Spielzeit. Dani Merati

Spielzeit - Dani Merati


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klopfte und Diegos Rastalocken blitzten um die Ecke. „Hey Chef. Immer noch mit den bösen Papieren beschäftigt?“ Der Halbdominikaner wackelte mit den Augenbrauen. Jo schnaubte. „Warte nur ab! Sobald die Partnerschaftsverträge unterschrieben sind, werde ich mich köstlich amüsieren, wenn du über dem Kram hier hängst.“

      Gespielt entsetzt hob sein Barkeeper die Hände. „Wenn das so ist, sollte ich mir das nochmal überlegen!“ Mit einem Grunzen warf er sich in einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Jo lachte. „Das wirst du nicht tun, Freundchen. In der Bar steckt von dir genauso viel drin wie von mir. Dieser Schritt war längst überfällig.“

      Diego sah ihn einen Moment aufmerksam an. „Und du bist dir hundertprozentig sicher, dass du das willst?“ Jo lächelte. „Die Bar würde ohne dich nicht mehr existieren. Ja, ich bin überzeugt, dass es die beste Entscheidung ist, die ich je getroffen habe.“

      „Ach, ich dachte, das wäre der brandheiße Twink, der jede Nacht auf dich wartet.“ Jos Lächeln erstarrte. „Nenn ihn nicht so. Andy ist ... verdammt, wieso muss es so kompliziert sein?“

      „Ärger im Paradies?“ „Nein. Ja. Ach Scheiße!“ Jo lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Als Torsten gestorben ist, starb ein Teil von mir mit ihm. Dieses Stück von mir ist weg. Unwiederbringlich. Was ist, wenn ich Andy nicht geben kann, was er braucht? Nicht genug für ihn bin?“

      „Versteh mich nicht falsch, Jo, aber ihr kennt euch jetzt wie lange? Einen Monat? Du bist gerne mit dem Jungen zusammen, ihr habt Spaß, was willst du noch?“ Sein Freund sah ihn verständnislos an.

      „Das Leben besteht aus mehr, als Herumvögeln und Spaß haben.“ Sebastians dunkle Stimme ließ die beiden Männer zusammenfahren. Jo grinste. „Verflucht, Bastian. Wann lernst du endlich, anzuklopfen?“

      „Und das Beste verpassen?“ Sein Sandkastenfreund zog vielsagend eine Augenbraue hoch. „Ich bin vorne, wenn etwas ist.“ Diego stand auf und verließ das Büro, ohne Sebastian eines Blickes zu würdigen.

      Jo entging nicht, wie der ihm hinterhersah. „Dich hat es ziemlich erwischt, was?“ Bastian seufzte, kam rüber und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem sein Barkeeper gerade gesessen hatte. Er schloss seine Augen und atmete durch. Als er Jo dann ansah, erschrak dieser über die Resignation in den blauen Tiefen.

      „Es wäre so viel einfacher, wenn wir uns aussuchen könnten, in wen wir uns verlieben. Unkomplizierter und schmerzlos.“ Jo lachte bitter. „Mag sein, aber Liebe ohne Leiden ist wertlos, heißt es nicht so?“

      „Keine Ahnung, ich würde im Augenblick jedoch gerne darauf verzichten.“ Sebastian rieb sich übers Gesicht. „Genug von mir. Wie läuft es mit dir und dem Kleinen?“

      Jo zuckte mit den Achseln. „Gut. Wir verstehen uns super.“ Er sah seinen Freund nicht an, konzentrierte sich auf die Papiere, die vor ihm lagen. „Aha. Und die Wahrheit?“

      „Die Attacken sind wieder da“, murmelte er leise. Nachdem Jo beschlossen hatte, mit seiner Vergangenheit abzuschließen, hatte er Sebastian eines Abends von seinen dunkelsten Stunden nach Torstens Tod erzählt. Der hatte ihm schweigend zugehört, ihn in den Arm genommen und Jo hatte zum ersten Mal überhaupt seinen Tränen freien Lauf gelassen. Warum kam dieser Mist jetzt zurück? War seine Entscheidung, sich auf eine neue Beziehung einzulassen etwa falsch? Das konnte - das wollte - er nicht glauben.

      Stuhlbeine kratzten über den Boden, dann wurde er plötzlich hoch und in eine Umarmung gezogen, die ihn instinktiv zurückzucken ließ, doch letztendlich sank er in den Trost, den sein Freund ihm anbot. Nach einem Moment zog er sich unbeholfen zurück und räusperte sich. Der ruhige Ernst in Bastians Augen löste seine Zunge.

