Sea of Flames. Svea Dunnabey
saß ich hier. Erwachsen. Verheiratet. Meine Frau schwanger und das mit meinem Kind und ich konnte mich nicht weniger darüber freuen. Hätte man mir das damals gesagt, hätte ich denjenigen ausgelacht und ihm den Vogel gezeigt.
Der tragische Tod von June hatte alles kaputt gemacht. Hatte mich und meine Zukunft zerstört. Sie hatte mir so viel bedeutet, hatte mir so viel gegeben, hatte nichts Schlimmes getan, immerhin war sie erst ein paar Monate alt gewesen und trotzdem hatte sie nicht weiter leben dürfen.
Obwohl es inzwischen schon fast 25 Jahre her war, unsere Familie nie über sie sprach und ich die Erinnerungen gut verstaut hatte, war es, als wäre es gestern gewesen.
Wie ich aufgewacht war und mich gewundert hatte, dass June mich noch nicht mit ihrem Gebrabbel aufgeweckt hatte. Wie ich irritiert zu ihrem Bettchen ging und sie schlafen sah. Wie ich ihren Schlafsack öffnete und direkt spürte, wie kalt sie war. Wie ich immer wieder ihren Namen sagte und hoffte, sie würde die Augen aufmachen. Wie ich mich über ihre bläuliche Hautfarbe wunderte.
Wie ich sie auf den Arm nehmen wollte und spürte, wie kalt und steif sie war. Wie ich ihre Atmung kontrollierte und erschrak. Wie ich meine Eltern und Geschwister rief, schrie, schluchzte und immer verzweifelter wurde. Wie Tränen in mir aufstiegen und ich das Ganze nicht wahrhaben wollte. Wie meine Mutter ins Zimmer kam und mich erschrocken und entsetzt ansah. Wie auch die anderen kamen und alle versuchten June aufzuwecken.
Wie ich einige Schritte zurückging. Wie ich schluchzte. Wie ich mich zusammenrollte und alle dabei beobachtete, wie sie versuchten zu helfen. Wie sie June versuchten wiederzubeleben. Wie die Sanitäter kamen und ebenfalls versuchten June zurückzuholen. Wie ich einen Sanitäter beobachtete, der nach einer gefühlten Ewigkeit nur noch mit dem Kopf schüttelte. Wie die Zeit still stand.
Wie meine Mutter daraufhin anfing zu schreien, zu weinen und zu schluchzen. Wie unser Kindermädchen sie aus dem Zimmer holte und sie versuchte zu beruhigen. Wie June immer noch da lag, als ob sie schlafen würde, angeschlossen an alle möglichen Maschinen mit denen sie versucht hatten, sie wieder zurückzuholen. Wie Ava sich vor mich setzte und mich in den Arm nahm.
Wie June abgeholt wurde. Wie wir das Gespräch beim Bestatter hatten. Wie wir ihren Sarg und ihre Blumen aussuchten. Wie wir die Trauerfeier planten. Wie wir ein Kleid für sie kauften, damit sie besonders schön auf der Trauerfeier aussehen würde. Wie sich meine Mutter einen offenen Sarg wünschte.
Wie wir zur Kirche fuhren. Wie uns alle mitleidig ansahen. Wie mich alle in den Arm nahmen und drückten. Wie alle mir immer wieder sagten, dass wir für unsere Eltern stark sein müssten. Wie wir uns in die erste Reihe setzten. Wie der Priester seine Rede begann.
Wie er davon erzählte, dass alles im Leben seinen Sinn hätte und dass auch Junes Tod einen Sinn gehabt hätte. Wie wichtig dieser Tod doch wäre, damit wir alle verstünden, dass wir nur Gäste auf dieser Welt seien. Wie gut es ihr doch ginge, wo sie jetzt beim Allmächtigen wäre.
Wie ich immer wütender wurde. Wie ich meine Fäuste ballte. Wie ich den Priester anschrie. Wie ich schluchzte. Wie mein Vater mir eine Ohrfeige verpasste. Wie Ava mich mit sich nach draußen zog. Wie sie mich beruhigte und in den Arm nahm. Wie wir nach Hause gingen und mein Wunsch Vater zu werden mit June gestorben und begraben worden war.
Das alles wollte und konnte ich nie wieder mitmachen, weswegen eigene Kinder für mich undenkbar waren und doch war Evelyn nun schwanger. Egal, wie sehr ich Kinder liebte und gerne eigene gehabt hätte, konnte ich die Angst nicht ertragen, dass es sterben könnte und ich eines Morgens wieder das gleiche durchmachen würde wie vor 25 Jahren.
Wir hatten damals alle Mittel gehabt, waren reich gewesen, hatten alle gesundheitlichen Tests machen lassen, meine Eltern waren gesund gewesen und hatten ein gesundes Kind zur Welt gebracht und dennoch hatte all das nichts gebracht. Evelyn war gesund, ich war gesund, auch wir hatten Geld, konnten alle Tests machen, konnten noch so vorsichtig sein und dennoch könnte ich nicht sicher sein, dass es nicht doch wieder passierte.
