Spielzeit. Dani Merati

Spielzeit - Dani Merati


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was hatte es ihm gebracht? Noch miesere Laune als vorher. Unzufrieden murmelte er vor sich hin, als er die Bestandsliste mit dem tatsächlichen Vorrat verglich.

      Er verstand nicht, warum ausgerechnet dieser Kerl nicht aus seinem Kopf verschwinden wollte. Es war ja nun nicht gerade so, dass er keine freie Auswahl hatte. Sein exotisches Aussehen - Diego schnaubte abfällig, als er an die Aussage eines Exliebhabers dachte - bescherte ihm mehr als genug Bewunderer. Doch immer kehrten seine Gedanken zu Sebastian zurück. Wenn der Mann nicht Jos bester Freund wäre, hätte er ihn schon vor Wochen aus seinem System gevögelt.

      Obwohl das wahrscheinlich ebenfalls nicht funktionieren würde. In Bastian, mit seinem sonnigen Gemüt, seinem ansteckenden Humor, steckte eine Intensität, die ihm eine Heidenangst einjagte. Er würde sich nicht mit einem einmaligen Fick zufriedengeben, nein, der Mann wollte viel mehr - und das mehr konnte Diego ihm nicht geben. Hinzu kam noch die Tatsache, dass er vermutete, dass Sebastian kein Bottom war. Und egal, wie sein Magen auch flatterte, wenn er daran dachte, wie dieser Mann ihn in Besitz nehmen könnte ... Stopp! Vergiss es gleich wieder, Diego. Du liegst nicht unten. Nie!

      Schweren Herzens beschloss er, sich Bastian ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen. Sollte doch wohl nicht so schwierig sein, es gab ja genug Auswahl. Und schließlich suchte er nicht den Partner fürs Leben, sondern nur einen schnellen Fick. Mehr wollte er nicht! Niemals!

      ***

      Zu dem Zeitpunkt, als Sebastian sein Haus betrat, war er körperlich und emotional so ausgelaugt, dass er alles für eine Abwechslung gegeben hätte. Doch nur Stille empfing ihn, als er die Haustür schloss und mit schweren Schritten ins Wohnzimmer ging. Ohne sich auszuziehen, plumpste er auf die Couch und lehnte den Kopf in den Nacken.

      Er wusste nicht, wie viel Druck er noch ertragen konnte. Nach einer hitzigen Diskussion mit dem behandelnden Psychiater seiner Mutter hatte er schließlich zugestimmt, dass sie in Ausnahmesituationen - und nachts - fixiert werden durfte, um ihre eigene und die Sicherheit der anderen Patienten zu gewährleisten. Die Dosis ihrer Medikamente wurde ebenfalls erhöht.

      Stöhnend sank Sebastian nach vorne. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, die sanftmütige Frau von früher, die keiner Fliege ein Leid zufügte, mit dem keifenden Teufel in Verbindung zu bringen, die heute eine andere Patientin mit einem zerbrochenen Stuhlbein attackiert hatte.

      In Momenten wie diesen wünschte er sich wirklich jemanden zum Reden, zum Anlehnen, einen Partner, der die Bürde mit ihm teilen würde. Samtbraune Augen und Haut wie Milchschokolade flackerten durch sein Bewusstsein, wie so oft in den letzten Wochen. Egal, was er auch anstellte, er bekam Diego Mahler einfach nicht aus dem Kopf. Verärgert stand er auf, ging zurück in den Flur, wo er hastig Jacke und Schuhe auszog. Der Mann, den er im Grunde nur flüchtig kannte, hatte mit einem einzigen Blick aus diesen dunklen Iriden ein Brandmal auf ihm hinterlassen, von dem er fürchtete, es nie mehr loszuwerden.

      Tja, nur umgekehrt war das leider nicht der Fall. Der Barkeeper hatte sein Desinteresse nur allzu deutlich gemacht. Anfangs hatte Bastian ihre Kabbeleien noch genossen, gedacht, er müsse nur die Schale des anderen Mannes knacken. Aber rasch war ihm klar geworden, dass er sich an diesem wohl sein gesamtes Gebiss ausbeißen würde.

      Hinzu kam, dass jedes Mal, wenn Sebastian ihn eingeladen und eine Ablehnung kassiert hatte, Diego später mit irgendeinem Twink verschwunden war. Ob er ihm damit nur vor Augen führen wollte, auf welchen Typ Mann er stand oder etwas ganz anderes kaschierte, konnte Bastian beim besten Willen nicht sagen. Er wusste nur, dass es wehtat. Nicht, dass er einen Anspruch auf den Barkeeper besaß, aber das kleine grünäugige Monster störte sich nicht an solchen Formalitäten.

