Die Zukunft ist menschlich. Andera Gadeib
Ihnen Impulse mit auf den Weg zu geben, wie Sie als Einzelner dazu beitragen können, die Welt menschenwürdig zu gestalten, auch wenn Ihnen das Digitale vielleicht noch sehr fremd ist. Und dies mit den digitalen Möglichkeiten, nicht gegen sie.
Das Ziel ist erreicht, wenn Sie am Ende des Buches nicht mehr ganz so viel Respekt davor haben. Wenn Sie die letzte Seite mit dem Gefühl lesen, dass Sie es anpacken können, ja, vielleicht sogar richtig Lust haben, »dieses Digitale« jetzt noch mal bei den Hörnern zu packen. Dann ist es gelungen: die Zukunft vom Menschen her und für den Menschen zu denken.
Eine positive Haltung gegenüber den digitalen Möglichkeiten scheint mir die einzige Option zu sein, als Gesellschaft den Wandel so zu gestalten, dass der Mensch auch wirklich im Mittelpunkt steht. Und dabei möchte ich Sie mitnehmen, ganz gleich ob Sie Schüler, Eltern oder ein Manager sind, der Verantwortung für viele Mitarbeiter trägt. Lassen Sie uns eine Reise in eine positive, digitale Zukunft antreten. Dazu gehört auch, dass wir eine Aufklärung erfahren darüber, was technologisch geht, was wir selbst beeinflussen können, wenn wir digitale Technologien nutzen, und wie wir sie selbst gestalten können. Insbesondere all jene, die im Berufsleben stehen, die privat oder auch im Ehrenamt Verbesserungen herbeiführen wollen und können.
Dafür möchte ich Ihnen ein Beispiel geben. Es gibt Menschen, die haben schon ein halbes Leben lang vor, ein Buch zu schreiben. Ich dagegen brauchte ein erschütterndes Erlebnis, um auf diese Idee zu kommen. Mit 45 Jahren hatte mein Mann einen Herzinfarkt. Einfach so, mitten am Nachmittag. Zum Glück war schnell der Krankenwagen da und sein Herz konnte – nicht zuletzt dank digitaler Technologien – mit 100 % Leistung gerettet werden.
Auf dem Weg ins Krankenhaus waren die Helfer im Krankenwagen bereits mit Ärzten in der Notrufstelle verbunden. Sie sahen live seine Vitalparameter und informierten den behandelnden Arzt im Klinikum detailliert, sodass dort alles für den anstehenden Eingriff vorbereitet werden konnte. Die Technologie namens Telenotarzt ist eine Entwicklung, die zufällig und glücklicherweise bei uns in der Region Aachen entstanden und hier als Erstes im Einsatz war. Im Krankenhaus angekommen, waren die Ärzte bereit und schoben ihn gleich in den OP.
Vollkommen unerwartet traf uns dieses schreckliche Ereignis. Und es führte dazu, dass wir überlegten, was wir eigentlich noch erleben wollten, und dass wir begannen, dies umzusetzen.
Ich wünsche niemandem solch eine Situation. Doch auch ohne sie liegt es an jedem Einzelnen selbst, sein eigenes Geschick in die Hand zu nehmen. Besonders in Zeiten des schnellen Wandels, in denen die Zeit rast und sich das Gefühl einstellt, man habe immer weniger Zeit für sich und seine Aufgaben.
Es geht um den Menschen. Darum, wie es uns geht. Mit drei Kindern, zwei Jobs, Selbstständigkeit und mehreren Ehrenämtern, die auf unseren Schultern lasteten, kamen wir schlicht zu kurz. Wir waren weniger die Gestalter unseres Lebens als vielmehr die, die auf äußere Umstände, die wir selbst geschaffen hatten, reagierten. Das Leben gestaltete uns und das machte Angst.
Neurobiologisch gibt es nur drei Reaktionen auf Stress oder Angst: Flucht, Schockstarre oder Angriff.11 Wir entschieden uns für den Angriff im positiven Sinne, nämlich die Neusortierung unseres Lebens. Ich gab viele Ehrenämter ab, bei denen ich das Gefühl hatte, dass das Verhältnis zwischen meinem positiven Zutun und dem Aufwand, wie etwa Reisezeiten, nicht stimmte. Oder wo es einfach menschlich nicht harmonierte und unglaublich viel Energie dabei draufging, dass man im Team klarkommt und miteinander statt gegeneinander arbeitet.
Eine Sache aber kristallisierte sich immer stärker heraus: Ich wollte und will darüber erzählen, warum technologischer Fortschritt nichts ist, vor dem die Menschen sich ängstigen oder weshalb sie in Schockstarre fallen sollten. Dass wir vor der digitalisierten Welt nicht fliehen, sie nicht bekämpfen müssen, sondern dass sie uns Menschen sehr viele Chancen liefert – sei es im Job, in der Freizeit oder, wie ich gerade erst erfahren hatte, im Krankenwagen.
