Empörung, Revolte, Emotion. Группа авторов

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den Terminus „expressiver Sprechakt“ irreführend für Danken, Gratulieren oder Kondolieren, wo das Ausdrücken individueller Emotionen „ein Stück weit gegenüber der Erfüllung einer sozialen Konvention verloren[geht]“ (ebd.). Finkbeiner führt im Anschluss an Bach/Harnish (1979) aus, dass der illokutionäre Zweck dieser Sprechakte in vielen Fällen nicht darin besteht, eigene Emotionen zum Ausdruck zu bringen, sondern darin, die soziale Erwartung zu erfüllen, dass diese Emotionen ausgedrückt werden. Ähnlich wie Austins Behabitiva sind Expressiva diejenigen Sprechakte, mit denen der Sprecher eine Einstellung ausdrückt, auch wenn er sie nicht unbedingt verspürt, sondern lediglich für angemessen hält (cf. Bach/Harnish 1979: 51). Sie sollen in bestimmten Situationen ausgedrückt werden, auch wenn man sie nicht hat, denn ihr Vorhandensein wird konventionellerweise vom Sprecher erwartet bzw. bei ihm vorausgesetzt (cf. Finkbeiner 2019: 131). Die Konvention allein scheint sicherzustellen, dass die gemeinte Illokution vom Adressaten auch im Falle einer unaufrichtigen, ironischen, elliptischen o.ä. Kommunikation verstanden wird.

      3 Expressive Sprechakte im Spannungsfeld zwischen Intention und Konvention

      In der aktuellen Auseinandersetzung zwischen internalistischen, auf Intentionen basierenden Betrachtungen von Illokutionen und externalistischen, sich auf Konventionen bzw. wesentliche Regeln berufenden Ansätzen zur Interpretation dieser Sprechakte können im Anschluss an Sbisà (2013) drei grundsätzliche Positionen identifiziert werden:

      Illocution may be viewed as the production of conventional effects, as the carrying out of a rule-governed activity, or as the expression of a communicative intention and therefore of a psychological attitude of the speaker. (Sbisà 2013: 63)

      Die erstere ergibt sich direkt aus dem Austinschen Verständnis von Sprechakten, die zweite lässt sich auf Searle zurückführen und die dritte auf Grice. Im Folgenden wird Searles Ansatz eingehender diskutiert und als Grundlage für eine im Austinschen Sinne externalistische Interpretation expressiver Illokutionen genutzt.

      Searle hat mehrmals die Unterscheidung zwischen intentionalen und konventionellen Aspekten eines Sprechakts und die Untersuchung ihrer wechselseitigen Beziehungen zum Ziel seiner Analyse illokutionärer Sprechakte erklärt. Dabei schreibt er Konventionen institutionalisierte bzw. sekundäre Intentionen zu, die auch unabhängig von primären, individuellen Intentionen Handlungen hervorbringen können. Der wichtigste Unterschied zwischen ihnen ist folgender: Soziale Konventionen können auch unbewusst angewendet werden, wie etwa Konventionen der deutschen Sprache in Searles (1969) Beispiel vom amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, der des Deutschen nicht mächtig ist, sich aber mit einem Goethe-Zitat als Deutscher zu erkennen geben will. Der nach sprachlichen Konventionen Handelnde muss auch nicht wissen, dass er regelgeleitet handelt oder wie sich die Regeln ausformulieren lassen (cf. Searle 1973: 67). Aber nur weil es Sprache gibt, können Sprechakte vollzogen werden; genauso wie eine Banknote nur ein Stück Papier wäre, wenn es nicht die Institution des Geldes gäbe, die dem Papier einen konventionell festgelegten Wert verleiht.

      Soziale Konventionen, die institutionelle Tatsachen konstituieren und in Form von „X gilt als Y im Kontext C“ erfasst werden, unterscheidet Searle von sozialen Regeln bzw. Regelmäßigkeiten, die nur aufgrund der Kenntnis von Präzedenzfällen wiederholbar sind (cf. Searle 1973: 67). Letztere kommen als regulative Regeln vor und lassen sich mit der Formel „Tue X“ bzw. „Wenn Y, tue X“ umschreiben (Searle 1973: 57). Sie dienen als Bewertungsgrundlage menschlicher Handlungen (und sind somit für die Herausbildung sozialer Emotionen verantwortlich); diese Handlungen können allerdings auch ohne solche Regeln vorkommen, z.B. kann freundliches Verhalten auch ohne entsprechende Anstandsregeln existieren (Searle 1973: 58).

