Damian - Falsche Hoffnung. Madlen Schaffhauser

Damian - Falsche Hoffnung - Madlen Schaffhauser


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bringe ich knapp hervor. Mehr braucht er nicht zu wissen.

      „So.“ entgegnet er gedehnt und streift mit dem Zeigefinger über sein Kinn, während er mich immer noch abwartend ansieht. „Und wenn Sie genau aus diesem Grund diese Stelle nicht erhalten werden, was machen Sie dann?“

      Ich versuche ruhig zu bleiben, auch wenn mir das äusserst schwer fällt. Meine anfängliche Nervosität ist wie verflogen. Niemand braucht meine privaten Beweggründe zu kennen. Schliesslich hat das nichts mit meiner Arbeit zu tun. Gelassen sehe ich ihm in die Augen. Hoffe zumindest, dass es den Eindruck macht, als würde es mich kalt lassen, wenn ich diese Stelle nicht erhalten werde. „Dann muss es so sein und ich werde mich nach einem anderen Job umsehen.“

      „Glauben Sie, dass Sie an einem anderen Ort bessere Chancen haben, wenn Sie nicht Ihre wahren Gründe nennen?“

      „Warum sind Sie vor zehn Jahren nach London ausgewandert und haben alles hinter sich gelassen?“ Noch bevor ich meine Worte zurücknehmen und überlegen kann, was ich soeben gesagt habe, sind sie schon über meine Lippen. Verlegen senke ich meinen Blick. Meine Finger sind krampfhaft ineinander verschlungen, die auf meinem Schoss liegen und bringe ein kaum hörbares „Es tut mir leid.“ hervor.

      „Sie haben Mut.“ Obwohl seine Augen einen gefährlichen und ja sogar einen schmerzhaften Ausdruck angenommen haben, zieht er seinen linken Mundwinkel leicht nach oben, das ein schwaches Lächeln andeuten soll.

      „Oder ein vorschnelles Mundwerk. Das war nicht meine Absicht. Entschuldigung. Ihre Vergangenheit, sowie Ihr ganzes Leben geht mich nichts an. Das wollte ich Ihnen klarmachen. Ich habe ein Privatleben wie jeder andere auch und das soll so bleiben.“

      „Nur das ein Teil von meinem Leben nicht so Privat ist, wie es sein sollte. Aber Sie haben Ihre Aufgabe gemacht.“

      „Ich möchte wissen, für wen und was ich arbeite.“

      „Das ist Ihr gutes Recht, wie es auch mein Recht ist, über meine Mitarbeiter Bescheid zu wissen.“ Er senkt seinen Blick auf die Unterlagen, die vor ihm auf dem Tisch liegen. „Ihre Adresse ist in der Schweiz.“ Er hebt seinen Kopf und sieht mich wieder an. „Haben Sie vor nach London zu ziehen oder wie stellen Sie sich das vor?“

      „Ich wollte mich zuerst beruflich absichern, bevor ich meine Papiere umschreiben lasse und alles was sonst noch notwendig ist, um in ein anderes Land zu ziehen.“

      Er bewegt leicht seinen Kopf auf und ab ohne seine Augen von mir zu wenden. „Ich habe mit Ihrem ehemaligen Chef telefoniert.“

      Abwartend sehe ich ihn an.

      „Er hat nur in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen. Ausserdem begreift er immer noch nicht, warum Sie Ihren Job an den Nagel gehängt haben.“

      Ich nicke nur. Es stimmt mich traurig, wenn ich an meinen früheren Arbeitgeber denken muss. Philipp war ein fairer und toleranter Chef. Ich habe meine Arbeit geliebt. Mein Team war fast mehr wie eine grosse Familie für mich, als nur Arbeitskollegen und trotzdem konnte ich nicht so weitermachen, als wäre alles in Ordnung. Auch wenn ich mir mehrmals gewünscht habe, dass es eine andere Lösung für mein Problem geben würde, wusste ich, dass ich nur eine Möglichkeit hatte. Und genau aus diesem Grund bin ich nun hier und sitze vor einem Mann, der eines der erfolgreichsten Imperien von ganz London geschaffen hat und bewerbe mich um eine bescheidene Stelle, um mich endlich von meiner Vergangenheit zu lösen und neu zu beginnen.

