CyberWorld 3.0: Evil Intentions. Nadine Erdmann

CyberWorld 3.0: Evil Intentions - Nadine Erdmann


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Bar an. »Wäre doch ziemlich langweilig, wenn da nichts passieren würde, oder nicht?«

      Charlie schnaubte. »Ihr habt eine verdammt seltsame Vorstellung davon, was Spaß macht. Ich bin jedes Mal halb tot vor Angst, wenn irgendeins eurer Monster auf mich zukommt. Oder wenn ich eine Tür öffnen oder um eine finstere Ecke gehen muss. Das ist doch kein Spaß! Das ist Antrainieren von paranoiden Wahnvorstellungen!«

      »Es ist einfach nur cooler Nervenkitzel.« Jemma streifte einen fleckigen Leinensack von ihrer Schulter. »Und sooo schlecht kannst du das alles ja nicht finden, immerhin spielst du heute schon zum dritten Mal Versuchskaninchen.« Sie legte das Bündel mit ihrer Schmuggelware auf einem wackligen Barhocker ab und bimmelte eine Glocke, die neben einem kleinen Holzfass und zwei Flaschen Rum auf dem Tresen stand.

      »Ich bin halt leider neugierig.« Da hier anscheinend wirklich keine Piraten aus den Ecken sprangen oder die gequälten Seelen längst verstorbener Gäste dieser zwielichtigen Kaschemme auf die Idee kamen, aus dem Fußboden emporzusteigen, beschloss Charlie ihrer Paranoia eine Auszeit zu gönnen. Sie ließ den Säbel sinken und wies in den Gastraum. »Es ist echt cool, dass so was hier von meinen Freunden ist.« Sie grinste. »Und wenn das Spiel irgendwann fertig ist und auf den Markt kommt, will ich damit gebührend angeben können und das geht ja wohl nur, wenn ich es selbst gespielt hab und auch weiß, wovon ich rede.«

      »Überleg dir eine Questaufgabe oder irgendein gruseliges Event, dann kannst du dich hier sogar selbst verewigen. Wenn deine Ideen hier reinpassen, setzen wir sie gerne um.«

      »Meinst du echt?«

      »Klar, warum nicht? Wir freuen uns aber auch über richtig aktive Hilfe, denn es gibt noch jede Menge Arbeit.« Jemma deutete in den leeren Gastraum. »Hier soll auf jeden Fall ein bisschen mehr los sein, wenn das Spiel mal fertig ist. Und der Trigger für den Wirt scheint auch noch nicht zu funktionieren.« Sie bimmelte noch einmal die Glocke auf dem Tresen, doch kein NPC ließ sich blicken.

      »Wäre schon cool, hier mitzumachen.« Charlie ließ ihren Blick umherwandern, sah dann aber zweifelnd zu Jemma. »Ich kann aber weder Vorlagen zeichnen noch programmieren.«

      »Das kann Zack auch nicht. Aber er schreibt echt witzige Dialoge und du bist schließlich auch nicht auf den Mund gefallen. Ich wette, ihr zwei wärt ein absolutes Dreamteam.«

      Charlie musste lachen. »Ja, vermutlich. Stammt diese Spelunke hier denn aus deiner Feder?«

      Jemma schüttelte den Kopf. »Nein, die basiert auf Fotos vom Jamaica Inn, einem alten Gasthaus in Cornwall, in dem früher wirklich mal Piraten ihre Schmuggelware vertickt haben.«

      »Echt? Wie cool ist das denn?!«

      »Die Recherchearbeit macht übrigens auch Zack und ich bin mir sicher, dass er sich dabei auch über Hilfe freuen würde. Er hat eine ganze Menge Gruselgeschichten und düstere Legenden gefunden, die sich um das Gasthaus und die kornische Küste ranken. Zack schreibt sie um und macht Hintergrundgeschichten und Questaufgaben daraus.«

      »Wow.« Charlie war ehrlich beeindruckt. »Dann gibt’s noch mehr reale Orte?«

      »Die komplette Küstenlinie entspricht der Westküste Englands, also alle Buchten, Klippen und so weiter. Ich hab allerdings die Häuser bearbeitet, damit sie alt aussehen und ins achtzehnte Jahrhundert passen. Außerdem ist die Schatzkammer in der Schmugglerhöhle von mir und die Innenräume des Geisterschiffs. Das Äußere hat Jamie gezeichnet, genauso wie alle Geister, Monster und andere NPCs. Figuren sind eher sein Ding. Ich mach lieber die Szenerie.«

      »Und Ned programmiert dann alles?«

      »Genau. Will hilft ihm, wenn er Zeit hat, und Jamie kriegt die Basics mittlerweile auch schon ganz gut hin.«