Ich bin überzeugt, dass digitale Technologien geeignet sind, es uns Menschen besser gehen zu lassen und das Leben lebenswerter zu machen. Dazu bedarf es nicht einmal so lebensbedrohlicher Situationen. Dieses Buch spricht nicht ausführlich darüber, wie die Digitalisierung gerade in den Regionen helfen könnte, wo Menschen in Not sind, wie in Schwellen- und Entwicklungsländern, in Krisenregionen und von Bürgerkriegen geschüttelten Ländern. Es würde dem Thema nicht gerecht werden, wenn ich behaupten würde, das könnte man »mal eben« abhandeln. Es macht mir aber Hoffnung, wenn wir bspw. in der Lage sind, Medikamente mit Drohnen in Krisengebiete zu bringen und auch in Schwellenländern erste digitale Lösungen zu sehen.
Perspektivwechsel
Falls Sie sich über meinen Namen wundern: Ja, der steht so im Pass, denn ich bin Deutsche mit Migrationshintergrund. Mein Vater ist Syrer und meine Kindheit verbrachte ich wie viele Migrationskinder: Am ersten Tag der Sommerferien ging es nach Syrien und sechs Wochen später kamen wir zurück. Es ist das Leben in zwei ganz unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten, das mich gelehrt hat, aufmerksam zu sein, Kulturen zu erspüren und andere Perspektiven zu verstehen. Ich liebe es, Teil beider Kulturen zu sein, auch wenn sich der Kontakt zu meiner Familie in Syrien (der weitaus größte Teil lebt weiterhin dort) auf den Austausch via Facebook beschränkt. Allein dafür empfinde ich soziale Netzwerke als unglaublich wertvoll. Dass sie auch Zeitfresser und Ablenkungsmanöver von Wichtigerem sein können, wenn man mehr reagiert als selbst agiert – damit werden wir uns noch beschäftigen.
Ohne Facebook hätte ich nicht so viele Cousinen und Cousins und deren Kinder wiederentdeckt. Es wäre nahezu unmöglich, denn als ich das letzte Mal in Syrien war, gab es dort noch keine Smartphones und somit keinen Austausch über WhatsApp, Viber, WeChat, Kakao oder andere Messenger. Heute verfolgen wir alle digital, was in den Familien passiert, und bekommen viel mehr voneinander mit. Auch hier kann und darf man kritisch sein, denn natürlich bringen die neuen digitalen Möglichkeiten eine schier unfassbare Datensammlung mit sich. Gleichzeitig schmerzt es mich zu sehen, dass in Zeiten des Bürgerkriegs einige Themen nicht öffentlich angesprochen werden, weil die Menschen Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Es ist ein Beispiel dafür, wie Daten gegen den Menschen verwendet werden können. Auch das schauen wir uns noch genauer an.
Dabei geht es mir weniger um ein politisches Statement als vielmehr um den Appell, genau hinzuschauen. Ebenso wie bei den Studienergebnissen tut oft ein Perspektivwechsel gut. Die Weltlage über verschiedene Medienkanäle zu verfolgen ist im digitalen Zeitalter recht leicht und erweitert den eigenen Horizont.
Genau hier liegt schon das erste Potenzial der Zukunft: Mithilfe künstlicher Intelligenz sind automatische Übersetzungen in viele Sprachen bereits in guter Qualität möglich. Kürzlich sah ich ein Start-up, das die Weltnachrichten aus verschiedensprachigen Medien in einer für mich lesbaren Sprache, zum Beispiel Deutsch oder Englisch, zusammenstellte. Ein Beispiel dafür, in einer positiven digitalen Zukunft umfassender informiert zu sein.
Die Merkmale der Maschine
»Mensch und Maschine« sind zumeist ein Kontrast: der lebendige, unberechenbare Mensch versus die maschinell programmierte Routine. Auch wenn ich in meinen Zeilen den Computer oder Roboter meine, so spreche ich oftmals einfach von der Maschine. Was macht sie also aus?
Maschinen sind besonders gut darin, einmal Gelerntes immer wieder zu tun. Das gilt für unsere »digitalen Maschinen« gleichermaßen, die, vereinfacht gesagt, aus etwas Blech und aus viel Software, den sogenannten Algorithmen, bestehen. Jede Maschine wiederholt in hoher Geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit ihre Aufgaben.
Computersoftware wird manches Mal als »intelligent« bezeichnet und wir denken: »Moment mal, intelligent ist doch etwas, was uns Menschen ausmacht?!« Und so entspinnt sich die Diskussion darüber, wie intelligent Maschinen eigentlich sind und ob sie uns Menschen in ihrer Intelligenz überholen können. Wie intelligent Maschinen wirklich sein können, betrachten wir in Kapitel 2.
Wer aus dem Kino kommt und lieber heute als morgen in der Zukunftsvision des Science-Fiction-Szenarios leben würde, der