      „Ich weiss nicht, was genau Sie von mir erwarten Mr. Meyer. Wenn Sie hoffen, dass ich meine wahren Gründe offenlege, warum ich tatsächlich nach London gekommen bin, muss ich Sie enttäuschen. Aber eines können Sie sicher sein, es hat absolut nichts mit meiner ehemaligen Arbeit zu tun. Es betrifft einzig mein Privatleben und ich möchte nicht darüber sprechen. Wenn Sie mir deshalb die Stelle nicht geben, dann muss es wohl so sein und ich bedanke mich in aller Form bei Ihnen, dass Sie Ihre Zeit für mich geopfert haben.“ Meine Finger biegen sich um meine Jacke und Tasche und erhebe mich aus dem Stuhl. Ich habe mir mehr von diesem Gespräch erhofft. Tatsächlich glaubte ich, dass ich die Stelle bekommen würde, wenn der oberste Mann der Firma mich zu einem Treffen einlädt. „Darf ich Sie etwas fragen?“

      „Nur zu.“ Er steht ebenfalls auf.

      „Warum bin ich hier?“

      „Jeder meiner Mitarbeiter ist von mir persönlich eingestellt worden. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe, dem ich mein Geschäft anvertraue.“

      „Sind Sie ein Kontrollfreak?“

      „Wenn Sie es so nennen wollen.“

      „Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben bei Ihnen vorzusprechen und werde Sie nun nicht mehr länger aufhalten, Mr. Meyer.“

      Er ergreift meine Hand, die ich zur Verabschiedung ausstrecke. „Mrs Morgan wird sich bei Ihnen melden, wenn der Vertrag zum unterschreiben bereitliegt.“ Er hält noch immer meine Hand.

      Vor Sprachlosigkeit starre ich ihn mit offenem Mund an und stottere dann in meiner Muttersprache herum. „S...sie... Sie wollen mir damit sagen, dass ich den Job habe?“

      „Ich habe schon lange niemanden mehr auf Schweizerdeutsch reden gehört. Es klingt schön.“ Er lächelt mich doch tatsächlich an. Lässt aber zu meinem Bedauern meine Hand los. „Sind Sie bereit?“

      „Wofür?“ frage ich ihn ahnungslos. Ich bin noch immer verwirrt darüber, dass mir seine Berührung ein angenehmes Kribbeln durch den Körper jagte.

      „Für mich zu arbeiten?“

      Ich würde nichts lieber tun, als ihm um den Hals zu fallen, kann mich aber gerade noch im letzten Moment beherrschen. „Soll das ein Witz sein?“

      „Eigentlich nicht.“ Wieder zieht er einen Mundwinkel nach oben. Dieses Mal erreicht es sogar seine Augen.

      Ich drehe mich von ihm weg und gehe zur Tür. Doch bevor ich sie öffne, blicke ich mich nochmals zu ihm um. „Ich habe es nicht gelesen.“

      „Was haben Sie nicht gelesen?“ Verständnislos sieht er mich an.

      „Das, was im Internet über Sie zu finden ist. Über Ihre Vergangenheit. Was Sie dazu geführt hat, nach England zu gehen.“

      „Warum nicht.“ Ich sehe, wie er einen grossen Kloss versucht hinunterzuschlucken, der seine Kehle zuzuschnüren droht.

      „Wie ich schon sagte, hat jeder ein Anrecht auf eine Privatsphäre. Auch Sie. Was immer vor all den Jahren geschehen ist, Sie können nichts Schlimmes getan haben. Aber ich denke, dass Sie etwas sehr Dramatisches erlebt haben, das Ihr ganzes bisheriges Leben verändert hat. Auf Wiedersehen Mr. Meyer.“ Ich drücke den Griff nach unten und betrete den halbrunden Flur ohne mich nochmals zu meinem zukünftigen Chef umzusehen.

      2.

      Bereits zum dritten Mal lese ich die Schrift auf der grossen Tafel, die vor dem Eingang des Meyer Empires steht und versuche ein heimisches Gefühl für die Firma zu bekommen, für die ich ab heute arbeiten werde. Ich nehme die Worte wie ein Stück Schokolade in den Mund und lasse sie genauso darauf zergehen, als wären sie ein Teil dieser süssen Köstlichkeit.

      In wenigen Minuten beginnt mein erster Arbeitstag. Denn wie versprochen, hat sich Mrs Morgan schon einen Tag nach meinem Gespräch mit Mr. Meyer kontaktiert und mich gebeten vorbeizukommen, um den Vertrag zu unterschreiben.

      Aufgeregt? Zappelig? Erregt? Ich weiss nicht, wie ich meinen Gemütszustand beschreiben soll. Es sind schon einige Wochen vergangen, seit ich einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen bin. Ich habe genug Zeit verstreichen lassen, um mich wieder zu fangen und bis vor Kurzem glaubte ich auch, ich hätte mich wieder unter Kontrolle. Aber jetzt, wo ich die Möglichkeit erhalten habe, ein Teil von einem der grössten Unternehmen von ganz England zu werden und vor diesem riesigen Gebäude stehe, drohen mir meine Beine nicht zu gehorchen.

      Wie festgefroren stehe ich da und schweife mit meinen Augen ständig von den gläsernen


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