Praxisführer E-Commerce. Dr. Joachim Stoll

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Konto einrichten und keine Zahlungsdaten angeben. Die Bestelldaten werden dann entweder direkt vom Warenwirtschaftssystem der Kasse übertragen oder von dem Verkäufer eingescannt. „Der Kunde kann sich aussuchen, ob er das Produkt in der Filiale abholt oder es sich nach Hause schicken lässt. Seine Adresse muss er nur für den letzteren Fall im System angeben“, berichtet Joachim Stoll. „Das ist kein Onlinekauf mit Fernabsatz-AGBs. Der Kunde bekommt einen normalen Kassenzettel, den er dem Händler auch um die Ohren hauen kann, wenn ihm etwas nicht gefällt.“

      Vor der Installierung bei Leder-Stoll haben der Handelsunternehmer und Storeplus das System als Pilotprojekt in einem Rewe-Markt im hessischen Hungen getestet. Dort gab es einen Aktionsstand mit integrierten Kundenterminals und einigen Koffermodellen, die zum Kauf anregen sollten. Stoll: „Es hat funktioniert, nach zwei Wochen waren die geplanten Koffer verkauft.“ Aber dann war das Kundenpotenzial ausgeschöpft: „Man hätte nach 14 Tagen wie Tchibo ganz andere Produkte vorstellen müssen.“

      Joachim Stoll bietet das von Storeplus unterstützte System der „erweiterten Ladentheke“ auch anderen Kollegen aus dem mittelständischen Lederwarenhandel an. „Dabei tritt der angeschlossene Händler immer unter seinem Namen auf. Für den Kunden ist die Verbindung zu koffer24.de nicht ersichtlich, das Design der iPads und Belege erscheint im Corporate Design des Händlers“, erläutert Joachim Stoll. Der Händler habe Zugriff auf das Lager von koffer24 und schließe einen Systemvertrag mit Storeplus.

      Zuerst testete der nordrhein-westfälische Lederwarenfilialist Hausfelder diese Möglichkeit in vier Filialen. Seitdem interessieren sich immer mehr Kollegen dafür. Zwar sei die Gewinnspanne eines Händlers durch den Verkauf über Storeplus etwas reduziert, aber: „Lieber eine reduzierte Spanne als gar kein Verkauf“, so Joachim Stoll.

      Best Practice Weinkellerei Höchst: Mit Service und Qualität überzeugen

      Die ehemalige Weinkellerei der Frankfurter Höchst AG gibt es seit 1885, sie war einst mit einem Lagerbestand von mehr als zwei Millionen Flaschen der größte Weinhändler Deutschlands. Nach der Zerschlagung der Höchst AG hat Frank Fischer mit seiner Frau und einem Geschäftspartner die Weinkellerei 2002 gekauft. Sie bot traditionell Weine und Feinkost für Geschäftskunden an. Das macht neben dem klassischen Weineinzelhandel – der Weinhändler hat 2012 eine zweite Filiale nahe Frankfurt eröffnet – noch immer einen Großteil des Geschäfts aus.

      Auf die Idee, einen Internetshop aufzumachen, kamen die Unternehmer 2004. Ursprünglich war der Shop nicht als weiterer Vertriebskanal geplant, sondern als Informationsplattform für die Kunden. In den Anfangszeiten kam dementsprechend nur sporadisch mal eine Onlinebestellung. Das lag auch daran, dass man die Weinkellerei anfangs im Internet nicht gefunden hat.

      Doch dann haben die Händler den Webshop mit der Warenwirtschaft verknüpft und die Website fit für Suchmaschinen gemacht – und auf einmal waren sie bundesweit präsent. Seitdem steigt der Onlineanteil kontinuierlich. Wer bei Google „Weinkellerei“ eingibt, sieht die Frankfurter sogar inzwischen als ersten Treffer. „Wir haben in unserem Webshop aktuell durchschnittlich rund 6000 Besucher monatlich“, berichtet Frank Fischer. „Von denen bestellen natürlich nicht alle, aber viele informieren sich online und kommen mit einem Ausdruck in der Hand in unsere Filialen.“ Umgekehrt kennt Frank Fischer viele Kunden, die online bestellen, auch persönlich. „Die nutzen den Versand einfach aus Zeitgründen“, sagt er. Für diese Kunden sei dann nicht der Preis maßgeblich, sondern das Vertrauen in den Händler und das Wissen, „dass wir, falls ein Jahrgang einmal ausverkauft ist, nicht einfach ungefragt den Folgejahrgang verschicken“.

      Die Weinhändler nutzen inzwischen auch Gutscheinportale wie Groupon, um Veranstaltungen zu bewerben und im Rhein-Main-Gebiet bekannter zu werden, beispielsweise mit Verkostungen von Wein und Schokolade. „Das Geld, das wir mit solchen Aktionen einnehmen, deckt gerade einmal die Kosten. Aber es haben sich immerhin 180 Weinliebhaber aus der Region angemeldet“, so Frank Fischer.

