Die Macher hinter den Kulissen. Hermann Ploppa
Existenz die meisten Mitmenschen noch nichts oder bestenfalls den Namen gehört haben. Oder kennen Sie den Business Roundtable, das European Policy Network, die Körber-Stiftung, den German Marshall Fund of the US, die Atlantische Initiative, die Stiftung Neue Verantwortung, um nur einige wenige Namen aus dem sich rasch weiter metastasierenden Netzwerk zu nennen? Wahrscheinlich nicht. Herumgesprochen hat sich die Kunde von einigen geheimnisvollen logenartigen Honoratiorenklubs wie Atlantik-Brücke, Bilderberger, Trilaterale Kommission oder Aspen-Institut.
Und schon kursieren im Internet unausgereifte Verschwörungstheorien. Wieder einmal werden die oben genannten Namen in Verbindung gebracht mit bösen Verschwörungen der Juden, Aliens, Jesuiten, Templer und Freimaurer. Und weil das Internet auf den ersten Blick nichts weiter hergibt als nur die Namen von Prominenten in Verbindung mit geheimnisvollen Klubs, erschöpft sich die „Recherche“ darin, wer mit wem und wann im Herrenklo des New Yorker Waldorf Astoria gewesen ist. Und das ist dann schon der „Beweis“ für – wer weiß für was Böses. Der Phantasie sind bezüglich Geheimzirkeln naturgemäß keine Grenzen gesetzt.
Durch Kaffeesatzleserei gerät ein wirklich ernstes Thema in ein schiefes Licht. Denn leider fördert eine vertiefte Analyse der diskreten Netzwerke alarmierende Befunde zutage. Eine Gruppe von Unternehmern, Bankern, Unternehmensberatern, Wirtschaftsanwälten, Politikern, Wissenschaftlern und Medienleuten arbeitet weitgehend im Verborgenen daran, die Bundesrepublik Deutschland unwiderruflich als Juniorpartner an die USA festzuschweißen. Zum anderen geht es darum, Deutschland und Europa nach amerikanischem Modell marktradikal umzukrempeln.
Das bedeutet: der Staat wird herunter gestutzt auf die Funktion, den freien Fluss des Kapitals zu sichern und das Privateigentum zu schützen. Alle anderen Funktionen, die jetzt noch der Staat übernimmt, übernehmen in Zukunft Privatbetriebe. Dieses Projekt vollzieht sich bereits seit Generationen. In geduldiger Kleinarbeit wurden bereits enorme Terraingewinne für die Netzwerke erarbeitet. Das sind heftige Vorwürfe. Es bedarf einer geduldigen Recherchearbeit, um diesen Vorgang angemessen erfassen und beschreiben zu können.
Zunächst wird beleuchtet, wie die Gesellschaft, in der wir leben, strukturiert ist. Welche Weltanschauung liegt der deutschen Gesellschaft zugrunde? Wodurch unterscheidet sie sich fundamental von der amerikanischen Gesellschaft? Ist unser Sozialstaat wirklich nicht mehr zukunftstauglich? Die deutsche Wirtschaftsordnung gründet auf drei Säulen: auf Genossenschaften, auf öffentlich-rechtlicher Ordnung und auf privatem Unternehmertum. Das hat sich in den letzten Wirtschaftskrisen als großer Standortvorteil gerade gegenüber den USA erwiesen.
Im dritten Kapitel geht es um den Neoliberalismus. Zunächst wird jedoch analysiert, wie überhaupt – im Vergleich zu Deutschland – die US-Gesellschaft funktioniert. Wenn es auch paradox klingt, war die US-Gesellschaft nach dem Börsencrash von 1929 zunächst organisiert als privatwirtschaftliche Planwirtschaft. Dann jedoch kam als Reaktion auf den New Deal des überraschend eigenwilligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt die große Kehrtwendung. Die Losung eines kleinen, aber mit der Zeit immer mächtiger werdenden Kreises von Ökonomen hieß: zurück zum Liberalismus des Neunzehnten Jahrhunderts! Modifiziert auf die neue Zeit angewendet, aber auf jeden Fall: so wenig Staat wie möglich.
In der heutigen Zeit ist viel die Rede von Governance und wenig von Government. Soll heißen: es hat sich auch bei uns zunehmend der angelsächsische Regierungsstil durchgesetzt. Es gibt zwar demokratisch gewählte Regierungen und Parlamente. Aber die Richtlinien der Politik werden an so genannten Runden Tischen gemacht. Eine handverlesene Schar von Wirtschaftslenkern, Wissenschaftlern und Politikern trifft sich in geheimer Runde, diskutiert locker über die anstehenden Aufgaben und was in der Zukunft getan werden muss. Das wird dann an die Politiker herunter gereicht. Diese Politik der Runden Tische ist das Thema des vierten Kapitels.
