gesucht gefunden. Madlen Schaffhauser
seufze ich. „du weisst doch, dass ich nicht über meine Arbeit sprechen darf.“ und küsse ihn auf die Wange.
„Hast du mir wenigstens ein Bier?“ Er lächelt mir schelmisch zu und lässt sich auf dem Sofa nieder, auf dem ich es mir vorhin bequem machen wollte.
„Lass dich bedienen.“ erwidere ich spöttisch. Ich gehe in die Küche, um ein kühles Blondes aus dem Kühlschrank zu holen. „Was verschlägt dich hierher?“
„Ich habe dich lange nicht gesehen.“ Er zwinkert mir mit den Augen zu. „Und ich habe dich vermisst. Wie geht es dir?“
„Gut.“
„Du siehst erschöpft aus.“
„Es war ein anstrengender Tag.“ Wenn ich genau nachdenke, verliefen die letzten beiden Tage nicht so, wie ich es mir erwünscht habe. Doch darüber kann ich leider nicht mit meinem Gast sprechen. Wenn ich mich überhaupt jemandem anvertrauen kann, dann ist es Tina. Aber ehrlich gesagt, weiss ich nicht einmal, ob ich ihr erzählen kann, was ich heute alles in Erfahrung gebracht habe. Ich fühle mich, als wäre ich auf einer Achterbahn gewesen, dass mein Herz aus seinem Rhythmus gerissen hat und sich nun nicht mehr beruhigen lässt.
Ich versuche die Erinnerungen an die letzten fünf Stunden in meine hinterste Ecke des Gehirns zu verbannen, das mir sogar ein klein wenig gelingt und greife nach meinem Weinglas, als ich mich neben Ron setze.
„Was habe ich verpasst?“ frage ich ihn ohne lange zu überlegen.
„Nichts. Warum fragst du?“
„Konntest du keine heisse Blondine finden?“
„Ich hatte keine Lust auf eine andere Frau. Du weisst, dass ich dich will.“
„Hör auf Ron. Es kann zwischen uns nicht klappen. Das weisst du genauso gut wie ich .“ Ich muss mir eingestehen, dass er unheimlich gut aussieht, dass er attraktiv ist, dass mir die paar Mal, die wir zusammen im Bett verbracht haben, Spass gemacht haben und schön waren. Aber das war's dann auch schon.
Ich mag ihn als Kumpel und ich möchte ihn nicht missen. Aber mehr als Freundschaft wird es zwischen uns ganz bestimmt nicht geben. Was er zu meinem Bedauern manchmal zu vergessen scheint.
„Wollen wir uns ein bisschen amüsieren?“ Ron legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und fährt mit leichtem Druck auf und ab.
„Lass das Ron.“ Sofort hebe ich seine Hand und lasse sie neben mir aufs Sofa fallen.
„Hast du einen neuen Macker?“ verwundert sieht er mich an.
„Nein.“
„Wo ist dann das Problem?“
„Du gehst jetzt besser. Es ist schon spät und ich bin ziemlich erledigt.“ Ich stehe auf und ohne ein weiteres Wort öffne ich die Eingangstür. Resigniert schaut er mich an, stellt seine Bierflasche hin und kommt auf mich zu.
„Lass von dir hören.“ Er drückt mir einen festen Kuss auf die Wange, nahe an meinen rechten Mundwinkel und verlässt die Wohnung.
Ich bleibe noch stehen, bis seine Schritte ihm Treppenhaus verklingen. Nachdenklich schüttle ich meinen Kopf über meinen besten Freund. Was war das für ein eigenartiger Besuch?
Müde schleppe ich mich zurück zum Sofa und schalte den Fernseher ein. Ich habe keine Lust weder über die letzten Tage, sowohl über die vorherige Gesellschaft nachzudenken.
4.
Mir schmerzt der Nacken und meine Füsse sind eisig kalt. Vorsichtig setzte ich mich auf und reibe meinen Hals, der ganz steif zu sein scheint. Verwirrt strecke ich mich auf dem Sofa aus und blicke auf den laufenden Fernseher, in dem gerade irgendein Krimi gezeigt wird, in dem ein FBI Agent und seine Partnerin versuchen einen Mord zu lösen.
Am Boden entdecke ich die Fernbedienung, die mir aus den Händen gefallen sein muss. Ich hebe sie auf und drücke ungefähr zwei Sekunden auf den roten Knopf, um die grausige Szene, die im Flimmerkasten zu sehen ist, wegzudrücken.
