CyberWorld 3.0: Evil Intentions. Nadine Erdmann

CyberWorld 3.0: Evil Intentions - Nadine Erdmann


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warum er sich noch weiter damit herumquälte, seinem kaputten Körper das Laufen wieder beizubringen, wenn er sich doch jetzt stattdessen einfach einen perfekt funktionierenden neuen anschaffen konnte. Und Mike war auch nicht der Erste, der Jamie unterstellte, dass er sich nur mit dem Sohn des Bioroboterentwicklers angefreundet hatte, weil er hoffte, so möglichst schnell einen vorderen Platz auf den Wartelisten zu bekommen. Zwar war kaum einer so dreist wie Mike und sagte es Jamie offen ins Gesicht, aber Getuschel gab es mehr als genug.

      Ned seufzte. Er wusste, wie unfair diese Unterstellungen waren und sie machten ihm ein verdammt schlechtes Gewissen. Und Angst. Jamie war sein bester Freund und bisher ignorierte er mehr oder weniger stoisch all die dämlichen Kommentare. Doch was, wenn es ihm irgendwann zu viel wurde? Was, wenn er seine Ruhe wollte und auf Distanz zu ihm ging, um dem Gerede ein Ende zu machen?

      Jamie womöglich als Freund zu verlieren – auf einmal klebte Ned sein Käsesandwichbissen ziemlich pappig im Mund. Er beugte sich vor, um einen Schluck Tee zu trinken, als Charlies Lachen ihn abrupt aus seinen düsteren Gedanken riss. Irgendwas in seinem Inneren begann zu kribbeln, als ihm plötzlich bewusst wurde, wie nah sie bei ihm saß, weil Sam und Meg sich zu ihnen auf die Bank gequetscht hatten.

      Wow …

      Rasch würgte er den Sandwichbissen hinunter und horchte in sich hinein. Er spürte dieses seltsame Kribbeln in Charlies Nähe nicht zum ersten Mal und er hatte keinen Schimmer, was das zu bedeuten hatte … Was er da fühlte …

      Er mochte Charlie. Sehr sogar. Sie war witzig und schlagfertig, hilfsbereit und immer irgendwie in Action. Wenn es etwas zu regeln gab, nahm sie es in die Hand, und alles schien plötzlich einfach und unkompliziert. Außerdem lachte sie gern und er hatte sie noch nie wirklich schlecht gelaunt erlebt. Sie war so völlig anders als er und das faszinierte ihn maßlos.

      Und sie war hübsch. Ziemlich klein, kaum größer als Jemma, dafür aber nicht so schmal. Eher im Gegenteil. Ein paar magersüchtige Zicken hatten bei Charlies letztem Auftritt im McAllister’s rumgelästert, wie fett sie sei, doch da sprach offensichtlich nur die pure Missgunst. Fett war Charlie sicher nicht. Ein bisschen pummelig vielleicht, aber gerade das sah doch süß aus! Ned gefielen ihre Kurven jedenfalls ziemlich gut und Charlie wusste definitiv, wie sie die am besten in Szene setzte.

      War dieses Kribbeln in seinem Inneren also vielleicht so was wie die berühmten Schmetterlinge, die angeblich auftauchten, wenn man dabei war, sich in jemanden zu verlieben?

      Verstohlen musterte er Charlie von der Seite.

      Er war noch nie verliebt gewesen. Der jahrelange Kampf gegen den Krebs, die Angst zu sterben – das alles hatte äußerst effektiv als Liebestöter gewirkt. Mal ganz davon abgesehen, dass er die meiste Zeit wegen seines kaputten Immunsystems praktisch im Haus eingesperrt gewesen war und sich damit potenzielle Chancen zum Verlieben einfach nicht ergeben hatten. Er kannte die typischen Anzeichen also nur aus Büchern und Filmen.

      Schmetterlinge im Bauch.

      Herzklopfen.

      Schwitzige Hände.

      In seinem Roboterkörper bekam er keine schwitzigen Hände und sein künstliches Herz schlug niemals schneller, sondern hielt sich unbeeindruckt an seinen vorprogrammierten Takt, um die Nährstoffe durch seinen Körper zu pumpen, die seine Biozellen zum Leben brauchten. Und das Ding unterhalb seiner Gürtellinie war auch nur dazu da, unnötige Reststoffe aus seinem Körper zu entfernen, daher kamen aus dieser Region auch nicht die Signale, die anderen Jungs mehr als deutlich gezeigt hätten, dass sie ein Mädchen toll fanden.

      Und trotzdem kribbelte da irgendwie irgendwo irgendwas.

