Eric Clapton. Ein Leben für den Blues. Peter Kemper
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Peter Kemper
Eric Clapton
Ein Leben für den Blues
Mit 72 Abbildungen
Reclam
5. Auflage
2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: zero-media.net
Coverabbildung: © gettyimages / Terry O’Neill / Kontributor
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2021
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961661-2
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011370-7
Eric Claptons wichtigtste Gitarren
1960s Kay Jazz II
1963 Fender Telecaster
1960 Gibson Les Paul Standard »Beano Burst«
1964 Gibson SG Standard »The Fool«
1964 Gibson ES335TDC
1950s Fender Stratocaster »Blackie«
1939 Martin 000-42
Cross Road Blues – Ein Mann mit Gitarre gegen den Rest der Welt
»Wenn du mir versprichst, mich mit Eric Clapton bekannt zu machen, komme ich mit nach England.« Chas Chandler gab Jimi Hendrix sein Wort, und die beiden betraten am 24. September 1966 um neun Uhr morgens auf dem Londoner Flughafen Heathrow britischen Boden. Schlagartig machte Hendrix, der von dem Album John Mayall & The Blues Breakers With Eric Clapton zutiefst beindruckt war, als neue ›Gitarren-Sensation‹ in der damaligen Musikmetropole von sich reden. Clapton erlebte gerade mit der Supergroup Cream einen ungeahnten Höhenflug und war ganz begierig darauf, seinen amerikanischen Herausforderer persönlich kennenzulernen. Als es dann am 1. Oktober im Polytechnic in der Londoner Regent Street zur Begegnung der beiden Ausnahmegitarristen kam, fand Eric seinen Meister. Zwar hatte Ginger Baker schon vor dem gemeinsamen Auftritt Bedenken geäußert, doch Eric wollte unbedingt wissen, was dran war an diesem Hype um den Mann mit der futuristischen Afro-Frisur. Mit seinem Griffbrett-Feuerwerk, dem Spiel mit den Zähnen und hinter dem Rücken, fegte Jimi an diesem Abend in der Howlin’-Wolf-Nummer »Killin’ Floor« Clapton regelrecht von der Bühne. Der verschwand anschließend wortlos in der Garderobe. Sofort aber manifestierte sich seine Bewunderung und freundschaftliche Rivalität darin, dass er Hendrix’ Afro-Frisur übernahm und sich wie der Kollege aus Seattle um ein knallbuntes Outfit bemühte.
Doch Hendrix besaß hinsichtlich musikalischer Originalität zwei entscheidende Vorteile: Er war schwarz, und er war Amerikaner. Deshalb sah Clapton in ihm auch sofort ›the real thing‹: »Und ich dachte mir, wenn ich schwarz wäre, möchte ich er sein.« Eric blieb auch Hendrix’ »erstaunlich großes Talent« hinter der ganzen Bühnen-Exzentrik nicht verborgen, wo doch gerade dieses Showgebaren ihn für viele unecht wirken ließ. Hendrix jonglierte offenkundig mit rassischen Klischees, was vielleicht befreiend auf einen Musiker wirkt, der sich nicht in Kategorien wie ›schwarz‹ oder ›weiß‹, ›amerikanisch‹ oder ›britisch‹ zwängen lässt. Doch genau das brachte Clapton mit seinem eigenen puristischen Blues-Verständnis aus dem Konzept. Musikalisch hatte er mit Cream damit begonnen, sich von den üblichen Kategorien wegzuentwickeln. Es war weiße Musik mit schwarzen Elementen, von Weißen gespielt. Doch in seinem Denken blieb Eric der Unterscheidung weiße/schwarze Sounds weiterhin verhaftet. Deshalb glaubte er später auch, so Dave Thompson in seiner Cream-Biografie von 2005, er habe mit Cream seine Blues-Identität verleugnet und sich selbst betrogen:
Wir haben es versucht und auch geschafft, Pop-Songs zu schreiben und für uns ein Pop-Image zu kreieren. Ich habe da mitgemacht und es war eine Schande, weil ich mir gegenüber nicht ehrlich war. Ich bin nun mal ein Bluesgitarrist und werde immer einer sein.
Welche Konsequenzen hatte diese strenggläubige Auffassung von ›schwarzer Musik‹ für sein Weltbild?
Bis heute ist Clapton weit mehr als ein Blues-Musiker unter vielen: In ihm bündelt sich wie in einem Brennspiegel die Geschichte des britischen White-Boy-Blues, einer Bewegung, die noch immer als produktive Unterströmung in der aktuellen Rockmusik fortwirkt. Und nicht allein John Mayall zeigt sich überzeugt: »Eric ist der größte Blues-Gitarrist, der je auf Erden wandelte.« Warum aber haben sich ausgerechnet in England Anfang der 1960er Jahre weiße Jugendliche aus der Arbeiter- und Mittelschicht mit Haut und Haaren einer Musikform verschrieben, die in ihrem Heimatland, den USA, fast vergessen schien? Was waren die innersten Motive von Clapton & Co., den Blues zum Soundtrack ihres Lebens zu wählen? Und warum suchte sich Clapton als Leitfigur ausgerechnet einen damals fast vergessenen, obskuren Delta-Blues-Pionier wie Robert Johnson aus?
Robert Johnson: Abbildungstradition in Covern und Plakaten
1961
1970
1990
2004
2004
Ende 1961 war Eric zum ersten Mal mit der Musik von Johnson in Berührung gekommen. Sein Schul- und Blues-Freund Clive Blewchamp hatte ein Exemplar des gerade erschienenen Johnson-Albums King Of The Delta Blues Singers aufgetrieben. Clapton war schockiert und fasziniert von den 16 Songs, die gleichzeitig als Drohung und mysteriöse Verheißung wirkten: Ein verletzlicher Gesang, der von weit her zu kommen schien, aus einer anderen, längst versunkenen Welt. Johnsons Stimme trägt anscheinend so viel existenzielles Erschrecken in sich, dass sie einen jugendlichen Blues-Aficionado wie Eric Clapton ins Mark getroffen haben muss: »Als ich ihn zum ersten Mal hörte, sprach er mich in meiner Verwirrung unmittelbar an, und es kam mir so vor, als würde in seiner Musik etwas widerhallen, was ich schon immer gefühlt hatte.«
Can’t You Hear The Wind Howl? Erst im Jahr 1972 tauchte das erste Foto von Robert Johnson auf.
In der Tat kann man Claptons Karriere als lebenslange Suche nach dem ›spirit‹ von Robert Johnson verstehen. Und selbst die Jahre seiner Heroin- und Alkoholsucht in den 1970er Jahren vermitteln noch eine Parallele zu Johnsons frühem Tod mit 27 Jahren. Clapton war in seiner dunkelsten Phase genauso alt, und in dieser Zeit schien er von Johnsons faustischem Pakt (er soll seine Seele an einer Straßenkreuzung dem Teufel verkauft haben, um ein besserer Gitarrist zu werden) geradezu besessen gewesen zu sein: Er