Tochter des Ozeans. Leinani Klaas

Tochter des Ozeans - Leinani Klaas


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Salzwasser!

      Ich war mir sicher, obwohl ich noch nie Meerwasser probiert hatte, aber Schweiß schmeckte anders.

      Hektisch blickte ich nach links und rechts, weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Der Strand war wie leergefegt. Auch Schuhabdrücke waren keine im Sand zu erkennen. Ich war alleine! Trotzdem fühlte ich mich nicht so. Immer noch spürte ich die Präsenz dieser Person um mich herum, wie ein Wehklagen, tief in meinem Herzen.

      Aber wie war das Meerwasser in meine Haare gekommen?

      Von den Händen hatte ich doch nur geträumt, genauso wie vom Gesang.

      Es hatte niemand neben mir gesessen, während ich vor mich hingeträumt hatte. Niemand hatte mich berührt. Oder?

      Panisch sprang ich auf, es lief mir eiskalt den Rücken runter und ich keuchte auf.

      Hatte mich jemand beim Schlafen beobachtet und sogar angefasst?

      Den Weg nach Hause rannte ich wie von der Tarantel gestochen und blickte mehrmals über die Schulter. Wonach ich Ausschau hielt, wusste ich selbst nicht. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas komplett falsch lief. Ich fühlte mich so verfolgt wie noch nie in meinem Leben und das wollte wirklich etwas heißen.

      Und ich spürte immer noch dieses Kribbeln im Nacken, als würde mich jemand beobachten. Nicht mal ›Walk in the Sun‹ konnte mich beruhigen, geschweige denn, dass ich den Text zusammen bekam. Zweimal bog ich in die falsche Straße ab und wurde immer panischer, der Schweiß lief mir übers Gesicht und mein Herzschlag wurde immer schneller. Häuser und Bäume flogen rechts und links an mir vorbei und verschwammen vor meinen Augen, ich hörte nur noch das Blut in meinen Ohren rauschen.

      Am liebsten hätte ich laut geschrien und wild um mich geschlagen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hingerannt war, völlig kopflos sprintete ich in die nächste Straße. Sackgasse!

      Tränen traten mir in die Augen und rollten mir über die Wangen. Ich wollte zurück nach England!

      Ich fühlte, wie sich eine ausgewachsene Panikattacke in mir breitmachte und die Kontrolle über mein Denken und Handeln übernehmen wollte.

      Ich war stehen geblieben, keuchend beugte ich mich nach vorn, stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab und versuchte die Angst runterzuwürgen. Zweimal einatmen und stoßartig ausatmen!

      Doktor Jones Stimme hallte in meinem Kopf wider. Ich versuchte den Anweisungen zu folgen, als hinter mir Schritte zu hören waren, die immer näherkamen. Jeden Schritt spürte ich wie einen Donnerschlag durch den Asphalt beben.

      Mir wurde anders und ich fühlte mich wie in Watte gepackt, meine Beine waren weich wie Pudding und mein Sichtfeld wurde unscharf.

      Wegrennen ging nicht mehr, ich saß in der Falle. Also ließ ich mich zu Boden fallen, kugelte mich zusammen und betete.

      Dumpf hörte ich wie jemand meinen Namen sagte. Die Augen hielt ich trotzdem weiter fest zusammengepresst.

      »Clara! Hörst du mich?«

      Die Person ließ sich neben mir nieder und berührte mich. Jetzt schrie ich, fuchtelte wild mit den Armen, schlug gegen einen Körper und wehrte mich gegen die Hände auf mir.

      »Woah… Clara, beruhig dich. Ich bin es, Jenna. Was ist denn los?« Ich öffnete die Augen und hörte sofort auf, um mich zu schlagen. Große grüne Augen schauten mich entsetzt an, ihr voller Mund war leicht geöffnet und ich spürte schamvolle Hitze in mir aufsteigen. Oh nein, war das peinlich. Ich lag immer noch halb auf der Straße und gab ein erbärmliches Bild ab. Eilig rappelte ich mich auf und wischte mir währenddessen die Hände an der Jeans ab, um Zeit zu gewinnen.

      Was sollte ich ihr denn jetzt sagen? Ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit erzählen. Damit würde ich wohl einen der wenigen Menschen vertreiben, die freundlich zu mir waren.

      »Ich habe mich…«, setzte ich zögernd an, doch Jenna brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.

