Tochter des Ozeans. Leinani Klaas

Tochter des Ozeans - Leinani Klaas


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er mir, als wir Setzlinge umtopften und bewässerten. Die Luft im Gewächshaus war feucht und meine Haare klebten mir im Gesicht, aber die Arbeit mit den Pflanzen machte mir Spaß. Ich war überrascht, wie gut ich mit Dan zurechtkam, obwohl ich mich manchmal noch unwohl fühlte, wenn ich ihm den Rücken zukehrte und nicht sehen konnte, was er hinter mir machte.

      Mein Leben wäre also vollkommen ruhig gewesen und Delilah hätte mich vermutlich für den Rest meines Lebens in Frieden gelassen, wenn da nicht Grayson Johnson gewesen wäre.

      Ich begegnete dem gutaussehenden Footballspieler am Mittwochnachmittag, gut eine Woche nach dem Tag am Strand, vor der kleinen Eisdiele am Eck. Er rannte praktisch in mich hinein und zerquetschte meine Kugel Himbeereis zwischen uns.

      Ich blickte von dem rosaroten Fleck auf seinem Shirt hoch in sein Gesicht. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mich entschuldigen oder ihm doch lieber etwas Unflätiges an den Kopf werfen wollte. Doch da fing er an zu lachen und die Fältchen, die sich um seine Augen bildeten, waren einfach zu sympathisch, als dass ich ihm wirklich böse sein konnte.

      »Wow, tut mir leid! Da war ich wohl etwas zu schnell unterwegs, hab dich einfach übersehen.«

      Seine Stimme war tief und angenehm. Irgendwie wusste ich sofort, dass der Typ vor mir nur Grayson Johnson sein konnte und musste im Stillen zugeben, dass er wirklich gut aussah, mit seinen blonden Haaren und den nussbraunen Augen, die mich jetzt belustigt anfunkelten. Vermutlich hätte ich Herzklopfen bekommen müssen, wie die anderen Mädchen, aber in mir rührte sich nichts.

      Natürlich fand ich ihn attraktiv, schließlich war ich nicht blind, aber das war auch schon alles. Er machte mich nicht nervös und kichern, wie andere Mädchen es in der Nähe von gutaussehenden Jungs taten, wollte ich schon zweimal nicht. Ich war nur froh darüber, dass der Körperkontakt zwischen uns nicht länger als ein paar Sekunden gedauert hatte. Also lächelte ich ihn einfach nur an und trat zur Seite, um ihm den Weg frei zu machen.

      »Du kannst mir ja ein neues kaufen, Flash«, sagte ich betont fröhlich und hoffte, dass er die Comic Anspielung verstand.

      Er grinste nur, machte aber keine Anstalten sich zu bewegen.

      »Bist du nicht Lilas Adoptivschwester?«, fragte er stattdessen.

      Oh, also hatte Delilah doch geredet. Plötzlich war ich gar nicht mehr so erpicht auf das Eis und wollte nur noch verschwinden. Ich war schon fast die Stufen runtergesprungen, da stellte er sich mir in den Weg und lehnte sich an die Hauswand.

      »He, wo willst du denn hin? Ich schulde dir doch ein Eis.« Er grinste immer noch.

      Ich zögerte, entweder wollte er sich über mich lustig machen oder er meinte es ernst. Wenn ich in etwas noch schlechter war, als in Mädchenfreundschaften, dann darin Männer zu durchschauen. Ich hielt sie lieber auf Abstand, doch vielleicht sollte ich bei Grayson eine Ausnahme machen. Womöglich war es an der Zeit, meine Aversionen seiner Spezies gegenüber zu überwinden. Aber vielleicht auch nicht. Nach dem was Jenna und Megan mir über ihn erzählt hatten, schien er nicht das richtige Exemplar für meinen Versuch zu sein. Ich merkte, dass ich schon wieder alles ins Unendliche durchdachte und er immer noch auf eine Antwort wartete. Bevor ich mir jedoch eine passende Antwort überlegen konnte, wurde hinter uns die Tür geöffnet und Delilahs Stimme nahm mir die Entscheidung ab.

      »Grayson Darling, wo bleibst du denn, wir warten schon auf dich!«

      »Sorry, komme gleich«, sagte Grayson, ohne dabei den Blick von mir abzuwenden. »Wie sieht‘s aus? Willst du mit reinkommen? Ich lade dich ein, Iris.«

      Er zwinkerte mir zu. Wow, er hatte meine Anspielung wohl wirklich verstanden. Ich überlegte gerade noch, ob ein Eis mit ihm so schlimm sein würde, da funkte Delilah dazwischen.

      »Ich glaube nicht, dass Clara für uns Zeit hat. Sie wollte gerade nach Hause gehen. Nicht wahr, Schwesterchen?«

      Oh, wie gern hätte ich ihr jetzt den Rest von meinem Eis ins Gesicht geschmiert. Stattdessen schenkte ich ihr einfach keine Aufmerksamkeit und lächelte Grayson an.

