Stewardessen im Einsatz. Susanna Egli

Stewardessen im Einsatz - Susanna Egli


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seines Blickes war kristallklar: Falls du nicht zur Mitarbeit bereit bist, dann geht der Bericht, den ich bereits vorbereitet habe, an ganz bestimmte Leute in Frankfurt.

      Keine Bange, dachte Vreni. Sie werden ihr Pfündchen Fleisch kriegen. Hundertzwanzig Pfund, genau genommen. Ich gehöre ganz Ihnen, aber nicht weil ich es will - das ist verdammt sicher!

      In der Maschine waren keine Passagiere mehr. Vreni und die anderen Stewardessen gingen durch die Reihen, schauten auf und unter die Sitze, passten auf, dass keine zerknüllte Zeitung irgendwo herumlag.

      Sie starrte durch den Mittelgang der Maschine. Sie konnte sehen, dass die Männer im Cockpit miteinander sprachen. Sie sahen nicht zu ihr her.

      Ich hoffe, ihr seid dankbar für das, was ich tue, ihr Burschen, sinnierte Vreni. Ich benutze meinen Charme, um eure Haut zu retten. Wenn ich's durchgestanden habe, dann nehmt ihr mich mit und dann machen wir in der Stadt einen drauf.

      Sie trat aus der Maschine in den wundervollen Februarsonnentag von Puerto Rico.

      Nun quer über das Feld, Richtung Gebäude, schnell gehen, aufgerichtet, so, wie man es dir in der Stewardessenschule gesagt hat. Vreni winkte dem Fluglotsen im Tower zu. Sie war schon ein paar dutzendmal in San Juans Flughafen gewesen und kannte fast alle Angestellten.

      Sie meldete sich ab. Nun gehörten ihr die nächsten 48 Stunden, bis sie wieder zur Arbeit zurück musste. Vreni hatte sich auf die Zeit mit Bucher gefreut - sie hatten sich irgendwo in einem Swimmingpool im Bikini tummeln wollen und diesen Bikini vielleicht nach einiger Zeit ausziehen...

      Nun, so war es diesmal nicht.

      Sie stand im Angestelltenraum, als Bucher vorbeikam. Er schien sich von dem grässlichen Schock gut erholt zu haben. Aber er war nicht mehr so braun wie sonst.

      Er blieb stehen und sagte: „Hör zu, Vreni, die ganze schreckliche Geschichte tut mir leid.“

      „Es ist schon gut, Sandro.“

      „Ich fühle mich schuldig, weil ich zulasse, dass du so was tust.“

      Vreni zuckte mit den Schultern. „Es ist gut für die Crew, nicht wahr? Außerdem ist es schließlich nur einmal - was ist schon dabei?“

      „Nun ja“, sagte er. „So darfst du das nicht sehen, Vreni. Es ist nicht in Ordnung. Diese schreckliche Sache mit Bolliger - nun, ich wünschte, sie wäre nicht geschehen -, das ist alles, was ich sagen kann.“

      „Ich werde es überleben.“

      Er nickte. „Ich glaube auch. Hör zu, Vreni, glaubst du, du kannst dich von diesem Kerl bald freimachen, damit wir morgen unsere Runden drehen?“

      „Ich denke schon“, sagte sie.

      „Gut. Schick mir eine SMS.“ Bucher blinzelte ihr zu. Plötzlich schien er sein Selbstvertrauen wiedergefunden zu haben. „Mach diesen Schweinehund Bolliger richtig fertig, okay? Erledige ihn so, dass er sich nicht daran erinnern wird, was wir beide getan haben. Morgen mache ich dich glücklich.“

      Er ging weiter.

      Verärgert schüttelte Vreni den Kopf. Männer! Da gibt ihr dieser Bucher einen väterlichen Rat, und praktisch im gleichen Atemzug bereitete er sie darauf vor, dass er sie morgen vögeln möchte. Sehr väterlich von ihm. In der Tat.

      Sie zuckte mit den Schultern, nahm ihre Flugtasche und verließ die Halle.

      Inspektor Bolliger wartete auf sie. In seinen Augen war ein gieriger Blick, als ob er sich in der letzten halben Stunde die verschiedenen Möglichkeiten ausgemalt hätte, die bald zwischen ihnen geschehen würden, sowie er seine Kleider ausgezogen und seine Hände auf ihren nackten Körper gelegt hatte.