      Besonders, wenn Charlie wie jetzt gerade lachte und er dieses freche Funkeln in ihren dunklen Knopfaugen sah.

      Waren das also diese Schmetterlinge, die er da fühlte? Die gab es schließlich in normalen menschlichen Körpern auch nicht wirklich …

      Himmel, egal, was es war, es fühlte sich gut an! So verdammt gut, dass er liebend gern eine von Charlies schwarzen Locken um seinen Finger gewickelt oder ihre wunderschöne dunkle Haut berührt hätte – nur um herauszufinden, ob dieses unglaubliche Kribbeln dann womöglich noch viel, viel stärker werden würde …

      »Hey, ich rede mit dir!«

      Er fuhr heftig zusammen, als das Einwickelpapier von Jamies Schokoriegel ihn an der Stirn traf.

      »Was? Sorry, war in Gedanken.«

      »Ja, das hab ich gemerkt!«

      »Sorry«, murmelte Ned noch einmal und wich Jamies Blick aus. »Ich hab über ein paar neue Ideen für unser CyberGame nachgedacht.« Er war froh, dass er nicht rot werden konnte, als Jamie ihn jetzt durchdringend musterte.

       »Spar dir das für Bio auf. Wenn die Foster uns heute nicht endlich mikroskopieren lässt, wird ihre Stunde gleich nämlich genauso spannend wie der Geschichtsvortrag von Sheppard.«

      Ned verzog das Gesicht. »Okay. Ich verspreche, du hast für den Rest der Mittagspause meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«

      »Danke. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob es dabei bleibt, dass du nach der Schule noch mit zu mir kommst, um Chemie zu lernen.«

      Ned stöhnte, nickte aber schicksalsergeben. »Klar, ich kann mir an einem verregneten Nachmittag nichts Schöneres vorstellen als die geheimnisvolle Welt des Periodensystems …«

      »Möchtet ihr Tee?«, fragte Max, als Jamie und Ned den Esstisch im Wohnzimmer ansteuerten, um Hausaufgaben zu machen und Chemie zu lernen.

      »Gerne. Und ein paar Kekse wären cool.«

      »Kein Problem. Kommt Zack nach der Fahrstunde mit Jemma hierher oder isst er mit seinen Eltern zu Abend?«

      Jamie ließ seinen Rucksack von den Schultern rutschen. »Plan ihn lieber mal mit ein.«

      »Sehr gern.« Max verschwand in die Küche.

      »Glaubst du echt, seine Eltern versetzen ihn schon wieder?« Ned setzte sich an den Tisch und holte seinen Laptop aus der Schultasche.

      »Wundern würde es mich nicht«, grollte Jamie. »Sie sind letzte Woche aus New York gekommen und haben sich nicht mal das Wochenende für ihn freigehalten, sondern waren auf irgendeiner Dinnerparty, auf einer Vernissage mit Promiauflauf und bei einem Brunch mit Freunden. Es gibt einfach so wahnsinnig viele megawichtige Geschäftstermine und gesellschaftliche Verpflichtungen, die sie alle in ihre drei Wochen hier reinstopfen müssen, dass es fürchterlich schwierig ist, auch noch Zeit für den eigenen Sohn aufzubringen.« Seine Stimme triefte vor Zynismus. »Und wenn, dann muss er praktisch auf Kommando springen.«

      Ned runzelte die Stirn. »Und das lässt Zack mit sich machen?«

      Seufzend holte Jamie ebenfalls seinen Laptop hervor. »Sie sind halt seine Eltern. Und egal, wie nervig und frustrierend sie auch sind, er hofft schon, dass er ein bisschen Zeit mit ihnen verbringen kann.« Er verzog das Gesicht. »Aber so langsam verliert er die Geduld mit ihnen. Wenn sie ihm also heute wieder blöd kommen, kann es durchaus sein, dass er genug hat und wieder hier schläft statt bei ihnen.«

      »Waren sie überhaupt schon mal in London, seit sie im April nach New York gezogen sind?«

      »Nein. Das hier ist ihr erster Besuch.«

      »Wow.« Ned war gespannt, ob er die Watts kennenlernen würde, wenn er sich übermorgen mit Will und Charlie bei Zack traf, um Jamies und Jems Geburtstag zu planen, der in knapp zwei Wochen anstand.

      Jamie hatte seinen Laptop hochgefahren und den Chemieordner geöffnet. »Sollen wir einfach noch mal die letzte Stunde durchgehen? Denkst du, du kannst mir die Redoxreaktion erklären?«

      Lustlos zwang Ned seine Aufmerksamkeit auf die Cluster von Buchstaben und Zahlen. »Keine Ahnung.«

      »Versuch es.«

      Eine halbe


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