Migration|Integration|Exklusion - Eine andere deutsch-französische Geschichte des Fußballs. Группа авторов

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Assimilationsdiskurses. Die Vereine bestanden meist aus Spielern gemeinsamer nationaler Herkunft und trugen im regionalen Raum sportliche Wettkämpfe gegen Clubs desselben Heimatlandes aus. Daraus konnten sich regelrechte Turniere und Meisterschaften entwickeln, etwa seit Ende der 1960er Jahre unter den vielen spanischen Teams im Großraum Paris, später in der Region Centre, in Ostfrankeich oder anderswo im Hexagon.21 In Westdeutschland traten „Gastarbeiterligen“ auf den Plan, ebenfalls meist regional organisiert wie etwa auf breiter Front in Baden-Württemberg, wo bereits in den 1960er Jahren eine eigene, über die Konsulate organisierte griechische und italienische A-Liga und B-Liga existierte. Anfang der 1970er Jahre kamen eine türkische sowie eine Jugoliga hinzu, die 1971 „auswärtig“ durch den damaligen Jugoslawischen Fußballverband ins Leben gerufen worden war.22

      Der Deutsche Sportbund, der 1972 auf seinem Berliner Bundestag unter dem Motto „Sport für alle – Eine Herausforderung an den Sport“ gesellschaftspolitisch endlich Flagge zeigen wollte, zielte – anders als später gern kolportiert23 – keineswegs allein auf sozialintegrative Effekte gemeinsamen Sporttreibens. Es ging auch um handfestes verbandspolitisches Interessenwahren im Zeichen unliebsamer Konkurrenz und angekratzter Monopolstellung. Entsprechend beinhaltete die Grundsatzerklärung des DSB zum einen hehre Vorstellungen, die gleichwohl offenbarten, wie unkompliziert und wie einseitig zulasten einwandernder Minderheiten sich Integration für die westdeutschen Sportfunktionäre zu einer Zeit darstellte, als die „Große Politik“ noch fortwährend das „Mantra" vor sich hertrug, Deutschland sei kein Einwanderungsland.24 Zum anderen fanden sich ungeschminkte Zielbestimmungen, Migranten seien in existierende Strukturen des bundesdeutschen Vereinswesens einzubinden, „Ausländervereine“ bestenfalls als Ausnahme und vorübergehendes Phänomen zu tolerieren. Noch über die langen 1960er Jahre hinaus blieb der DSB ziemlich weit entfernt von der Einschätzung des Verbandes nach der Jahrtausendwende, ethnische Clubs weder als „Ausdruck des Scheiterns der Integrationsbemühungen der deutschen Sportvereine, noch der Integrationsunwilligkeit der Migrantinnen und Migranten“25 zu betrachten.

      Außer Frage steht jedenfalls, dass die Dinge viel komplexer waren und sich die tatsächlichen Verhältnisse im lokalen Raum fernab starrer Assimilations- und Integrationsszenarien bewegten. Forschungsstrategische Hilfskonstruktionen, die zentrale Termini aus Migrationsdebatten ausdifferenzieren, die etwa zwischen assimilativer, pluralistischer und interaktiver Integration unterscheiden,26 um einer Vielfalt verschiedener Konstellationen auf die Spur zu kommen, unterstreichen dies. Auch scheint es alles andere als ausgemacht zu sein, dass eher integrative oder eher desintegrative Wirkungen eines sportlichen Engagements ausländischer Arbeitskräfte in den langen 1960er Jahren in einem kausalen Zusammenhang standen zu der Art und Weise, wie sich Migranten damals fußballerisch organisiert haben: als reguläres Mitglied in bereits bestehenden deutschen oder französischen Vereinsstrukturen; als Spieler in vielerorts eingerichteten „Ausländerabteilungen“ etablierter Teams; oder als Fußballer in monoethnischen Migrantenclubs, die in Politik- und Verbandskreisen schon damals leidenschaftliche Debatten und generalisierte Befürchtungen ausgelöst haben.

      Migrantenclubs und „Umwegsintegration“

      Migrantenvereine und „clubs ethniques“: für diverse Beobachter*innen damals schlicht ein Symbol für Abschottungstendenzen und Integrationsverweigerung sowie ein Hemmschuh für das Überwinden ethnisch-kultureller Barrieren. Ein nüchterner Blick freilich, der zudem berücksichtigt, dass sich selbst herkunftshomogene Clubs zumeist durch eine „Pluralität kultureller Orientierungen“ auszeichnen,1 vermag den Argwohn kaum zu bestätigen und fördert stattdessen ganz andere Effekte und Strategien zutage. Fußballspielen in herkunftshomogenen Sportstrukturen, die ein zeitweises Bewahren durchaus diverser mitgebrachter Kulturelemente und deren sukzessives Anpassen an aktuelle Lebenslagen erlaubten, generierte auf mittlere Sicht vielfach ein Mehr an Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, an Alltagsorientierung, Handlungsfähigkeit und Partizipationsoptionen:2 potenzielle Wirkungen, die gerade nicht im Widerspruch standen zu gesellschaftlichen Teilhabe- oder gar künftigen Bleibeabsichten. Zumal etliche Clubs aktive „Integrationspolitik“ betrieben, sei es durch das Organisieren von Sprachkursen oder durch Kultur- und Floklorefeste, die sich nicht allein an „Landsleute“ richteten.3