      Sie betrachtete ihn, als sie auf ihn zuging. Er war einfach irgendein Mann, weder hübsch und hässlich. Sein Gesicht war hart, sie entdeckte einen Zug von Grausamkeit darauf. Der richtige Typ, um ein professioneller Spion zu sein, dachte sie - Industriespion, ein richtiger Schnüffler, einer, der aufpasst, dass man nicht gegen die Regeln verstößt - ein hässlicher Job für einen hässlichen Charakter.

      Auf Bolligers Gesicht tauchte etwas auf, das offensichtlich für ihn ein Lächeln bedeutete. Es traf Vreni wie eiskalte Luft.

      „Alles klar?“, fragte er.

      „So klar wie stets.“

      „Na also los“, sagte er irritiert. „Und sehen Sie nicht so aus, als ob Sie eine Verabredung mit Ihrem Zahnarzt hätten.“

      „Erwarten Sie von mir, dass ich vor Freude in die Hände klatsche?“, fragte Vreni bitter.

      Seine Augen verengten sich. „Das sollten Sie aber besser tun“, meinte er. „Es gehört zu unserer Abmachung, dass sie mitspielen. Wenn mir Ihre Vorstellung nicht genügt, dann kann ich den Report immer noch schreiben.“

      „Das wäre Betrug.“

      „Oh ja“, sagte er. „Ich halte meinen Teil des Vertrages, wenn Sie Ihren halten. Aber wenn Sie ein so langweiliges Gesicht machen und sich benehmen wie eine Märtyrerin, dann betrachte ich die Abmachung nicht als erfüllt. Ist das klar?“

      „Sicher.“

      „Dann wollen wir also gehen.“

      Vreni musste sich dazu zwingen, das bedeutungslose professionelle Lächeln einer Luftfahrtstewardess um die Lippen zu zaubern. Ihr war klar, dass sie auf die Zähne beißen und sich diesem kaltblütigen Reptil einfach ausliefern musste, sie musste so sein, wie sie in der Maschine zu sein hatte, wenn die Passagiere sie umherjagten, auch wenn sie sich elend fühlte.

      Kurz gesagt, Vreni musste sich wie eine Prostituierte benehmen. Eine Hure musste immer eine gute Show abziehen, ganz gleich, was sie von ihrem Freier hielt, denn ihre professionelle Zukunft hing davon ab. Hier war es genauso. Sie machte Bolliger glücklich - oder sie verlor ihren Job.

      Okay, dachte sie. Es ist ja nur für eine Nacht.

      So wie jetzt hatte Vreni nie von sich gedacht. Vögeln, ja. Auf die Pauke hauen, klar. Auf die Pauke hauen und dann mit einem ins Bett gehen, sicher. Aber keine Nutte. Es gab viele Gründe, warum sie mit Männern ins Bett ging, aber sie hatte es nie für Geld gemacht oder weil sie dadurch einen besseren Job bekommen konnte. Und aus diesem Grunde konnte sich Vreni immer noch den sexhassenden Weibern überlegen fühlen, denen sie begegnete, denn die waren nicht Besseres als Prostituierte für ihre eigenen Männer, sie bekamen dafür Pelze und Autos und Häuser und Urlaubsfahrten in die Karibik.

      Sie ging aufgerichtet neben Bolliger her zu dem Taxistand vor dem Airport. Es war noch nicht Mittag, aber die Sonne brannte vom Himmel. Eine leichte Brise schaffte etwas Linderung.

      Bolliger sagte: „Ihr Vorname ist Vreni, nicht wahr?“

      „Stimmt.“

      „Ich bin Justin Bolliger. Sie können Justin zu mir sagen - schließlich wollen wir ja zusammen ins Bett gehen.“

      „Okay, Justin“, sagte Vreni und hoffte, sie hätte es so gelassen wie möglich gesagt.

      Er hieß also Justin und sah auch aus wie Justin. Vreni hatte immer die Namen mit den Kerlen verknüpft, obwohl sie nicht genau wusste, warum. Und nun ging sie also mit einem Scheißkerl ins Bett, der Justin hieß.

      Sie erwischten ein Taxi.

      „Ins The Palace“, sagte Bolliger.

      Vreni warf ihm einen Blick zu. „Nichts ist zu gut für Sie, stimmt's, Justin?“

      „Die Fluggesellschaft bezahlt“, erklärte er.

      „Schickt man Sie überall hin?“

      „Überall hin. Morgen fliege ich nach Caracas. Von Caracas nach Rio, von Rio nach Cito, von Cito nach San Francisco, von San Francisco nach Honolulu, von Honolulu nach Tokio und dann wieder zurück nach Frankfurt.“

      „Ein ganz netter Fahrplan“, kommentierte Vreni.

      „Ich komme eben rum. Sie wissen ja, man muss sehr aufpassen und


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