      Sprechakte, die in einer Sprache vollzogen werden, behandelt Searle als institutionelle Tatsachen, denn „es [ist] eine Sache der Konvention […], daß die Äußerung der und der Ausdrücke unter bestimmten Bedingungen als ein Versprechen gilt“ (Searle 1973: 60). Als Beweis dafür, dass Sprechakte kein regelmäßiges, sondern regelgeleitetes Handeln sind, benutzt Searle ein translatorisches Argument: „Verschiedene menschliche Sprachen können in dem Maße, in dem sie ineinander übersetzbar sind, als verschiedene auf Konventionen beruhende Realisierungen der gleichen zugrundeliegenden Regeln betrachtet werden“ (Searle 1973: 63–64). Dieses Argument stellt eine Konkretisierung des Prinzips der Ausdrückbarkeit dar, das besagt, dass alles, was man meinen kann, auch sprachlich ausdrückbar ist. Das genannte translatorische Argument wird in diesem Sinne von Searle (1973: 109) fortgesetzt: Auch wenn eine Sprache noch nicht erlaubt, alles zu sagen, was ihre Sprecher meinen, „bestehen keine grundsätzlichen Hindernisse, um sie entsprechend zu bereichern“. Searle spielt auch mit dem Gedanken, dass illokutionäre Akte zwar mithilfe sprachlicher Konventionen ausgeführt werden, aber nicht von Regeln geleitet sind. In diesem Fall müsste man aber imstande sein, sie auf natürliche Tatsachen zurückzuführen und ihre Wirkung mit natürlichen (z.B. kausalen) Folgen zu erklären. Dies ist für soziale Normen wie Höflichkeitskonventionen möglich (z.B. um höflich einen Vorschlag abzulehnen, wird der Grund für die Ablehnung genannt, anstatt dass der Vorschlag direkt abgelehnt wird), nicht aber für einzelne Typen von Illokutionen (z.B. Ablehnung als direkter Sprechakt).

      Soziale Normen, die den sprachlichen Ausdruck von Emotionen steuern, werden von Searle zu den nicht institutionellen Tatsachen gerechnet. Kemmerling (2001) weist allerdings nach, dass illokutionäre Sprechakte auch dann erfolgreich vollzogen werden, wenn ein unbeabsichtigtes Sprecherverhalten kraft sozialer Regeln als entsprechender Sprechakt gilt. Diese Fälle deuten darauf hin, dass es soziale Konventionen gibt, die für die vollzogene Illokution verbindlicher als eine soziale Regelmäßigkeit sind, wenn sie selbst beim Fehlen der erforderlichen Intention die den Umständen entsprechende illokutionäre Bedeutung von Äußerungen in Kraft setzen. Für den Vollzug von Expressiva bedeutet dies, dass sie nicht nur Höflichkeitsregeln involvieren, sondern sich auf Umgangsformen berufen, die die soziale Identität der Sprecher stiften. Der Sprecher gibt durch ihren Vollzug seine soziale Zugehörigkeit, etwa seine Gewohnheiten bzw. sozialen Rituale, zu erkennen. Sprechakte wie (5) oder (6) sind kontradiktorisch, weil Sich-Bedanken Anerkennung und Tschüß-Sagen Verabschiedung bedeutet, beide könnten nur dann vorkommen, wenn die sozialen Rituale außer Kraft gesetzt worden wären, z.B. „if the social ritual had been effectively disengaged from the spontaneous expressing“ (Alston 2000: 113).

(5) I don’t feel my appreciation for the gift, but thank’s a lot (Alston 2000: 112).
(6) Tschüß. Das war keine Verabschiedung, im Gegenteil (Finkbeiner 2019a: 355).

      Searle gibt zu, dass eine Emotion ausdrücken und eine emotionale Einstellung haben zwei verschiedene Sachverhalte sind, und auch der Gedanke, dass für den Vollzug expressiver Sprechakte die soziale Norm, was „gut“ und was „schlecht“ ist, eine Rolle spielt, wird von ihm ausdrücklich erwogen (cf. Searle 1976: 8). Er subsumiert aber diesbezügliche Bewertungen unter die gesamten psychischen Einstellungen und schreibt ihnen keine besondere Rolle in seiner Sprechaktklassifikation zu. Sander (2003) hebt dagegen hervor, dass der Vollzug von Expressiva jeweils ein konventionell geregeltes Urteil darüber enthält, was sozial angemessen ist und was nicht. Expressiva sollen sich dadurch auszeichnen, dass die mit ihnen ausgedrückten Emotionen stets durch evaluative Urteile des Sprechers begleitet sind (Sander 2003: 25). Es ist gerade die Bewertung von emotionalen Zuständen, die im Hinblick auf ihre soziale Angemessenheit dazu führen kann, dass bestimmte Emotionen vom Sprecher gefordert werden, „was im Falle bloßer ‘feelings’ aufgrund ihres Widerfahrnischarakters offensichtlich sinnlos wäre“ (Sander 2003: 21). Aus diesem Grund hält Sander die kollektiv geteilte evaluative und nicht die individuell-affektive Komponente einer Einstellung für ausschlaggebend bei expressiven Sprechakten. Die letztere bildet lediglich eine phänomenale Begleiterscheinung und spielt keine wesentliche Rolle beim Ausdruck der jeweiligen Einstellung.

      4 Konventionalisierte Emotionen: Der Fall der Dankbarkeit

      Dankbarkeit als Teil sozialer Relationen ist weitgehend eine kulturell geformte Emotion (cf. z.B. Sommers 1984). Sie wird in vielen Alltagssituationen zur sozialen Pflicht,


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