Das ist mir schon seit langem nicht mehr passiert, dass ich vor dem Fernseher eingeschlafen bin. Ich muss erschöpfter gewesen sein, als dass ich angenommen habe.
Aber was hat mich geweckt. Der Fernseher war auf stumm geschaltet. Habe ich nur geträumt oder war vielleicht irgendwas vor meiner Wohnungstür? Ich glaube, mich an ein Geräusch zu erinnern, dass mich aus dem Schlaf gerissen haben muss. Es klang, als würde jemand an der Wohnungstür kratzen. Mit verspannten Gliedern erhebe ich mich aus dem Sofa, um einen Blick aus meinem Spion zu werfen.
Es herrscht absolute Stille und Dunkelheit im Flur. Ein erleichtertes Lächeln huscht über mein Gesicht, als mir bewusst wird, dass ich alles nur geträumt habe.
Aber diese Erleichterung hält nur für einen kurzen Augenblick. Ein eigenartiges Gefühl beschleicht mich, dass jemand oder etwas da draussen war. Ich taste nach dem Türschloss und versichere mich, dass es auch wirklich verschlossen ist.
Ich schalle mich als eine ängstliche Kuh und begebe mich in das Schlafzimmer, um in meinem bequemen, breiten Bett die wenigen Nachtstunden, die mir noch bleiben, zu verbringen.
Whitney Houston weckt mich mit ihrer starken und klarer Stimme und singt mir etwas von ewiger Liebe vor. Wann wird mir endlich die ewige Liebe über den Weg laufen? Frage ich mich selbst mit einem feinen Spott, bevor ich den Wecker ausstelle. Ich reibe mir die Müdigkeit aus den Augen und schleppe mich aus dem Bett in das angrenzende Bad.
In einer guten Stunde muss ich im Büro sein. Es bleibt also noch genug Zeit für einen Kaffee und etwas gerösteten Toast.
Nachdem ich mich in ein senfgelbes Kostüm geworfen habe, kann ich endlich an dem dunklen, heissen Getränk schnuppern, das in einer Porzellantasse auf dem Küchentisch auf mich wartet. Kaum dass der erste Schluck meinen Hals hinunter rinnt und ich nach einer bestrichenen Toastscheibe greife, klingelt es an der Tür. Erstaunt über diese frühe Störung, gehe ich an die Tür. Tina grinst mir durch das Guckloch, als ich nachsehen möchte, wer vor meiner Wohnung steht.
„Hallo Schwesterchen. Mach schon auf. Ich brauche einen Kaffee.“
„Warum bist du hier?“ frage ich sie, nachdem ich ihr geöffnet habe. „Wir sehen uns doch gleich im Büro.“
„Sorry, Schwesterherz, aber ich habe ganz vergessen, dir mitzuteilen, dass du heute mit einer Frau Wermelinger verabredet bist.“ Tina geht an mir vorbei in die Küche.
Ich schliesse die Tür und folge ihr. Gerade als ich in den Raum trete, schnappt sie sich meinen Kaffee und trinkt genüsslich davon. „Du könntest wenigstens selbst eine Tasse aus dem Schrank nehmen.“
„Könnte ich.“ Sie grinst mich über den Rand der Tasse an. „Aber diese schrie förmlich nach mir.“
Also hole ich mir einen weiteren Becher und fülle sie mit Kaffee. „Wann soll ich diese Frau... Wie hiess Sie doch gleich?“
„Wermelinger.“ hilft mir Tina auf die Sprünge.
„Wann soll ich sie treffen?“
„Schon in weniger als einer halben Stunde. Ich habe dich gestern Nachmittag einige Male versucht zu erreichen, aber du hattest dein Smartphone ausgeschaltet. Danach habe ich es vergessen.“ Tina greift nach meinem Toast und beisst genussvoll hinein.
„Hat sie dir ihr Anliegen anvertraut? Wo soll ich hin?“
„Sie sucht ihre alte Schulfreundin und wartet im Schwanen auf dich.“
„Wenigstens ist es gleich um die Ecke.“
„Ach ja,“ Sie macht eine kunstvolle Pause. „wie lief es gestern?“
Ich atme tief ein, als ich an die Unterhaltung mit der krebskranken Frau denke. Was soll ich nur meiner Schwester erzählen? Ich habe der armen Frau versprochen, dass ich mit niemandem darüber spreche, was sie mir anvertraut hat. Darüber hinaus