Damian - Falsche Hoffnung. Madlen Schaffhauser

Damian - Falsche Hoffnung - Madlen Schaffhauser


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Weg von ihm, so schnell und weit wie möglich.

      „Ich dachte ich sehe mal nach Ihnen. Allem Anschein nach haben Sie die gleichen Absichten, wie ich Ihnen vorschlagen wollte. Was halten Sie von einem gemeinsamen Essen?“

      Mit offenem Mund starre ich ihn an. Als hätte ich ihn nicht richtig verstanden, frage ich ihn: „Wie bitte?“

      „Wollen wir etwas essen gehen? Ich denke, Sie könnten genauso gut wie ich eine kleine Stärkung gebrauchen.“

      „Halten Sie das für eine gute Idee?“

      „Warum nicht?“

      „Sie sind Schliesslich mein Boss.“

      „Was sollte daran falsch sein, wenn zwei Mitarbeiter miteinander essen gehen?“ fragend sieht er mich an, aber bevor ich etwas darauf erwidern kann, spricht er weiter. „Waren Sie nie mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten essen?“

      Ich hatte stets ein hervorragendes Verhältnis zu Philipp, es wäre mir aber zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, mit ihm alleine in ein Restaurant zu gehen. Meine Augen sind fest auf den Mann vor mir gerichtet. „Nein, war ich nie.“

      „Dann wird das heute Ihr erstes Mal sein.“ Eine geringe Andeutung eines Lächelns bildet sich um seine Mundwinkel und seine Iris leuchtet verdächtig hell auf. War das eine kleine Anspielung oder interpretiere ich zu viel in seine Bemerkung? Ein schwaches, aber intensives Kribbeln breitet sich in meiner Magengrube aus. Und weg sind meine guten Vorsätze von hier zu verschwinden, um mich in meiner Einsamkeit zu verkriechen. Obwohl mich meine innere Stimme warnt mit ihm zu gehen, siegt das Kribbeln in meinem Körper.

      Was auch immer er mit seinem ersten Mal andeuten wollte, es ist nicht von Bedeutung. Denn es ist seine unbefangene Art, die mich fasziniert und die mich zu dieser Entscheidung führt.

      „Ich könnte wirklich einen Imbiss gebrauchen.“ Wie zur Bestärkung knurrt mein Magen. Verlegen lege ich meine Hand auf meinen Bauch.

      „Dann lassen Sie uns gehen. Ich kenne ein ausgezeichnetes Restaurant.“

      Ich gehe neben meinem Chef auf den Fahrstuhl zu. Als die Türen aufgleiten, treten wir ein und er drückt den Knopf für das Erdgeschoss. Vor dem Gebäude steuere ich gleich den Zebrastreifen an. Doch bevor ich noch einen weiteren Schritt in diese Richtung machen kann, spüre ich plötzlich eine Hand auf meinem Arm, die mich mit leichtem Druck festhält und mich zwingt umzudrehen.

      „Mein Fahrer wartet bereits.“ Mr. Meyer deutet auf eine schwarze Limousine. Davor steht ein hochgewachsener, stämmiger Mann mittleren Alters. Sein Haar ist kurz, ziemlich kurz und ebenso dunkel wie sein Anzug und das Auto hinter ihm, jedoch trägt er keine Mütze, so wie man es von Chauffeuren kennt.

      „Wir gehen nicht zu Fuss?“ Etwas überrascht sehe ich meinen Chef an.

      „Wir müssen ein paar Minuten fahren. Aber dafür lohnt es sich. Vertrauen Sie mir.“ Er lenkt mich mit seiner Hand auf meinem Arm zu seinem Fahrer. „Hallo Pietro. Alles gut?“

      „Ja, Boss.“ Er tippt sich an seine imaginäre Hutkrempe und beachtet mich dann mit einem freundlichen, aber verständnislosen Blick. „Wo darf ich Sie hinbringen, Mr. Meyer?“ Sein italienischer Akzent ist unverkennbar.

      „Miss Weber und ich würden gerne eine Kleinigkeit essen. Bringen Sie uns bitte ins Forestlake.“

      „Natürlich. Miss Weber,“ Er knickst mit seinem Kopf in meine Richtung und öffnet uns die hintere Wagentür, wobei mir sein Waffenholster unter seiner dicken Jacke nicht verborgen bleibt. „bitte steigen Sie ein.“

      Ich blicke mich nach allen Seiten um, weil mir diese ganze Situation plötzlich ein eigenartiges Gefühl in mir auslöst, steige aber trotzdem in das Auto.

      Als hätte ich meine Besorgnisse laut ausgesprochen, äussert sich Damian Meyer leise dazu, der nun neben mir im hellen Lederpolster sitzt. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr überfallen.“ fragt er mich, sobald sich die Limousine in Bewegung gesetzt hat.