      »Ein andermal vielleicht, aber ich muss jetzt wirklich gehen. Bye.« Auf einen Nachmittag mit Delilah verzichtete ich lieber. Die letzten Tage waren einfach zu entspannt und ruhig gewesen, als dass ich jetzt einen Streit mit ihr provozieren wollte. Ich schob mich an Grayson vorbei, wobei ich darauf achtete, ihn nicht wieder zu berühren und sah wie Delilah sich bei ihm unterhakte.

      »Komm jetzt, mit der müssen wir uns nicht abgeben.«

      Sie hatte es leise gesagt und in Grayson Richtung, aber ich hatte es trotzdem gehört. Und da tat ich es. Ich dachte nicht weiter nach, sondern reagierte einfach nur, wie auf Autopilot. Später fragte ich mich, was mich in diesem Augenblick geritten hatte, aber in dem Moment war mir alles egal. Mit großen Schritten ging ich zurück, auf Delilah zu, und ohne ein Wort zu sagen hob ich die linke Hand, mit der ich immer noch die halb leere Waffel umklammerte. Sie schaute mich mit großen Augen an, als ich die Waffel seitlich an ihrem Kopf zerdrückte. Sie konnte wohl selbst nicht glauben, dass ich ihr die pinke Masse im Haar verteilte, sonst hätte sie sich bestimmt gewehrt. So aber blieb sie stocksteif stehen. Die Zeit schien zu gefrieren und es war als würde die Welt selbst den Atem anhalten. Bis Delilah anfing zu schreien. Die Erde bewegte sich wieder, spulte vor und mir stellten sich die Härchen am Arm auf. Delilah hatte Grayson losgelassen und tobte. Wütend schrie sie mich an und gestikulierte heftig in meine Richtung. Ich nahm sie nur unscharf wahr und blinzelte ein paar Mal.

      Oh mein Gott, hatte ich das gerade wirklich getan? Entsetzen machte sich in mir breit und ich war kurz davor mich zu entschuldigen, doch da sah ich Grayson aus dem Augenwinkel grinsen. In mir stieg ein hysterisches Kichern empor und drohte als Lachanfall aus mir herauszublubbern.

      Rasch wand ich mich ab und verbarg mein Gesicht hinter meinen Haaren. Ich schluckte das Lachen runter, mit einem letzten Blick auf Grayson, der neben seiner tobenden Freundin stand, drehte ich mich um und ging. Sollte er sich doch um sie kümmern. Ich hatte genug, genug von ihr, von ihrer zickigen Art und genug von diesem Nachmittag.

      Das Lachen war mir wieder vergangen, es ärgerte mich, dass ich mich von ihr hatte so provozieren lassen. So kannte ich mich gar nicht. Nicht, dass sie es nicht verdient hatte, aber es würde unangenehme Konsequenzen haben, dessen war ich mir sicher. Den Ärger war es eigentlich nicht wert, sie war es nicht wert.

      Seufzend trat ich gegen eine leere Dose auf dem Bürgersteig und überlegte, wie ich aus diesem Schlamassel rauskommen sollte. Sie würde es bestimmt unseren Eltern erzählen und es würde an ein Wunder grenzen, wenn sie mich nicht zurück in die Psychiatrie schickten. Ich hatte es verbockt, hatte mich nicht zusammenreißen können. Niemand anderem als mir konnte ich die Schuld geben.

      Delilah war eine egoistische Tussi, aber die Beherrschung hatte ich ganz alleine verloren. Was war nur los mit mir?

      Der Abend konnte nur ein Albtraum werden! Den ganzen Weg nach Hause, den ich mittlerweile gut kannte, machte ich mir abwechselnd Vorwürfe, war enttäuscht und stocksauer auf Delilah und Grayson. Und auf mich!

      Bis zum Abendessen saß ich in meinem Zimmer und versuchte zu lesen, Schularbeiten zu erledigen oder die Kleider in meinem Schrank nach Farben zu sortieren, aber der Gedanke alles zu verlieren, schlich sich wie ein ungebetener Gast in meinen Kopf.

      Unruhig lauschte ich den Geräuschen und Stimmen im Haus. Dan kam als erstes nach Hause und machte sich in der Küche zu schaffen, er kochte und kümmerte sich auch ansonsten um den Haushalt. Mom war die typische Businessfrau, immer top gestylt und ständig unterwegs.

      Die Minuten schienen dahin zu kriechen und ich wurde immer nervöser. Ich behielt die Uhr auf meinem Nachttisch im Blick, so ein altmodischer Wecker der fürchterlichen Lärm am Morgen machte. Vintage, so nannte man das, nicht alt. Aber was wusste ich schon. Kurz vor Sieben kam Delilah endlich nach Hause. Sie musste gar nichts sagen, allein die Art wie sie ihre Tür zudonnerte, verriet sie. Stocksteif saß ich auf meinem Bett und belauschte das Gespräch unten in der Küche. Ich löste die verkrampften Finger von der weichen Tagesdecke und stand leise auf, schlich zu meiner Zimmertür und öffnete sie einen spaltbreit, um die Worte besser zu verstehen. Einige Minuten verharrte ich und hörte einfach


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