Was Mörder nicht wissen .... Lori Moore
diesem Mordfall sind wir noch ganz am Anfang der Ermittlungen. Der Mann dort“, er zeigt auf einen Forensiker, „der geht auf Spurensuche mit seinem Schmauchspurenkoffer. Bei jeder Schussabgabe entstehen durch das Mündungsfeuer kleinste Rückstände, die rund um die Waffe durch die Luft fliegen.“
„Wie geht das?“ Moon lässt die Frage unbeantwortet. Sie sehen, wie der Kriminalist mit einem befeuchteten Löschblatt kleinste Partikel sicherstellen kann. Schmauchspuren geben Erkenntnisse, wer mit der Waffe in Berührung gekommen ist. Moon und Light sehen genau hin, was der Forensiker macht. Dieser schaut den jungen Kommissar an und erklärt ihm:
„Falls das Opfer Schmauchspuren an der Hand hat, könnte das auf einen Suizid hinweisen.“
Er drückt das Löschblatt ca. eine Minute auf die Handflächen. Norwin sieht sofort, dass hier ein Suizid unwahrscheinlich ist, weil die Tatwaffe fehlt. Die Ermittler suchen Projektil und Hülse. Für den Waffenspezialist sind dies zwei unerlässliche Beweismittel für die Rekonstruktion der Tat. Der Kriminalist findet tatsächlich in der Wand ein Einschussloch. Bevor dieses näher untersucht werden kann, wird das Einschussloch systematisch fotografiert, damit die Schusslaufbahn und die Position, aus der der Mörder den Schuss abgegeben hat, ermittelt und berechnet werden können. Erst jetzt kann das Loch angeschaut und ermittlungstechnisch bearbeitet werden. Sie finden das Projektil direkt bei der Wand in der Badewanne. Da keine weiteren Schussabgaben ersichtlich sind, ist der Waffenspezialist mit seiner Arbeit am Tatort fertig. Was fehlt, sind die Patronenhülse und die Waffe.
Rechtsmedizinerin Linda Medi betritt den Raum und untersucht die Leiche. Sie misst die Raumtemperatur. Das ist ein wichtiger Faktor, um den Todeszeitpunkt zu schätzen. Sie notiert 21,5 °, um 17:30 Uhr.
„Fällt dir etwas auf Nils?“, spricht er leise. „Nein.“
„Mir fällt auf, wie eng die Kriminaltechnik und die Rechtsmedizinerin zusammenarbeiten. Sie informieren sich laufend über jedes Detail, sichern gemeinsam die Spuren.“
Es ist tatsächlich so, dass die kleinste Spur reicht, um ein DNA-Profil zu erstellen. Sollte das Opfer sich verteidigt haben, so könnten sich Hautspuren von Täter oder Täterin unter den Fingernägeln befinden. Die Rechtsmedizinerin sammelt DNA-Material an der Leiche. Sie untersucht den Halsbereich, falls das Opfer gewürgt wurde. Das Opfer hat eine große Wunde am Kopf. Sie ist verklebt, verkrustet, wie es aussieht, ist die Verletzung nicht vom Aufprall auf den Boden.
Am Einschussloch in der Brust sind Ringspuren zu sehen. Das Loch hat eine braunschwärzliche Verfärbung. Die Leiche am Boden wird auf die Seite gedreht und die Kleider werden ausgezogen. Linda Medi betrachtet die Stelle am Rücken, wo das Projektil rausgekommen ist. Sie erklärt Moon und Light: „Ich will feststellen, ob die Frau durch den Schuss gestorben ist oder durch die Wunde am Kopf. Es könnten ja zwei Täter für die zwei Wunden verantwortlich sein.“
Diese Feststellung wird später noch wichtig sein.
Ein Ermittler findet im Bad am Boden die Hülse. Der Waffenexperte wird diese im Labor genau unter die Lupe nehmen. Es ist eine 9 mm Luga. Das Schlafzimmer wird mit Crime Light auf mögliche Spermaspuren durchleuchtet. Es ist eindeutig, da der Bestandteil von Sperma fluoresziert, man sieht das, es leuchtet im Crime Light. Drei Spuren sehen sie, die mit der Nr. 14 versehen werden. Moon sieht das, er richtet die Frage an Linda: „War es eine Vergewaltigung oder wurde sie bei einem Seitensprung erwischt?“
„Ich bin noch nicht so weit für eine genauere Beurteilung.“
Sie testet, ob es definitiv die Körperflüssigkeit ist. Fällt der Test positiv aus, gibt es eine Reaktion. Das ist jetzt der Fall. Es erfolgt der DNA-Abrieb, sie erhofft sich, möglichst viel Sperma zu erwischen. Mit einem Wattestäbchen wird mit Druck der Spermabereich abgerieben, damit genügend Material für den Test vorliegt. Wie andere Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel ist Sperma ein guter DNA-Träger.