      Er sollte sich den Kerl einfach aus dem Kopf schlagen, dachte er müde, als er zwischen die Laken krabbelte. Vielleicht ein Hobby suchen. In den letzten Jahren hatte er so viel gearbeitet, die Firma aufgebaut, dass sein Privatleben irgendwie auf der Strecke geblieben war. Jetzt, wo Jo wieder eine Rolle in seinem Leben spielte, wurde ihm bewusst, wie sehr er seine alten Freunde vermisst hatte. Also, welchen Grund hatte er bitteschön zu jammern? Ein gutgehendes Unternehmen, Freunde, auf die er sich verlassen konnte, er war finanziell abgesichert und dennoch ... Hoffentlich war er mit Mitte dreißig noch nicht in der Midlife-Crisis, wundern täte ihn das allerdings auch nicht mehr. Sollte er morgen mal googeln, wenn er die Energie dafür aufbrachte - oder die Lust. Mit diesem Gedanken driftete er weg.

      ***

      Müde schob Diego die letzten Gläser in die Spülmaschine, schloss die Tür und stellte sie an. „Vorne ist alles klar Schiff. Ich nehme den Müll mit raus, wenn du willst!“

      Erschrocken machte er einen Satz weg von der Maschine und drehte sich wütend zu Nguyen um, der ihn unschuldig ansah. „Jesus! Musst du dich so anschleichen?“

      Der vietnamesischstämmige Kellner betrachtete ihn von Kopf bis Fuß, klickte mit der Zunge und grinste frech. „Ich hab zweimal gerufen, ehe ich reingekommen bin. Vielleicht wird es Zeit, dass du dir ein Hörgerät besorgst, alter Knacker.“

      Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Diego den zierlichen Mann. „Nur, wenn ich dir mit deinem Krückstock den Hintern versohlen darf, Opi.“ Beide lachten. Dann legte Nguyen eine Hand auf sein Herz, verdrehte theatralisch die Augen und sagte todernst: „Das kann ich nicht verantworten. Ich möchte ja nicht, dass du einen Herzanfall erleidest bei so viel Aufregung. Und außerdem würde Bastian mir den Arsch verhauen - und nicht auf die angenehme Art - falls ich dich mit irgendeinem Körperteil von mir anfasse.“

      Diego versteifte sich. „Was hat Sebastian damit zu tun?“ „Oh bitte.“ Nguyen sprang auf den großen Tisch, der mitten in der Küche stand, und ließ die Beine baumeln. „Das sieht man auch als Blinder mit einem Krückstock. Da läuft was zwischen euch. Komm schon, spann mich nicht so auf die Folter. Wie ist er in der Kiste?“

      Heiß und kalt durchfuhr es ihn bei den Worten seines Kollegen. „Ich weiß es nicht.“ Aber ich würde es unheimlich gerne herausfinden. Nur leider geht das nicht. Sebastian Hellmann ist tabu!

      Nguyens Mund klappte auf und imitierte einen Moment lang einen Fisch auf dem Trockenen. „Du verarscht mich gerade, oder? Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass du an diesem absoluten Traumtypen kein Interesse hast?“

      Ungläubig funkelten ihn die honigfarbenen Augen an. Ja, warum nimmst du ihn dir nicht, Diego. Weil er mir gefährlich werden könnte, darum. Feigling! „Wenn du ihn so toll findest, versuch du doch dein Glück“, schnappte er irritiert und wünschte sich die Worte im gleichen Augenblick zurück.

      „Hab ich ja schon - ohne Ergebnis.“ Diego versuchte verzweifelt die Wut - und den Schmerz - die diese Worte auslösten, zurückzuhalten. Es gelang nicht. Scheiße! Es war hoffnungslos.

      „Aber es ist ja nicht so, dass er der einzige tolle Kerl auf Erden ist. Hey, wieso kommst du heute Abend nicht mit ins ‚Darkside‘? Dann wirst du auch wieder lockerer.“ Stirnrunzelnd sah er seinen Freund an. Was wollte Nguyen denn in dem abgehalfterten Schuppen? „Nein, danke, kein Bedarf. Und wenn ich dir einen Rat geben darf? Du solltest da ebenfalls nicht hingehen.“

      Mandelaugen blinzelten ihn verwirrt an. „Warum? Ist doch nur ein Gay-Club wie alle anderen. Man kann unverbindlich und schnell Spaß haben und ...“ „Nicht wie jeder andere Club. Im ‚Darkside‘ gibt es keine Security, niemanden, der sich daran stört, falls irgendetwas nicht ganz koscher ist. Du solltest zumindest nicht ohne Begleitung dort rumhängen.“

      „Oh Mann, bist du mein Vater oder was? Und außerdem hatte ich nicht vor allein loszuziehen. Ich hab dich doch grad gefragt, ob du mitkommst oder?“ Nguyen rollte mit den Augen. „Hör zu, ich bin weg. Ich brauch meinen Schönheitsschlaf. Schick mir einfach eine SMS, wenn du Lust hast. Ich bin ab 21 Uhr dort. Ciao!“

      Scheiße! Es sah wohl so aus, als ob er heute Abend etwas vorhatte. Aber vielleicht war das auch genau das Richtige. Er musste Sebastian endlich aus seinem System kriegen.

      ***

      


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