      „Warum trägt Ihr Fahrer eine Waffe?“

      „Verunsichert Sie das?“

      „Vielleicht ein wenig.“ gebe ich ehrlich zu.

      „Er trägt sie für meinen Schutz.“

      „Benötigen Sie denn so was?“

      „Bis jetzt war es nicht nötig. Aber man sichert sich lieber im Voraus ab. Stört es Sie?“

      „Nein.“ Auch wenn ich versuche meine Unsicherheit zu verbergen, so klinge ich nicht sehr überzeugend. Ich kann meinem Chef nicht in die Augen sehen und blicke daher aus dem schwarz getönten Fenster. Der Rolls Royce, dessen gemütlichen Polster und jeglichen Komfort, welches dieses Schiff auf vier Rädern bietet, ich kaum wahrnehme, rollt leise über die Londoner Strassen.

      Die Trennscheibe zwischen Fahrer und Fond ist geschlossen und somit der Chauffeur weder zu sehen noch zu hören. Es ist still im Auto. Nur mein schneller Atem ist zu hören. Ich bete, dass Damian das heftige Pochen meines Herzens nicht bemerkt, das kurz vor einer Panikattacke steht. Ich versuche mich zu beruhigen, aber das ist nicht so einfach, wie man sich das manchmal wünscht.

      Verzerrte Erinnerungsfetzen, die noch kein Jahr alt sind, schleichen sich in meinen Kopf und drängen sich langsam immer weiter nach vorne.

      Ich dachte ich wäre über das Schlimmste hinweg, doch soeben werde ich eines Besseren belehrt, während sich mein Puls immer mehr beschleunigt.

      „Jessica?“

      Leise dringt mein Name in mein Ohr. Langsam, wie in Zeitlupe, drehe ich mich zu ihm um. Er sieht mich besorgt und ratlos an.

      „Jessica?“ Nie hat mein Name so schön geklungen, wie aus seinem Mund. Es klang beschützend und vielversprechend. „Ist alles in Ordnung? Sollen wir umdrehen oder anhalten?“ Seine tiefe, starke Stimme legt sich wie eine feste Umarmung um mich, in die ich mich gerne fallen lassen würde. Noch nie in meinem Leben habe ich mir etwas sehnlicher gewünscht, als von diesem Man gehalten zu werden. Ich verspüre den Wunsch zu weinen. All den unvergossenen Tränen freien Lauf zu lassen und trotzdem kämpfe ich gegen dieses mächtige Verlangen an und blinzle sie zurück.

      Seine Augen bohren sich in meine. Unfähig etwas zu sagen oder zu tun, erwidere ich seinen Blick in der gleichen Intensität, wie er mich betrachtet. Eine gefühlte Ewigkeit sehen wir uns an, ohne dass irgendwer irgendwas unternimmt, bis er eine Hand nach mir ausstreckt und mich ohne Vorwarnung an sich zieht. Ich lasse es einfach geschehen und lege meinen Kopf an seine harte Brust. Er schliesst seine muskulösen Arme um mich und zieht mich noch näher an sich. Ein lautes, befreiendes Wimmern dringt aus meiner Kehle, das ich nicht aufhalten kann. Sowie die Tränen, die nun über meine Wangen laufen.

      Über mehrere Monate hinweg durfte mich kein Mann mehr berühren. Nicht einmal mein Vater. Warum muss es ausgerechnet mein Chef sein, der mich halten darf? Der mich fest an sich drückt und ich dabei seinen beruhigenden Herzschlag hören kann? Warum fühlt sich seine Hand auf meinem Rücken, die mich sanft streichelt, so unglaublich beschützend an?

      Als ich mich wieder gefangen habe, löse ich mich vorsichtig aus seinen Armen. Er reicht mir ein weisses Taschentuch womit ich die salzige Spur meiner Tränen auf dem Gesicht wegwischen kann. Unfähig ihn anzusehen, blicke ich verlegen auf meine Hände, die gefaltet auf meinem Schoss liegen, dazwischen das zerknüllte Taschentuch.

      „Geht's wieder?“

      „Ich denke schon.“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.

      „Wollen Sie weiterhin mit mir essen gehen oder wäre es Ihnen lieber, wenn wir Sie nach Hause bringen?“

      Mein Magen knurrt verdächtig laut und wir brechen beide in ein herzhaftes Lachen aus.

      „Ich nehme das als Antwort.“ meint er, als wir uns wieder erholt haben.

      Er stellt mir keine Fragen. Sieht mich nicht bemitleidend an. Sondern sitzt nur ruhig neben mir, so als wäre vorhin gar nichts gewesen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, auch


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