      „Ich habe vor einigen Tagen zufällig in Andys Sachen einen Räumungsbescheid für seine Wohnung gefunden. Ich musste mich erst einmal setzen, als ich Olivers Namen las. Ich verstehe es nicht, Bastian. Eigentlich hatte ich gedacht, das mit ihm ist abgeschlossen. Wie er mich angewidert hat, als er versuchte, mich rumzukriegen. Und ich hätte es beinahe zugelassen. Warum kann ich mich nicht von ihm befreien?“

      Das war seine größte Angst, wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war. Dass er nie von ganz von seinem Ex loskam. „Wegen Andy. Er ist Olivers Stiefsohn und ...“ Jo hob eine Hand. „Stopp. Andy ist nicht im Geringsten wie Oliver. Er ist ein guter Mensch - durch und durch.“

      Sebastian seufzte. „Ich wollte auch nicht andeuten, dass er das nicht ist. Aber seine Verbindung zu deinem Ex lässt sich nun mal nicht wegzaubern. Andys Mutter ist mit diesem Bastard verheiratet und damit unweigerlich eine Präsenz im Leben des Kleinen.“

      „Ja, und was für eine. Oliver scheint fest entschlossen zu sein, es mir heimzuzahlen. Die Show, die wir vor ihm abgezogen haben, das war eine Demütigung für ihn, die er nicht auf sich sitzen lässt. Verdammt, ich hätte wissen müssen, dass einem nichts so einfach geschenkt wird.“ Er lachte bitter.

      „Als ich Andy in dieser Bar begegnete, da wo ich Torsten das erste Mal geküsst hab, da dachte ich doch tatsächlich, das sei ein Zeichen von ihm. So eine Art Segen. Verrückt, was?“ Nachdenklich sah Sebastian ihn an.

      „Nein, eigentlich nicht. Du hast Torsten wahnsinnig geliebt und ihn zu verlieren ...“, er räusperte sich und Jo musste blinzeln. „Ich hatte Angst meinen besten Freund ebenfalls verloren zu haben. Und jetzt gibt es Andy in deinem Leben. Ich kann dir nicht sagen, ob eure Beziehung Bestand haben wird, wenn du dir also von mir eine Garantie erhoffst, die existiert nicht. Aber was ich dir sagen kann, ist das: Seit der Junge bei dir ist, lebst du wieder. Wirf diesen Neuanfang nicht weg, nur weil du glaubst, diese Chance nicht zu verdienen.“

      „Andy ist Zeuge einer Panikattacke geworden“, sagte Jo leise. „Ich ... ich möchte ihn nicht mit meinem Scheiß belasten. Er hat genug eigenen Stress. Seine Mutter erwidert keinen seiner Anrufe und dann der Rauswurf aus der Wohnung. Sein ganzes Leben steht Kopf und ich will ihm einfach nicht noch mehr zumuten.“

      „So funktioniert eine Beziehung aber, Jo. Auf die Gefahr jetzt wie ein wandelndes Klischee zu klingen: Geteiltes Leid ist halbes Leid! Gib Andy die Chance, dir zu helfen. Lass ihn rein, Jo. Vielleicht erlebst du eine Überraschung.“ Jo sah seinen Freund resigniert an.

      „Das Reinlassen ist nicht das Problem, Bastian. Ich fürchte, Andy ist mir schon so tief unter die Haut gekrochen, dass man ihn nicht mal mehr chirurgisch entfernen könnte. Aber ich frage mich, wie wichtig ich für ihn bin. Ich meine, er hat diesen Räumungsbescheid mit keinem Wort erwähnt und heute Vormittag erfahre ich so nebenbei, dass er ein WG-Zimmer sucht.“ „Und?“

      „Was und?“ Jo sah seinen Freund verständnislos an. Der rollte mit den Augen. „Du hast ihm doch bestimmt erklärt, dass er keine WG braucht, seine Sachen packen und bei dir einziehen soll.“ Jo blieb stumm.

      Sebastian schüttelte den Kopf. „Was hast du stattdessen gesagt?“ „Nichts.“ Das rumorte immer noch in ihm. Die Situation wäre perfekt gewesen, ihre Beziehung zu vertiefen, und was tat er?

      „Weißt du, Jo, versteh mich jetzt nicht falsch, aber das ist so typisch für dich. Seit Oliver erwartest du regelrecht, dass irgendetwas schief geht, und verschlimmerst damit alles unnötig.“

      „Vielen Dank, Sebastian. Dass ich ein Feigling bin, hab ich schon selber kapiert“, meinte Jo sarkastisch. Ehe Bastian etwas erwidern konnte, klopfte es und Diego steckte seinen Kopf durch die Tür. „Sorry, Chef, aber du wolltest Bescheid kriegen, wenn die Band da ist.“

      Jo nickte. „Danke, Diego. Bin gleich vorne.“ Er stand auf. „Danke fürs Zuhören, mein Freund. Ich kläre das mit Andy. Denn eins steht fest: Ich will ihn nicht verlieren.“ Sebastian lächelte und erhob sich ebenfalls. „Das ist die richtige Einstellung, Jo. Und was Oliver Marquardt angeht: Er hat nur so viel Macht, wie du ihm zugestehst. Und jetzt werde ich mal sehen, ob ich deinem Barkeeper einen Cocktail aus dem Ärmel leiern kann, bevor ich verschwinde.“

      Jo


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