      „Entre soi“ und „ouverture“ entsprachen zwei Seiten einer Medaille. Denn schließlich waren sportliche Präsenz und fußballerisches Können eine nachhaltige Ressource, eine „marchandise culturelle“, die sich trefflich mobilisieren ließ, um Anklang zu finden und Respekt zu erfahren, um teilzuhaben an den vielfältigen örtlichen Veranstaltungen, die sich jahrein jahraus besonders im Arbeitermilieu abspielten: Eine tragende Säule darunter bildete der Fußballsport als gesamtgesellschaftlich breit nachgefragte Freizeitaktivität.4 Fußballerische Praktiken und damit verbundene Umfeldaktivitäten im lokalen und regionalen Raum erlaubten es Menschen aus Migrationskontexten vor Ort sowohl in der einen („entre soi“) als auch in der anderen („ouverture“) Welt zu leben und damit zugleich zu bekunden, an der französischen bzw. der westdeutschen Gesellschaft teilhaben zu wollen.5

      Bei aller Variabilität von Vor-Ort-Situationen und abseits aller Teleologie bleibt doch festzuhalten, dass die Migrantenclubs der langen 1960er Jahre in beiden Ländern ganz vorwiegend Übergangsphänomene für eine just eingewanderte Generation junger Männer darstellten. Über kurz oder lang, bewusst oder unbewusst, obsiegten in der Regel sportliche Logiken gegenüber nationalen Herkunftslogiken: Zumeist gingen die Clubs in den lokalen Gesellschaften und Vereinswelten auf.6 Im französischen Fall, für den deutlich mehr empirisch unterfütterte Beispiele vorliegen, hat sich offenbar mancher, zunächst argwöhnisch beäugter „club ethnique“ mittelfristig zu einem Aushängeschild des regionalen Fußballgeschehens und einem Identitätsanker für lokale Milieus weit über die ursprüngliche Migrantengemeinde hinaus entwickelt.7 Doch auch in Westdeutschland dürfte es kein Einzelfall gewesen sein, dass damals schon die zweite Generation „italienisch-fränkischer Fußballer […] in deutschen Jugendmannschaften“ kickten, da sich die Idee einiger Migrantenvereine im Raum Nürnberg / Fürth, ein eigenes Jugendteam auf den Platz zu bringen, letzten Endes kaum umsetzen ließ.8 Integrative Effekte indirekter Natur konnten mittelfristig kaum ausbleiben.

      Auf der einen Seite stehen damit die „Ausländervereine“ der langen 1960er Jahre durchaus für einen „tiers espace“, der parallele Trends von Eigensinn und Integration erlaubt. Auf der anderen Seite spiegelten die Praktiken und Erfahrungen auf dem Spielfeld vielfach eine zwar unrealistische, oftmals aber realitätsbestimmende Außenwirkung herkunftshomogener Clubs sowie die entsprechenden verbandspolitischen Unkenrufe wider. Sport kann nie einfach nur Sport sein, ob im Profi- oder Amateurbereich: Fußballspiele und Sportplätze sind stets auch Inszenierungsräume und symbolische Kampffelder,9 die in Migrationskontexten Differenzen und Divergenzen zwischen Einheimischen und Zugewanderten zutage fördern können: in beiden Ländern etwa, wenn es um das Zuteilen der spärlichen Fußballfelder durch lokale Politikakteure und Stadtverwaltungen ging. Mithin entsprechen die hehren Bedeutungsgehalte, die Verbände und Funktionäre dem Sport als Sinnbild für gelebte Völkerverständigung und Friedfertigkeit, für Gemeinsinn und Toleranz beharrlich zuweisen, allenfalls der halben Wahrheit. Zudem birgt ein solch idealisiertes Weltbild die Gefahr, sportlich wie gesellschaftlich unvermeidbare Spannungen und Konflikte umstandslos als desintegrativ abzuqualifizieren.

      Tatsächlich bewegten sich auch in den 1960er Jahren interethnische Sportbegegnungen innerhalb eines Teams oder zwischen konkurrierenden (Migranten-)Clubs fortwährend in einem Schnittfeld individueller wie gruppenspezifischer „sentiments, tantôt solidaires et fraternels, tantôt empreints de rejet et de haine“10. Manche Konstellationen mochten wachsende Vertrautheit mit Fremdem, ein mehr und mehr offenes Denken in Kategorien kultureller Diversität oder ein integratives Klima dank gemeinsam bestrittener sportlicher Erfolge entstehen lassen; andere Situationen wiederum werden tendenziell Missstimmungen, z.B. wegen anhaltender Erfolglosigkeit, generiert haben, eher hierarchische als gleichberechtigte Kommunikationsmodi, Unmut über die Spielweise oder das harte Einsteigen von Migrantenfußballern, auch herablassende bis fremdenfeindliche Kommentare bis hin zu körperlichen Übergriffen.11 Auch im Amateursport legen fußballerische Praktiken das „paradoxe du sport“ frei, je nach Zeit, Ort und Kontext sowohl


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