CyberWorld 3.0: Evil Intentions. Nadine Erdmann

CyberWorld 3.0: Evil Intentions - Nadine Erdmann


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sind die auch alle gleich. Und auf Dauer echt langweilig.« Erneut strich sie sich die widerspenstige Locke zurück. »Ned ist anders. Irgendwie … ich weiß nicht – spannend? Er ist so – nicht unbedingt schüchtern, aber so ruhig und zurückhaltend.« Stirnrunzelnd hielt sie inne und sah zu Jemma. »Eigentlich ist er ein bisschen so wie du. Hey, vielleicht ist das der Grund, warum ich ihn so mag!«

      »Ned ist wie ich?«, fragte Jemma irritiert.

      »Ja! Total!«, nickte Charlie enthusiastisch. »Ihr seid beide so grüblerische Typen. Beobachtet, wartet ab und die meiste Zeit weiß kein Mensch, was in euren hübschen Köpfchen so vor sich geht.«

      Jemma warf ihr einen schiefen Blick zu. »Ich nehm das jetzt einfach mal als Kompliment.«

      »Na, stille Wasser sind tief, oder nicht? Ich finde das spannend! Bei dir ist unter der Oberfläche schließlich auch immer eine ganze Menge los. Und ich glaube, ich würde wahnsinnig gern herausfinden, was Ned so alles unter seiner verbirgt.«

      Jemma schluckte und nickte bloß stumm.

      Charlie hatte keinen blassen Schimmer, was Ned tatsächlich vor der Welt verbarg.

      Sie seufzte innerlich. Es war wahnsinnig schwer, ihrer besten Freundin Neds Geheimnis nicht anzuvertrauen – besonders, wenn Charlie wirklich anfing, sich für ihn zu interessieren. Doch Jemma konnte ihr nicht erzählen, dass Ned gestorben wäre, wenn sein Bewusstsein nicht in einen der Biokörper umgezogen wäre, die sein Vater entwickelt hatte. Es war allein Neds Entscheidung, wen er in sein Geheimnis einweihen wollte.

      »Du weißt, dass er die letzten drei Jahre krank war und kaum das Haus verlassen konnte«, sagte sie vorsichtig.

      Charlie runzelte die Stirn. »Ja, und? Jetzt ist er gesund. Er hat mir erzählt, dass die letzte Therapie erfolgreich war und der Krebs nicht wiederkommen kann.«

      »Schon. Aber er geht jetzt seit sieben Wochen mit uns zur Schule und es hat einige Mädchen gegeben, die mehr als deutlich Interesse an ihm gezeigt haben, und er hat sie alle abblitzen lassen.«

      Charlie winkte ab. »Das war ja auch nur die übliche Meute Frischfleischfetischistinnen im Piranhabecken der Liongate Academy. Ein gut aussehender neuer Typ an der Schule, der auch noch der Sohn des CyberWorld-Erfinders ist?« Sie schnaubte. »Diese Trophäenjägerinnen hätte ich an seiner Stelle auch alle in den Wind geschossen.« Wieder drehte sie eine ihrer Locken um den Finger und wandte sich zum Spiegel, um ihre Haare testweise hochzudrehen. »Spricht doch nur für ihn, dass er sich von diesen oberflächlichen Schlangen nicht einwickeln lässt.« Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und strich sich über die Augenbrauen.

      »Schon. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob er im Moment überhaupt eine Freundin haben will. Ich glaube, er gewöhnt sich immer noch an das ganz normale Leben außerhalb seiner vier Wände.«

      »Na, jetzt übertreibst du aber! Ihr wart die halben Sommerferien quer durch Großbritannien unterwegs und er geht seit sieben Wochen mit uns zur Schule. Du tust gerade so, als wäre er ein Einsiedlerkrebs, dem jede Begegnung mit der Zivilisation Gott weiß was abverlangt! Klar, er hat eine schlimme Zeit hinter sich, und dass seine alten Freunde ihn fallen gelassen haben, als er krank war, ist absolut unterirdisch. Aber jetzt hat er ja uns und ich bin mir sicher, er ist clever genug, um zu schnallen, dass wir ihn niemals so mies im Stich lassen würden.«

      Dagegen konnte sie nur schlecht etwas sagen, also gab Jemma sich geschlagen. »Dann überfahr ihn aber wenigstens nicht gleich mit einer totalen Powergirloffensive, okay? Ich glaube nämlich, dass du ihn damit ziemlich abschrecken würdest.«

      Charlie grinste. »Dann hast du also nichts dagegen, dass ich es bei ihm versuche?«