Das gibt wieder viel Arbeit im DNA-Labor. Bei einem Tötungsdelikt wie diesem kommen viele hundert Spuren zusammen, die in tagelanger Arbeit ausgewertet werden. Praktisch kann jeder Gegenstand, jede Körperflüssigkeit eine DNA-Spur liefern. Die klassischen Lieferanten sind Blut, Sperma, Speichel.
Im Rechtsmedizinischen Institut führen Genetiker 80 Prozent ihrer Analysen mit Spuren von Berührungen durch, den sogenannten Kontaktspuren.
Nils: „Ist da jede Spur brauchbar?“
„Nein, leider nicht. Bei den vielen Spuren kann von einem guten Profil bis zu einem unbrauchbaren alles dabei sein“, beschreibt ihm Linda.
Aber die Analysen mit den neuen Hightech-Geräten werden immer sensitiver. Heute kann man mit wenig Zellen, ca. 10 bis 20, schon ein DNA-Profil erstellen.
Wie ist das möglich?
Jede menschliche Zelle enthält im Zellkern das gesamte Erbgut verteilt auf Chromosomen. Die eine Hälfte stammt von der Mutter, die andere vom Vater. Die Forensiker interessieren die Stellen, die am meisten variieren, sie liegen außerhalb der Gene und werden eins zu eins verglichen.
Linda merkt, dass der junge Kommissar mit dieser Materie überfordert ist. Einfach erklärt: „Der Trick dabei ist, dass zuerst die DNA millionenfach vervielfältigt wird, diese Menge erlaubt dann auch bei einer winzigen Spur eine Analyse. Am Tatort gibt es tausende solcher Kontaktspuren. Das Weinglas und die Weinflasche haben mehrere Personen berührt und das Messer könnte auch noch eine andere Person benutzt haben. Für die Genetiker bedeutet das sehr viel Arbeit. Das Resultat ist dann unbrauchbar, wenn viele einzelne kleine DNA-Spritzer dabei sind.“ Am Tatort konnten fast alle Spuren gesichert werden.
Die Arbeit der Ermittler beginnt nochmals von vorne.
Die Fingerabdrücke sind an der Reihe, sie sind eine der tragenden Ermittlungssäulen in der Forensik. Norwin und Nils betrachten genau, wie der Forensiker mit feinem Aluminiumpulver die Fingerabdrücke sichtbar macht. Mit einem Pinsel streicht er über die Fingerprints an einem Glas, welches am Tatort auf dem Tisch war.
Sind diese vom Opfer oder vom Täter?
Auch diese Abdrücke werden mit einer Folie gesichert – die Folie muss gut angedrückt werden. Das ist eine sehr heikle Aufgabe, man muss sich vorstellen, jeder saubere Abdruck kann nachher verglichen werden. Wird dieser einmal zu stark verwischt, dann ist die Spur für immer verloren. Die Spuren, die am Tatort gesichert werden, hat man für die Beweisführung. Danach hat man keine Chance mehr, noch irgendwelche Abdrücke nehmen zu können. Es ist besser, zu viele zu sichern als zu wenige. Das ist ein Riesenaufwand, als Forensiker sitzt man stundenlang an dieser Arbeit, sogar Tage.
Moon und Light helfen, die Gegenstände für das Labor zur Untersuchung einzupacken. Es ist nicht erkennbar, ob sich auf dem Messer eine Spur befindet. Auf der Weinflasche klebt Blut und Haare, dies ist mit bloßem Auge erkennbar. Moon vermutet, dass dies etwas mit der Kopfwunde des Opfers zu tun haben könnte.
Nach über zwölf Stunden konnten die wichtigsten Spuren gesichert werden. Die Tage der Tatortermittler sind lang und streng. Es gibt Tatortbilder, die lassen einen Ermittler nicht mehr los. Die müssen gedanklich weit hinten im Kopf abgelegt werden. Wenn ein Ermittler diese Bilder „gedanklich“ jeden Tag hervorholt, dann ist er für diese Arbeit nicht geeignet.
Nils sagt zu Norwin: „Haben diese Mordfälle dich als Menschen verändert?“
Er überlegt lange: „Ich denke, mich haben sie abgestumpft, auch gefühlsmäßig.“
Es weiß nicht, wie sein Umfeld, seine Freunde darüber denken. Die Bilder an einem Tatort können belastend wirken.
Die Kriminalisten konzentrieren sich nochmals auf die Beweismittel, ob sie wirklich alles erfassen konnten. Diese Frau ist vermutlich erschossen worden, was fehlt, ist die Tatwaffe. Neugierig sind sie auf die Auswertung von Beweismittel 4, dem Smartphone. Können die Forensiker die Handy-Daten noch abrufen, von außen sieht es beschädigt aus. Die Mordermittler dürfen jetzt die weißen Schutzanzüge ausziehen. Moon und Light sind für den übernächsten Morgen früh aufgeboten worden, um sich im Rechtsmedizinischen Institut einzufinden und bei der Obduktion dabei zu sein, wenn die Leiche untersucht wird.
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