      Denn: Der Weinhandel ist ein hart umkämpfter Markt, auf dem sich auch die Discounter erfolgreich tummeln. „Über den Preis braucht man also auch im Internet nicht groß argumentieren“, weiß Frank Fischer. „Als stationärer Händler kann man aber mit Service und schneller Warenverfügbarkeit punkten. Wir haben in unserem Filiallager in Frankfurt-Höchst mehr als 700 unterschiedliche Weine aus 50 Anbauregionen der Welt vorrätig. Unsere Onlinekunden bekommen entsprechend schnell ihre Bestellung.“

      Die Weinhändler sind froh, neben dem stationären Laden und den Geschäftskunden mit dem Webshop – der immerhin inzwischen gut zehn Prozent vom Umsatz erzielt – einen weiteren Vertriebskanal zu haben. „Denn wenn ein Vertriebsweg mal nicht so gut laufen sollte, könnten wir das eine Zeit lang aushalten. Schließlich haben wir inzwischen auch Verantwortung für zwölf Mitarbeiter“, erläutert Frank Fischer.

      Mut in der Nische

      Viele Erfolgsgeschichten im Internet beginnen damit, dass jemand etwas Spezielles sucht, es weder stationär noch online findet und dann beschließt, es eben selbst anzubieten. Und weil diese Onlinehändler mit viel Herzblut ihre Hobbys zum Beruf machen und eine Marktlücke gefunden haben, finden sie eine treue Fangemeinde.

      Best Practice Petsdeli.de: Delikatessen für Vierbeiner

      Manchmal wird man vom Erfolg überrannt. Bei David Spanier war das zumindest so: Im Januar 2014 eröffnete er das Ladengeschäft Pets Deli am Roseneck in Berlin-Grunewald – und dann rannten ihm Herrchen und Frauchen die Bude ein. Allein in den ersten beiden Monaten fanden tausende Kunden ihren Weg in das auf artgerechtes Tierfutter spezialisierte Geschäft. Darunter waren viele Touristen aus Deutschland und dem europäischen Ausland, die sich Bezugsquellen für das Tierfutter wünschten.

      „Wir mussten also schnell mit dem Aufbau eines Onlineshops reagieren. Ein Schritt, der eigentlich erst für Ende des Jahres geplant war“, berichtet Spanier. „Mit petsdeli.de können wir die Nachfrage jetzt schnell und unkompliziert zunächst im gesamten Bundesgebiet und in Österreich bedienen.“

      Der Tierfutter-Multichannel-Händler grenzt sein Angebot bewusst von handelsüblicher Tiernahrung ab. „Zahlreiche Futterangebote beinhalten tierische Nebenerzeugnisse und damit minderwertiges Fleisch, Hirn und Kopfhaut, Geschlechtsorgane, Oberkiefer, Augen und Schädel, Fell sowie Hinter- und Vorderfüße“, erläutert Spanier. „Für die Gesundheit eines Tieres sind diese Inhalte nicht zuträglich.“

      Statt „normaler“ Tiernahrung hat Pets Deli Tierfutter in Lebensmittelqualität mit hochwertigen, frischen Zutaten ohne Zusätze für Hunde und Katzen im Angebot, also ausschließlich rohes Fleisch, Knochen und Gemüse. Da die Selbstzusammenstellung recht anspruchsvoll ist – schließlich möchte der Besitzer seinem Tier eine ausgewogene, gesunde Mischung anbieten, kennt sich selbst aber möglicherweise nicht gut genug aus –, versendet Spanier fertige Menüs, wählbar aus rund zwölf Zutaten. So kann man beispielsweise Gerichte wie frisches Känguru mit Banane und Pasta oder Wild mit Mango und Reis bestellen, die mit Ölen, Mixflocken oder Kräutern angereichert werden. „Alle Produkte sind frei von Konservierungsstoffen und antiallergen“, wirbt Spanier. „Sie sind biologisch, nachhaltig und weitestgehend regional – vom Inhalt bis zur Verpackung.“ Den Onlinekunden steht bei Fragen zudem per Telefon, E-Mail oder Live-Chat ein kostenloser Ernährungsberater zu Verfügung.

      Die online bestellten Menüs werden an der Frischetheke in Berlin zusammengestellt, gefrostet und per Kühlkarton versandt. „Der Kunde kann das frische Futter dann tiefgekühlt beliebig lange lagern und für die Fütterung einfach auftauen oder in der Mikrowelle erhitzen“, so Spanier.

      Die ausgeklügelte Verpackung hat Pets Deli im Übrigen zusammen mit der Partnerfirma coolship.de entwickelt: Sie schützt die Ware, hält sie 72 Stunden kühl und ist zu 100 Prozent recycelbar. Die umweltfreundliche Transportkühlung steht auch anderen Unternehmen zur Verfügung.


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