      Charlie stemmte ihre Hände in die Hüften und betrachtete sich in einem riesigen Spiegel mit schwerem Schnörkelrahmen, der gegenüber dem Tresen an der Holzwand hing. »Und wem hab ich diese schrecklichen Pumphosen zu verdanken, die einen aussehen lassen, als hätte man einen Elefantenhintern?«

      Jemma rollte mit den Augen. »Das hier ist ein Piratenabenteuer, keine Modenschau!«

      »Trotzdem.« Charlie rümpfte die Nase. »Man weiß schließlich nie, wann man mal jemanden optisch umhauen möchte. Und, Süße, in diesen Hosen? Never ever!«

      »Wen sollte ich denn optisch umhauen?«, seufzte Jemma. »Will ist ja kaum mal hier. Seit er auf dem College ist, sehen wir uns fast nur noch am Wochenende.«

      Sie betrachtete sich ebenfalls im Spiegel. Eigentlich fand sie diese Hosen gar nicht so schlecht. Sie kaschierten ihre zu schmalen Hüften und gaukelten so zumindest dort ein paar Kurven vor, die sie nicht hatte. Im Gegensatz zu dem Korsett, das das Spiel ihr über einem weißen Hemd mit bauschigen Ärmeln verpasst hatte. Diese Kombi zeigte leider nur allzu deutlich, dass ihre Oberweite nicht sonderlich viel zu bieten hatte.

      »Von dir redet ja auch keiner.« Charlie zupfte ihr Hemd zurecht, um das recht eindrucksvolle Dekolleté ihres Avatars noch ein bisschen besser zur Geltung zu bringen.

      Überrascht sah Jemma sie an. »Wen willst du denn hier umhauen? Etwa Ned?«

      »Na, bei Zack und Jamie wäre es ja wohl vergebliche Liebesmühe, oder nicht?«

      »Dann haben du und Colin wirklich endgültig Schluss gemacht?«

      »Yep. Dieses ständige On-and-off ist einfach nicht gut für die Band. Also haben wir jetzt einen Schlussstrich gezogen und bleiben einfach nur gute Freunde. Und das klappt echt prima. Es war ja eh nie so was super Ernstes.«

      »Und jetzt hast du ein Auge auf Ned geworfen?« Jemma musterte ihre beste Freundin verwundert. Ned entsprach so gar nicht ihrem üblichen Beuteschema.

      »Warum denn nicht?« Charlie betrachtete sich erneut kritisch im Spiegel. »Er sieht süß aus, ist clever und kann ziemlich witzig sein, wenn er auftaut.« Sie warf Jemma einen frechen Blick im Spiegel zu. »Hättest du denn was dagegen, wenn ich was mit dem Bruder deines Freunds anfange? Denk nur mal, was das für Potenzial hätte! Wenn er mein Mister Right ist, könnten wir eine richtig coole Doppelhochzeit feiern!«

      »Ja, klar«, schnaubte Jemma und zog sich auf einen der Barhocker. »Wann denn? Nächstes Wochenende?«

      Charlie lachte. »Ich bin zwar gut, aber ob ich Neds Herz so schnell gewinnen kann, weiß ich nicht. Ich glaub, bei ihm werd ich ein bisschen länger brauchen, um ihn zu knacken.« Sie grinste bedeutungsvoll. »Aber wer weiß, was Will mit dir an deinem Geburtstag vorhat?«

      »Du spinnst!«

      Charlie zuckte bloß mit den Schultern. »Wenn er nicht total blöde ist, weiß er, was er an dir hat. Und dann wird er sicher nicht riskieren, dass ihm jemand zuvorkommt und dich wegschnappt.«

      »Klar! Weil die Verehrer ja auch Schlange bei mir stehen …«

      »Oh, es gab am Freitag im McAllister’s schon den ein oder anderen Kandidaten, der interessiert in deine Richtung geguckt hat. Und im Gegensatz zu dir hat Will die auch bemerkt.«

      Jemma verzog das Gesicht. »Deshalb macht er mir noch lange keinen Heiratsantrag. Er ist weder eifersüchtig noch besitzergreifend. Gott sei Dank!«

      »Und was ist mit dir?«, stichelte Charlie fröhlich weiter. »Er fängt sich schließlich auch immer einige äußerst interessierte Blicke ein. Und er ist jetzt auf dem College. Wer weiß, was für heiße Mädchen er da trifft, die keine Schuluniform mehr tragen müssen?«

      Empört kickte Jemma ihr vom Barhocker aus in den Hintern.

      »Autsch! Hey, ist das der Dank dafür, dass ich mich so um dein Liebesleben sorge?!«

      »Kümmere dich mal lieber um das Chaos in deinem eigenen!« Jemma musterte ihre Freundin abschätzend. »Meintest du das gerade eigentlich echt ernst? Du und Ned? Er ist ja nun nicht unbedingt einer der strahlenden Sonnyboys, auf die du sonst so abfährst.«

      Charlie hob die Schultern und zog verlegen die Nase kraus. »Ja, hört sich


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