      »Hallo?! Nein, natürlich nicht.«

      »Cool!« Charlies Grinsen wurde noch ein bisschen breiter und sie zupfte weiter ihre hochgedrehten Locken zurecht. »Wenn er sich von mir zu einem Date überreden lässt, könnte er damit schließlich auch den bescheuerten Gerüchten ein Ende setzen, die Amber und ihre nervigen Lästerschwestern in die Welt gesetzt haben.«

      Jemma stöhnte. »Ned ist nicht schwul.«

      »Seine beiden besten Freunde sind es. Für die Intelligenzallergiker reicht das.«

      »Klar«, meinte Jemma sarkastisch. »Für die bin ich vermutlich auch eine Lesbe, weil mein Zwillingsbruder ja auf Jungs steht!«

      Charlie schüttelte ihre Mähne, bis sie ihr wieder über die Schultern fiel. »Weißt du, dieses Gerücht kam interessanterweise nie auf. Vermutlich weil du jahrelang ein eher verklemmtes Mauerblümchen warst, dir jetzt aber mit William Dunnington gleich mal einen der heißbegehrtesten Heiratskandidaten der nächsten Jahre geangelt hast.«

      »Verklemmtes Mauerblümchen?!« Von ihrem Barhocker aus verpasste Jemma ihrer Freundin einen weiteren Tritt in den Hintern und verschränkte empört die Arme vor der Brust. »Danke!«

      Charlie lachte. »Hey, ich weiß es doch besser! Ich sag doch: Stille Wasser sind tief.« Sie wollte Jemma im Spiegel frech zuzwinkern, erstarrte aber mitten in der Bewegung.

      Jemma war verschwunden.

      Stattdessen sah Charlie ein völlig anderes Spiegelbild hinter sich. Ein kleines Mädchen in einem zerschlissenen weißen Kleid. Strähniges dunkles Haar fiel über ihre knochigen Schultern und das bleiche Gesicht. Trotzdem konnte Charlie zwei pechschwarze Augen erkennen, die sie boshaft anfunkelten. Schwarze Lippen kräuselten sich zu einem teuflischen Grinsen und entblößten spitze, faulige Reißzähne.

      Zu Tode erschrocken riss Charlie ihren Säbel aus dem Gürtel und wirbelte herum.

      Doch hinter ihr war niemand!

      Zumindest kein albtraumhaftes Geistermädchen. Nur Jemma, die auf dem Barhocker saß, die Beine baumeln ließ und Charlie mit hochgezogener Augenbraue ansah.

      »Alles klar?«

      Charlie stieß die Luft aus und hoffte, dass ihr rasender Herzschlag sich wieder beruhigte. »Mann! Hier war gerade eine echt zombiemäßige Geistergöre. Ich hab sie im Spiegel gesehen.« Vorwurfsvoll fuchtelte sie mit ihrem Säbel vor Jemmas Nase herum. »Du wusstest, dass die hier auftauchen wird!«

      Jemma grinste genauso höllisch wie zuvor das Zombiebalg.

      »Du bist absolut unmöglich!«, wetterte Charlie. »Wir führen hier gerade ein tiefgründiges Beste-Freundinnen-Gespräch, bei dem ich dir den bevorstehenden Wandel in meinem Liebesleben offenbare, und du warnst mich nicht mal vor?!«

      »Doch, tue ich.« Jemma deutete über ihre Schulter. »Die zombiemäßige Geistergöre kriecht gerade hinter dir aus dem Spiegel.«

      »WAS?!«

      Entsetzt fuhr Charlie herum.

      Shit!

      Tatsächlich kroch das Monsterbalg mit zuckenden Bewegungen aus dem Spiegelglas. Die Augen funkelten finster und das Biest streckte fauchend seine Krallenhand aus. Erschrocken stolperte Charlie ein paar Schritte zurück und hackte ihm die Klaue ab. Schwarzes Blut spritzte und das Zombiemädchen zischte wütend, schien sich aber ansonsten nicht weiter am Verlust seiner Gliedmaßen zu stören. Ohne Charlie aus den Augen zu lassen, richtete es sich auf, tappte weiter auf sie zu und grapschte mit seiner anderen Klaue nach ihr.

      Okay, jetzt reicht’s!

      Entschlossen ging Charlie zum Angriff über. So schnell sie konnte ließ sie ihren Säbel kreuz und quer durch die Luft sausen und richtete im Nullkommanichts ein Blutbad an.

      »Nicht schlecht. Im Säbelschwingen bist du echt gut geworden.« Beeindruckt betrachtete Jemma die Sauerei von ihrem Barhocker aus. »Erstklassig filetiert, würde ich sagen. Ich bin echt stolz auf dich! Du wirst noch eine richtig gute Rollenspielerin.«

      Sie schwang sich vom Hocker und legte Charlie einen Arm um die Schultern, obwohl die sie mit einem Blick durchbohrte, der in der echten Welt die Milch von ganz London hätte sauer werden lassen.

      »Vielen


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