein Problem.“

      „Welches?“, fragte Saomai bange.

      „Er ist zwar Kunde im Delight Club, aber wir gehen ja nicht zusammen aus, oder sowas. Wie soll ich euch also miteinander bekannt machen?“

      „Ach“, sagte Saomai, „da hätte ich eine Idee!“

      ****

      Saomai huschte in das Halbdunkel des Massageraums, schloss leise die Schiebetür hinter sich und lehnte mit dem Rücken gegen das kühle Tropenholz. Auf der Massagebank wartete ihr Kunde. Ihr einziger Kunde. Er war nackt.

      „Namasté, Mr. Ferguson“, sagte sie und straffte die Schultern. Sie hatte den thailändischen Gruß verführerisch klingen lassen wollen. Heraus gekommen war ein heiseres Krächzen. Neill Ferguson hob den Kopf. Er scannte Saomai flüchtig, ließ die Stirn zurück auf das Laken sinken und brummte: „Du bist zu spät.“

      „Zwei Minuten!“, protestierte sie, entrüstet darüber, dass ihm dies als Verspätung galt.

      Fergusons Kopf ruckte erneut hoch. Dieses Mal musterte er sie ausführlicher, blieb länger als notwendig an ihrem Fußgelenk hängen und starrte ihr schließlich ins Gesicht.

      „Zwei Minuten meiner Zeit solltest du dir nicht leisten.“

      Sein überheblicher Ton ließ Saomais Nasenflügel erbeben. Unter Aufbietung aller Willenskraft hielt sie eine scharfe Erwiderung zurück.

      Das läuft gar nicht gut, dachte sie alarmiert.

      Das flaue Gefühl, das ihr seit Stunden den Magen zuzog, kroch höher und schnürte an ihrer Kehle. Saomai kämpfte den Impuls nieder, einfach zu gehen. Doch sie musste bleiben, musste einen guten Eindruck auf diesen Mann machen!

      Reiß‘ dich zusammen, ermahnte sie sich und entgegen allem, was sie empfand, sagte sie unterwürfig: „Dann werde ich sofort beginnen, Mr. Ferguson.“

      Ein Handy ertönte und sie zuckte zusammen.

      Lass es nicht meins sein, dachte sie erschrocken, dann fliegst du noch in dieser Sekunde raus! Da hörte sie Ferguson in sein Mobiltelefon sprechen.

      Unschlüssig, ob sie wie angekündigt mit der Massage beginnen sollte, stand Saomai im Raum.

      „Was ist jetzt?“, ätzte er in ihre Richtung. „Fängst du endlich an, oder was?“

      „Ja, natürlich. Entschuldigung“, stammelte sie und setzte sich in Bewegung. Sie nahm ein seidenes Tuch aus einem Sideboard und bedeckte den entblößten Hintern ihres Kunden. Dann ging sie zum unteren Ende der Massagebank und begann mit zittrigen Fingern, seine Waden zu massieren.

      Das Telefonat schien sich plötzlich um sie zu drehen.

      „Ach, ich habe schon wieder eine neue Thai. Die dritte in acht Wochen.“

      Saomai konnte nicht verstehen, was der Gesprächspartner sagte, Fergusons Antwort jedoch war eine Frechheit.

      „Nein, sicher nicht. Das ist so ein dürres Ding. Der fehlt so ziemlich alles, um gut zu sein. Wie die schon an meinen Waden rumfingert!“

      Sie stoppte mitten in der Bewegung. Das Ganze war ein Fiasko! Dabei hatte sie es sich so einfach vorgestellt, Ferguson für sich zu gewinnen. Sie kannte ihre Wirkung auf Männer. Ein Lächeln, eine Massage, an die er sich noch lange erinnern würde, die unausgesprochene Aussicht auf mehr, hätten genügen sollen. Und nun gelangen ihr nicht einmal die einfachsten Handgriffe!

      „Ich meld‘ mich nachher nochmal.“

      Ferguson hatte aufgelegt. Mit einem Ruck drehte er sich um und richtete sich auf. Dass dabei das Tuch zu Boden glitt, schien ihn nicht zu stören. Im Gegenteil. Er blickte an sich hinunter, dann zu Saomai und fragte genervt: „Kannst du wenigstens gut blasen?“

      ****

      Die Frage war heraus, bevor Neill darüber nachdenken konnte. Noch im selben Augenblick tat es ihm leid, zumal das Mädchen bis unter die Haarwurzeln errötete. Sie hob die Hände und machte zwei Schritte rückwärts, fort von ihm. Ein weiterer Schritt und sie stieß an die Wand hinter sich. Aus glühenden Mandelaugen blickte sie ihn an, während es hinter ihrer Stirn zu arbeiten schien. Offensichtlich war sie noch nie in einer solchen Situation gewesen. Aber war das nicht der Alltag einer Thaimasseurin in Bangkok, fragte er sich. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er sogar: Sie wirkt gar nicht wie eine. Etwas in ihrem Blick, in der Haltung, die sie plötzlich angenommen hatte, ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass sie es vielmehr gewohnt war, zu führen.

      Ihr Gesichtsausdruck changierte. Eben noch peinlich berührt, legte sie jetzt die Stirn in Falten, als würde sie sein Angebot überdenken. Neill meinte, ein spöttisches Lächeln über ihre Lippen huschen zu sehen. Ein äußerst reizvolles Lächeln.

      Doch schon im nächsten Moment wechselte ihr Ausdruck erneut. Eine steile Furche zwischen den Augenbrauen verzerrte ihr eigentlich hübsches Gesicht. Neill setzte gerade an, etwas zu sagen, als sie die nächste Wandlung durchmachte. Ein Ruck ging durch ihren Körper, sie reckte das Kinn


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