      »Schon gut. Du musst mir nichts erklären. Ich habe schon gemerkt, dass du nicht gerne über dich redest.«

      Ihr Lächeln war echt und offen und das, was sie gesagt hatte, überraschte mich positiv. Ein warmes Gefühl machte sich in mir breit, Jenna bedrängte mich nicht und das war mir sympathisch. Sie war mir sympathisch. Sehr sogar. Ich musterte das große, freundliche Mädchen und fühlte, wie ein Teil meiner Angst von mir abfiel. Jenna war ziemlich hübsch, das bemerkte ich nicht zum ersten Mal. Aber jetzt schien sie, vielleicht gerade wegen ihrer Freundlichkeit, von innen heraus zu strahlen. Sie trug einen einfachen Hoodie zu Jeans und war nur dezent geschminkt. Dennoch fand ich das viel schöner als Delilahs starkes Make-Up.

      »Komm, ich bring dich nach Hause.«

      Jenna zwinkerte mir zu. Ich fühlte, wie sich bei ihrem Blick ein leichtes Kribbeln in meiner Magengegend einstellte und mein Herz machte dieses kleine, seltsame Ding, das sich wie ein Purzelbaum anfühlte. Ich lächelte zu Jenna hoch, die mich um einen ganzen Kopf überragte. Ihre Augen waren so grün und strahlten eine solche Wärme aus, wie ich es selten gesehen hatte. Jetzt, da sie hier war, fühlte ich mich viel besser und das ungute Gefühl verfolgt zu werden, verflüchtigte sich.

      Gemeinsam machten wir uns durch die Dämmerung auf den Weg nach Hause. Die meiste Zeit schwiegen wir, doch dann fiel mir wieder ein, was ihre Freundin am Nachmittag gesagt hatte.

      Ich holte tief Luft. »Kann ich dich was fragen?«

      »Ja, klar.«

      »Was hat Megan vorhin auf dem Parkplatz gemeint? Wegen Delilah.«

      »Ach das.« Jenna lachte. »Eigentlich eine ziemlich blöde Geschichte. Megan und sie waren früher mal beste Freundinnen. Sie sind hier aufgewachsen und haben alles zusammen gemacht. Bis vor zwei Jahren, als Delilah zu den Cheerleaderinnen ging und dazugehören wollte. Weißt du, was ich meine? So zu den beliebten Kids und so. Und Megan wollte das eben nicht. Ist einfach nicht ihr Ding, im Mittelpunkt zu stehen. Sie haben sich halt auseinandergelebt. Und dann kam Grayson Johnson.« Sie grinste mich breit an. »Hast du schon von ihm gehört? Er ist der absolute Mädchenschwarm. Natürlich Footballspieler und unglaublich süß, wenn man auf so etwas steht. Es ist noch gar nicht so lange her, da ist er mit seiner Familie hierhergezogen, um seinen Schulabschluss zu machen, er wohnt hier sogar in der Nähe und Megan war seine Patin. Sie sollte ihn einfach ein bisschen an der Schule rumführen und so. Aber einer wie er hat das natürlich nicht nötig. Hat Megan einfach stehen lassen. Delilah hat sie deswegen fürchterlich aufgezogen, bis Megan auf sie losgegangen ist. Seitdem sind sie so was wie Todfeindinnen.«

      Jetzt lachten wir beide. Ich stellte mir ein wildes Schlammcatchen im Bikini vor und hoffte, dass Megan meine Adoptivschwester ordentlich fertiggemacht hatte.

      »In welche Klasse geht dieser Grayson?«

      »Er ist in der gleichen Stufe wie wir. Hat aber, glaube ich, ein Jahr wiederholt. Ich weiß aber nicht, warum«, sagte Jenna. »Wie ist es eigentlich, mit Delilah zusammenzuleben?«

      Ihr Themenwechsel überraschte mich so, dass ich einfach drauflosrede.

      »Es geht so. Ich habe schon gemerkt, dass Delilah nicht sehr freundlich ist. Trotzdem hat sie nichts über mich rumerzählt, oder?« Ich stockte. Das war mir jetzt einfach rausgerutscht. Ich konnte Jennas neugierigen Blick spüren, aber sie sagte nichts dazu. Wie angenehm es mit ihr war. So leicht. Jetzt war ich es, die schnell das Thema wechseln wollte.

      »Bist du nicht hier aufgewachsen? Das klang nämlich gerade so.« Sie nickte. »Ich bin vor einer Weile mit meiner Tante hergezogen. Ungefähr zur gleichen Zeit wie Grayson. Zum Glück. So hat mich immerhin keiner wahrgenommen, weil sich alles nur um ihn gedreht hat.«

      Das konnte ich ihr nicht wirklich glauben. Jemanden wie Jenna konnte man nicht übersehen. So hübsch und groß wie sie war. Aber Grayson hatte ich ja schließlich auch noch nicht gesehen. Ich zweifelte aber irgendwie daran, dass er mich beeindrucken würde.

      »Ziemlich viele Neuzugänge für so eine kleine Stadt, oder?«

      »Das meinte


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