Vollkommen hilflos und hin und hergerissen wälzte ich mich immer wieder im Bett herum, sah wie die Minuten verstrichen, wie die Sonne langsam wieder aufging, wie die Lichter in den einzelnen Wohnungen anderer Hochhäuser angeschaltet wurden und ich immer noch nicht geschlafen hatte.
Mein Körper und meine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe, weswegen ich es gegen sechs Uhr schließlich aufgab und wieder aufstand. Träge schleppte ich mich in mein Bad, machte mich frisch, wobei es mich nicht mit neuem Leben weckte, weswegen ich es mit einem doppelten Espresso versuchte, was jedoch auch nichts brachte.
Ausgelaugt fuhr ich nach unten und ging zu der Bar von gestern, um mein Auto dort abzuholen und schließlich in die Firma zu fahren, wo ich mich hoffentlich besser ablenken konnte.
Kapitel II
Evelyn
>> Du Wichser, ich mach dich fertig!<<
>> Verpiss dich du Hure!<<
>> Verpissen? Du kannst mich mal!<<
>> Lass mich in Ruhe... Hau ab! Ich stech dich ab, wenn du dich nicht endlich verpisst!<< schrie der Typ von nebenan wieder, woraufhin ich eine Tür hörte, die wenige Sekunden später zugeschlagen wurde. Es dauerte keine zwei Sekunden, ehe sie wieder aufging und ich die beiden wieder schreiend und brüllend streiten hörte.
Seufzend stand ich von meiner Matratze auf, streckte mich und ging ins Bad, um mich schnell zu duschen. Wieder hatte ich nur wenige Stunden Schlaf bekommen, der dann auch noch vollkommen unruhig gewesen war. Immer wieder hatte ich an Blake gedacht, daran, dass er sich seit vier Tagen nicht mehr bei mir gemeldet hatte und ich nicht wusste, woran ich bei ihm war.
Natürlich konnte ich verstehen, dass er schockiert war und das er Zeit benötigte, doch dass es so lange dauern und er mich komplett ignorieren würde, hätte ich nicht gedacht. Bisher hatte er mich immer in seiner Nähe gebraucht und gewollt, doch das war anscheinend Vergangenheit.
Seufzend schob ich meine Enttäuschung beiseite, trocknete mich ab und zog mir schnell etwas über, da ich mich in wenigen Minuten mit Charly und Emily im Park traf. Maggie kümmerte sich währenddessen um Ben im Krankenhaus, dem es aber weiterhin gut ging, was alle erleichtert hatte.
So schnell ich konnte, rannte ich nach unten und raus aus dem Haus, um diese üble Gegend hinter mir zu lassen. Nach zehn Stationen mit dem Bus stieg ich aus und ging den Rest zu Fuß, da ich noch Zeit hatte, bis ich eine Bank sah und hineinging. Bisher hatte ich Blake das Geld für die Begleichung der Schulden und die 10.000 Dollar, die er mir geliehen hatte, nicht zurückgezahlt, weswegen ich schnell hineinging.
Mein Gehalt war bereits auf dem Konto und da ich sein Geld so gut wie gar nicht angerührt hatte, überwies ich ihm jeden einzelnen Cent zurück und legte noch den aktuellen Zinssatz drauf, damit er hoffentlich wütend wurde, da mich seine Ignoranz so fertig machte.
Zufrieden verließ ich die Bank wieder und ging die restlichen Meter zu unserem Treffpunkt, als ich Charly und Emily auch schon entdeckte.
>> Emily.<< rief ich lauter, woraufhin sie sich umdrehte und nach mir suchte. Um ihr ein wenig zu helfen, begann ich zu winken und rief weiterhin ihren Namen, bis sie mich sah und auf mich zulief. Glücklich über ihr Strahlen hob ich sie hoch und drückte sie an mich, als auch Charly zu mir kam.
>> Hi Eve.<< begrüßte er mich sanft, nahm mich in den Arm, nachdem ich Emily wieder heruntergelassen hatte und drückte mich an sich.
>> Hi Charly. Schön dich endlich mal wieder grinsen zu sehen.<<
>> Mhm. Seit es Ben besser geht und er wirklich Fortschritte macht, bin auch ich wieder ein wenig beruhigter.<< bestätigte er mir, während wir zum Spielplatz gingen und uns an einen Tisch im angrenzenden Café setzten. Charly gab Emily noch ihre Förmchen für die Sandkiste, ehe er zu mir kam und wir uns etwas zu Trinken und etwas zum Frühstücken bestellten.
>> Hat Emily schon ihren Bruder gesehen?<< fragte ich ihn und beobachtete sie dabei, wie sie Eiskugeln