Fürstin des Nordens - Trilogy. Juryk Barelhaven

Fürstin des Nordens - Trilogy - Juryk Barelhaven


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nach vorne. „Da ist doch eine Kutsche vorgefahren mit einem komischen Kerl, der lange Haare trägt. Schneid sie ab, sage ich, nja! Das sind Störenfriede. Nicht so schlimm wie die Zwerge früher, aber wir sollten schon mal die Knüppel holen, sage ich. Oder was meinst du, Korporal?“

      Axel schirmte seine Augen vor der Sonne ab und blinzelte. „Da ist ein Wappen auf der Kutsche.“

      „Kann nicht wichtig sein, sage ich! Vielleicht haben sie die Kutsche nur gestohlen, nja. Können nicht wissen, was ihnen blüht. Nun, wir werden mal schauen, was es da zu schauen gibt.“ Gavers schweinsgleiche Augen verrenkten sich fast, während er angestrengt nachdachte. „Könnten Banditen sein, nja.“

      Axel stöhnte genervt auf, stellte seinen Becher ab und nahm Haltung an. Die braven Bürger von Blagrhiken hatten sich schon lange darauf geeinigt, dass ihre Ortschaft eine Stadtwache brauchte. Und da niemand sonst die Arbeit machen wollte, erschien Gaver als die perfekte Person um das Tor zu bewachen. Gaver war nicht etwa böse – er war einfach nur Gaver.

      Axel salutierte knapp, als Claudile näherkam. „Entschuldigt bitte“, sagte Claudile und versuchte, ihre Nackenhaare daran zu hindern, sich aufzurichten. „Ich bin Fürstin Claudile Alemont und suche den Stadtvogt. Bitte zeigt mir den Weg.“

      „Fürstin Alemont“, sagte Axel mit tiefer Stimme. Dabei vermied er es ihre Kleidung anzusehen. „Ihr wurdet schon vor zwei Tagen erwartet. Wir hoffen, Ihr hattet eine angenehme Reise.“

      Claudile nickte höflich ihm zu, während sich Gaver umständlich aufzusetzen versuchte.

      Als Werwolf nahm sie eine ganze Reihe von Gerüchen wahr: sie sah die Spur des Bäckers, wie er jeden Morgen zum Brunnen ging und erschnupperte den Geruch von Mehl, der noch zart in der Luft hing. Die Esse brodelte vor dunkler Energie und knisterndes Feuer versprühte ein dunkles Ambiente, während die feine Seifennote des Wachmanns vor ihr sich wie ein Blumenbouqette über allen legte. Naja, fast, denn die ungewaschenen Socken des dickeren Wachmanns sprachen eine ganz andere Sprache.

      Claudile verzog das leicht das Gesicht und schnupperte erneut. Dort war noch etwas anderes…

      „Ist der Baron öfters hier gewesen?“ wollte sie wissen.

      Beide Männer warfen sich erstaunte Blicke zu.

      „Können Sie sich ausweisen, nja?“ schnarrte Gaver wichtigtuerisch, während er umständlich sich die Hose hochzog.

      Axel schüttelte nur den Kopf, trat vor und verbeugte sich leicht. „Sehr oft, sogar“, bestätigte er und führte sie kurz weg von seinem Kameraden. „Nehmt es ihm nicht übel, Eure Lordschaft. Mit der Zeit werdet ihr verstehen, wie Gaver denkt. Er ist harmlos.“ Er deutete auf die Burg vor ihnen. „Es stimmt, was Ihr sagt. Der Herr kam gelegentlich zu einem Kartenspiel. Aber ich fürchte, dass der Hohe Herr nicht zugegen ist. Wir haben ihn seit Tagen nicht gesehen.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Es ist uns eine Freude, euch willkommen zu heißen.“

      Claudile nickte zufrieden. „Danke. Wie ist Euer Name?“

      „Axel, Maam. Zu Euren Diensten.“

      „Angenehm.“

      Er wies auf die Burgtore, die sich langsam der anrollenden Kutsche näherten. „Ihr seid ein Werwolf, oder?“ In seinem Blick lag eher Neugier als Furcht. Das empfand sie als beruhigend. „Ganz recht.“

      „Die Leute haben Angst. Vor euch. Wir haben… Erfahrungen gemacht. Mehr sage ich nicht dazu.“

      Sie nickte zur Bestätigung.

      „Wir sind dazu angehalten, euch durch die Stadt zu führen und euch alles zu zeigen. Aber bestimmt wollt Ihr euch vorher frisch machen.“

      „Danke, Axel. Ich komme darauf zurück.“ Etwas verlegen strich sie sich über die Kleidung.

      Er salutierte knapp und wandte sich ab.

      Sie schnupperte nochmal, schloss die Augen und spielte mit den Dufttönen. Unter dem Seifengeruch verbarg sich etwas anderes. Als es ihr einfiel, errötete sie leicht und ging fort.