Wie kam es dazu, dass sich diese Art der diskreten, privatisierten Politik seit dem Bestehen der Bundesrepublik bei uns durchsetzen konnte? Damit befassen sich die Kapitel fünf bis acht. Am Anfang war die Schar der Transatlantiker in Deutschland noch überschaubar. Geheimdienste aus den USA mussten massiv anschieben. Doch mit der Zeit gewannen die Transatlantiker eine Schlacht nach der anderen um Einfluss in der Regierung, unter anderem gegen die so genannten „Gaullisten“. Die bestehenden transatlantischen Organisationen förderten die Gründung immer neuer Schwesterorganisationen, und die Förderung des Nachwuchses trug immer mehr Früchte. Unabhängig von den traditionellen Netzwerken drängten sich eine Reihe neuer Stiftungen in den inneren Kreis, wie die ungeheuer mächtige Bertelsmann-Stiftung. Der Knoten für marktradikale Privatisierer und USA-Lobbyisten platzte erst so richtig mit dem Fall der Mauer. Durch die Privatisierungsgewinne aus der Abwicklung der DDR entstand eine neue Kaste von Glücksrittern. Die Verspeisung des DDR-Volksvermögens machte Lust auf mehr: nämlich das Volksvermögen der gesamten Bundesrepublik.
Das neunte Kapitel schließlich erweitert den Blick auf Europa. Die europäische Einigung war zunächst ein geopolitisches Vorhaben der USA, um die westeuropäischen Staaten zu immunisieren gegen angebliche Übernahmegelüste der Sowjetunion. Nachdem Westeuropa als Festung gegen den Kommunismus etabliert war, entstand so langsam eine neue Agenda: den Apparat der Europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union als Werkzeug für die Durchsetzung der marktradikalen Schwächung der Nationalstaaten zu nutzen. Seitdem wacht die EU mit Argusaugen darüber, dass die Nationalstaaten auch brav ihre eigene Amputation durchführen.
Doch schon bevor diese Variante der europäischen Einigung richtig vollendet ist, geht es an die Zwangsvereinigung von Europa mit den USA. Die Eile und Heimlichkeit, in der dies geschieht, lässt es zu, von einem Putschversuch zu reden. Die USA haben überall Kopien ihrer selbst produziert. Es geht darum, diesen angelegten Garten sauber zu halten durch zuverlässige Bündnissysteme, die auch dann noch intakt sind, sollten die USA doch eines Tages mal implodieren.
Die Aktivitäten, Deutschland und Europa auf diese Agenda festzuzurren, sind gerade wegen der Geheimhaltung der Akteure und ihrer Pläne so erfolgreich und widerstandslos durchgeführt worden. Es ist also enorm wichtig, über diese Mechanismen aufzuklären. Im zehnten und letzten Kapitel dieses Buches werden ein paar Gedanken ausgebreitet, wie der oberste Souverän dieser repräsentativen Demokratie, das Volk nämlich, wieder die Oberhand gewinnen könnte und welche Agenda man dem transatlantischmarktradikalen Programm entgegensetzen kann.
Es war einmal – und ist immer noch
„Im Besonderen fällt der öffentlichen Wirtschaft die Aufgabe zu, in Unterstützung der staatlichen Wirtschaftspolitik den Ausgleich gegenüber den durch die private Wirtschaftsbetätigung geschaffenen Einseitigkeiten und Härten herbeizuführen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen soll sie die Kräfte entwickeln, die ein Gegengewicht gegen die großkapitalistischen Monopolisierungstendenzen bilden.“
Josef Hoffmann, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Sparkassen- und Giroverbandes Deutschland
„There is no Alternative!“, es gibt keine Alternative zum sozialen Kahlschlag des Marktradikalismus!
So verkündete es Anfang der Achtzigerjahre die „Eiserne Lady“ Margaret „Maggie“ Thatcher unverkennbar britisch näselnd der eifrig mitschreibenden Presse. Die resolute Dame kündigte jegliche Schonung der unteren Gesellschaftsschichten auf, zwang die dereinst starke Bergarbeitergewerkschaft in die Knie, verscherbelte Staatsbetriebe für ’n Appel und ’n Ei. Im verschärften globalisierten Wettkampf um Marktanteile könne man sich keine Kultur des Mitgefühls und der Rücksichtnahme mehr leisten. Die Radikalrasur der Frau Thatcher hat im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Nachahmer gefunden. Fast scheint es, als gäbe es tatsächlich nichts anderes mehr als die bitteren Pillen des Neoliberalismus.
Es fand sich jedoch ein Häuflein Aufrechter, zusammengesetzt aus Alt-Achtundsechzigern und jungen Leuten, die sagten: Doch, es gibt Alternativen zum TINA-Syndrom („There Is No Alternative!“). Sie organisierten sich in der Gruppe Attac. In Seminaren und Kongressen hält man Ausschau nach Alternativen zum zerstörerischen Neoliberalismus. Hier erfährt man Interessantes über das Bioenergiedorf Jühnde bei Göttingen oder die Energiegenossenschaft Schönau im Schwarzwald. Dann gibt es Regionalwährungen wie den Chiemgauer, wo das Geld nicht als Spekulationskapital