      3

      Die Burg war in keinem guten Zustand. Claudile wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht und sah moosbefallene Steine, roch fauliges Stroh und witterte Wasserschaden am Dach. Zum ersten Mal bedachte sie den Ort um sich mit Argwohn, als wäre ihr jetzt erst aufgefallen, dass Blagrhiken wirklich hoch im Norden lag.

      Mit einem Tuch bekleidet stieg Francesco aus. „Das ist also Euer neues Zuhause“, stellte er ungerührt fest. „Was denkt Ihr?“

      „Der Ort stinkt vor Furcht. Alte Klamotten, alte Gewohnheiten und viel Hunger.“ Sie nickte ernst und starrte auf den Boden. Die frische Luft im Hof konnte nicht verbergen, dass der Ort krankte. Es lag Misstrauen in der Luft- sprichwörtlich.

      Er nickte knapp. Die Nase eines Werwolfes lag selten falsch. „Es gibt viel zu erledigen.“

      „Meinst du… oh, ich verstehe.“

      „Ja, genau. Ich werde mich mit dem Haushalter auseinandersetzen.“

      Beide starrten zur großen Tür, die knarrend aufging.

      „Der Hohe Herr ist nicht zugegen.“ Auf dem Hof eilte eine kleine Gestalt auf sie zu, die mit einer dicken Brille und einem Stock sich den Weg ebnete. Ein alter, sehr alter Mann mit Halbglatze und schlotterweißem Haar, dessen dünne Gelenke vor Arthritis quietschten. „Oh, Ihr seid es! Welche Freude, euch hier anzutreffen.“ Er blickte verwirrt zu Francesco, aber vermied es direkte Fragen zu stellen. „Ihr müsst Lady Claudile sein, die ehrwürdige Tochter des großen Khans, unserem Herrn und Meister.“ Er holte Luft. „Fürstin Claudile Salacia Aminata Urnie von Alemont. Ich heiße Fritz. Euer Haushalter.“

      „Danke, Fritz“, sagte Claudile. „Du kennst dich gut aus.“ Claudile nahm den trockenen Grabesgeruch von Büchern wahr.

      „Warum gehen wir nicht rein“, fragte Fritz leise und bedeutete ihm zu folgen. „Der Herr ist seit Tagen verschwunden. Ich befürchte das Schlimmste, Herrin. Jedoch wollen wir bei einem Plausch mit Gewürzkuchen, Fleischpastete und Wein von etwas anderem reden.“ Kurz darauf erreichten sie einen Saal, dessen Dunkelheit und Stille einen starken Kontrast zum Licht und Lärm auf dem Hof bildeten. Als sich ihre Augen an das Halbdunkle gewöhnt hatten, bemerkte sie Flaggen und alte Ölgemälde an den hohen Wänden. Es gab einige Fenster, aber die Spinnenweben und toten Fliegen davor ließen nur matte Gräue in den großen Raum hinein. „Die Burg wurde vor sechzig Jahren von Baron Ferou Hronghard der Dritte, gebaut, der nach seinem Tode den Bürgern sein Vermögen überließ. Der Ort Blaqrhiken ist der nördlichste und entfernteste Ort in Norfesta. Er ist bekannt für sein Sägewerk und seine Pasteten.“ Er humpelte langsam zu einem Tisch und hob ein Tuch von einem Tablett. „Wir haben leider keine Köche, so dass ich vor zwei Tagen diese herrlichen Pasteten vom Bäcker holte. Sind leider kalt.“

      „Jeder köstliche Bissen ist wie eine warme Umarmung, aber das Besondere an dem Ort sind die Menschen, für die Nachbarschaft noch echte Werte besitzen.“ Claudile zwinkerte Francesco zu, der ihr begütigend zunickte.

      Fritz nickte beeindruckt. „Gut gesagt, Herrin. Ihr versteht es mit Worten umzugehen.“ Er blinzelte glücklich und zeigte auf mehrere Schriftrollen auf dem Tisch. „Wenn Ihr es wünscht, kann ich euch die Geschichte der Heraldik der Burg Blaqrhiken erzählen. Sie ist lang und kurzweilig.“

      „Ein anderes Mal“, bemerkte Francesco kühl. „Sagt, wo sind die Angestellten? Warum brennt kein Feuer im Kamin? Das Schloss ist in einem schlechten Zustand, Mann. Warum sieht es hier aus, als würde hier niemand leben?“

      Fritz kam näher und besah sich den Sprecher aus nächster Nähe an. „Wer seid Ihr, dass ihr nackt und bloß mit mir sprecht? Hat Eure Herrin ein Herz für bemitleidenswerte Geschöpfe?“

      „Er ist Francesco de Palma, mein Lehrer und Vertrauter“, half Claudile aus. „Ich wollte diese Frage auch stellen. Was ist hier passiert?“

      „Wohl


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